Von
Deutschfeindlichkeit habe ich Berichte gehört
(4),
selber aber nichts mitbekommen. Eher herrscht Frust,
eine Mischung aus Fatalismus, Hoffnung und Gelassenheit. Die Insel ist reich - vor
allem an Olivenbäumen. Tausch- und Subsistenzwirtschaft sind hier
leichter zu machen als in den gewerblichen Metropolen im Norden, wo man
für alles bezahlen muss und sich die Gehalts- und Rentenkürzungen
existenziell auswirken.
Auffällig
ist die fehlende Polizeipräsenz. Die meisten Polizeiautos sieht man an der
E75 an Stellen, wo die Höchstgeschwindigkeit auf 50 oder 60 km/h
herunter geregelt ist. Dort verstecken sich viele Verkehrsschilder
hinter wuchernder Vegetation. Andere weisen kreative Übermalungen oder
Einschusslöcher auf, wenn sich die aufgeklebten Zahlen nicht von selber gelöst und unkenntlich gemacht haben.
Polizeistreifen zu Fuß gibt es nicht. Jeder Polizeieinsatz soll dem
Anzeigeerstatter 50 € kosten, sagt man in der Markthalle, nachdem eine
Taschendiebin erwischt wurde, die schon bekannt ist und aus einem
nördlichen Nachbarland stammen soll. Auch das könnte man als
Aufforderung zur Selbstjustiz missverstehen
(6).
Schade,
dass ich wieder im kalten Deutschland bin. Ich wäre gerne länger
geblieben und komme nächstes Jahr wieder. Ständig leben möchte ich auf
Kreta nicht, so schön es dort ist. Dazu fehlt es mir an
Sprachkenntnissen, an den nötigen sozialen Kontakten und an der
Fähigkeit, über Gelassenheit und Unzuverlässigkeit hinweg zu sehen.
(1)
Das stimmt nicht ganz: Die südlichste bewohnte Insel Europas ist
Gavdos
mit 81 Einwohnern (
Bild [NASA]). Sie liegt etwa 36 km südlich von Kreta im Libyschen Meer.
(2)
Chania. Bild: Kochheim 2012.
(3)
Akkordeon wäre zu viel gesagt, das würde zu sehr nach Musik klingen.
Wie schlecht muss es denen in ihren Heimatländern gehen?
(4)
Ich habe den Eindruck, dass solche Reaktionen auch von Kleidung,
mangelnder Höflichkeit und Auftreten provoziert werden.
(5)
Bild: Kochheim 2010.
(6)
Der Spötter in mir sagt: Ich habe keine Vorurteile. Ich habe nur eine
gute Beobachtungsgabe.
|