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Juli 2009
30.07.2009 Strafverfahren
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Sperrerklärungen
 

 
 
Auch eine rechtmäßige Sperrerklärung führt nicht zu einem Beweisverbot (...). Sie bedeutet nur, daß das mit der Sache befaßte Gericht die Weigerung der Behörde, die Identität eines Zeugen zu offenbaren, hinnehmen muß. Kennt das Gericht aus den Akten oder aus sonstigen Erkenntnisquellen die Identität des Zeugen, steht seiner Ladung und Vernehmung die Sperrerklärung nicht entgegen (...). Ergeben sich aus den Akten oder aus sonstigen Erkenntnisquellen Hinweise auf die Identität des Zeugen, kann es die Aufklärungspflicht ( § 244 Abs. 2 StPO) erfordern, daß das Gericht von Amts wegen Bemühungen entfaltet, den Namen festzustellen und die Vernehmung in der Hauptverhandlung zu ermöglichen (...). Bezeichnet ein Beweisantrag eine bestimmte Person, so ist deren Vernehmung nicht schon deshalb unzulässig, weil diese Person mit jemandem identisch sein kann, dessen Identität die Exekutive unter Berufung auf § 96 StPO nicht preisgeben will. (10)
 
 

 
Jüngst hat sich das BVerfG mit Sperrerklärungen der Bundesverwaltung im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak auseinander gesetzt (1) und massive Rechtsfehler festgestellt (2). Für den Cyberfahnder von Interesse ist, dass das Verfahrensrecht für die Untersuchungsausschüsse auf das Strafverfahrensrecht verweist.

Eine mehr vernünftige als bahnbrechende Aussage ist die, dass Akten gegenüber Zeugenaussagen in der Regel einen höheren Beweiswert haben, weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Hinsicht unergiebig werden kann (3).

Wegen der Herausgabe von behördlichen Akten und Beschränkungen in Bezug auf Aussagegenehmigungen (4) sind die §§ 54 Abs. 1 und 96 StPO einschlägig. Beamte, also auch Minister, benötigen eine Aussagegenehmigung, um als Zeugen Angaben machen zu dürfen, und sind zur Aussage verpflichtet, wenn diese vorliegt. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei den Zeugnisverweigerungsberechtigten. Die Exekutive ist hingegen engeren Grenzen unterworfen und grundsätzlich zur Erteilung der Aussagegenehmigung verpflichtet ( Kasten unten links).

Das Bundesverfassungsgericht erkennt jedoch einen Kernbereich der Willensbildung für die Regierung an, der sich der parlamentarischen Kontrolle und Ausforschung entzieht ( Kasten unten Mitte).

In Bezug auf das Strafverfahrensrecht bestätigt das BVerfG schließlich das schon in der StPO angelegte Recht der öffentlichen Verwaltung, unter den in § 96 StPO genannten Voraussetzungen bestimmte Informationen nicht preisgeben zu müssen ( Kasten unten rechts).
  

 
Besonders deutlich werden die Berührungspunkte zu diesen Rechtproblemen im Zusammenhang mit den Vertraulichkeitszusagen für Informanten (8) und Geheimhaltungszusagen für Vertrauenspersonen (9).

An die Sperrerklärungen ist das Gericht nur insoweit gebunden, dass es sie hinnehmen muss (siehe Kasten links). Ein Verwertungs- oder Beweiserhebungsverbot entsteht dadurch nicht, wie der BGH vor einigen Monaten wieder bestätigt hat (11). Es darf die Enttarnung betreiben und ist dazu innerhalb seiner Aufklärungspflicht auch verpflichtet (siehe Kasten links).

Geheimhaltung hinterlässt immer einen üblen Nachgeschmack. Besonders wichtig wird in ihrem Zusammenhang, wie vertrauenswürdig die Sachinformation ist, deren Hintergründe nicht befragt und geprüft werden können.

Ich bin der Überzeugung, dass ganz ohne dem Schutz der Geheimhaltung auch eine demokratische Grundordnung nicht auskommen kann, und bin damit vollständig auf der Linie, die auch das BVerfG vertritt.

Die Prozesse der Geheimhaltung dürfen sich jedoch nicht verselbständigen. VP-Führungen müssen einen gesunden und kritischen Abstand zu ihren Informanten halten, weil diese sich Vorteile von der Zusammenarbeit versprechen und ihre ureigenen Interesse vertreten. Ihre Gefährdung ist ein starkes Argument, ihre Wiederverwendung hingegen nicht. Ein Plan-B mit dem Ziel, Informanten zu offenbaren, wenn es im Interesse der Strafverfolgung nötig ist, und gleichzeitig zu schützen, scheint in aller Regel nicht vorhanden zu sein.

Geheimhaltung muss dem Schutz der Gemeinschaft dienen und darf Gemeinschaftsschädliches nicht vertuschen.

Schwierig ...
  

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Die allgemeinen, sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des Strafprozesses über Zeugenrechte und -pflichten gelten grundsätzlich auch bei der Vernehmung von Amtsträgern und Abgeordneten als Zeugen in einem Untersuchungsausschuss. Dieser Personenkreis unterliegt darüber hinaus besonderen Verschwiegenheitspflichten, die sich auch auf Aussagen vor Gericht beziehen. Der einzelne Amts- oder Mandatsträger kann daher seiner Zeugenpflicht vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nur nachkommen, wenn und soweit die hierfür erforderliche Aussagegenehmigung vorliegt, die ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit (...). Liegt eine Aussagegenehmigung vor, ist er wie jeder andere Zeuge zur Aussage verpflichtet (...). Die Bundesregierung ist vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen zur Erteilung der erforderlichen Aussagegenehmigung verpflichtet (...). (5)
 
 

 
 
Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (...). (6)
 
 

 
 
Nach der Strafprozessordnung findet die Pflicht zur Vorlage von Akten ihre Grenze, wo das Bekanntwerden der betreffenden Informationen das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden würde ( § 96 StPO). In gleicher Weise ist nach der Strafprozessordnung und den von ihr in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschriften auch die Pflicht zur Erteilung von Aussagegenehmigungen begrenzt. (7)
 
 

zurück zum Verweis Anmerkungen
 


(1) BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07

(2) Peter Nowak, Verfassungswidrig - aber ohne Konsequenz, Telepolis 23.07.2009

(3) (1), RN 113

(4) siehe auch Unmittelbarkeitsprinzip

(5) (1), RN 115

(6) (1), RN 122

(7) (1), RN 129
 

 
(8) verschiedene V-Personen

(9) (8)

(10) BGH, Beschluss vom 10.02.1992 - 5 StR 550/92, RN 12

(11) BGH, Urteil vom 07.02.2008 - 4 StR 502/07, S. 11 f. (RN 21)
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018