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zwischen NoeP und VE |
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Abgrenzungsprobleme im Zusammenhang mit verdeckten personalen
Ermittlungen Vor einem Jahr habe ich zunächst mit der Präsentation über verdeckte Ermittlungen im Internet und dann mit dem Arbeitspapier Internet-Ermittlungen Verwirrung und Aufregung damit verursacht, dass ich einerseits tiefe polizeiliche Ermittlungen im Internet und in abgeschotteten Netzen als zulässig betrachtet und andererseits auch gesagt habe, dass dann, wenn sich die Ermittlungen gegen einen bestimmten Beschuldigten richten, eine gerichtliche Genehmigung nach § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO erforderlich werden kann. Kritik kam besonders aus dem polizeilichen Bereich, wo sich die Vorstellung verselbständigt hat, Verdeckte Ermittler müssten wegen ihrer Identität immer geheim gehalten werden und ihre Erkenntnisse müssten immer entweder durch einen VE-Führer als Zeuge vom Hörensagen oder unter deprivater Tarnung (Maskerade, Paravan, Videovernehmung) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden. Das stimmt, wenn es um Taten aus mafiösen und schwerkriminellen Täterkreisen geht. Die gesetzlichen Vorschriften über den Einsatz Verdeckter Ermittler betreffen aber nicht nur diese extremen (schweren) Täterkreise, sondern auch die aus der erheblichen Kriminalität und das sind auch die Betrüger, die von ihren Betrügereien leben, ohne andere oder wesentliche andere Erwerbsquellen zu haben (gewerbsmäßige Kriminalität).
Eine schon
etwas ältere, bislang unveröffentlichte
Entscheidung des BGH gibt Anlass,
das Thema nochmals aufzugreifen. |
verdeckte Ermittlungen im Internet | |
Gezielte polizeiliche Ermittlungshandlungen, bei denen der Polizist seine Identität verschweigt, werden schon seit den Neunziger Jahren von der Rechtsprechung anerkannt (2) und bedürfen in aller Regel der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Sie werden unter dem Begriff "Nicht offen ermittelnder Polizeibeamter" - NoeP - zusammen gefasst und betreffen vor allem den Scheinkauf (zum Beispiel bei Waffen- und BtM-Geschäften) und den Zugriff auf den Täter. Für sie ist kennzeichnend, dass der NoeP einen zeitlich und räumlich umgrenzten Ermittlungsauftrag hat.
Für
längerfristige personale Ermittlungen stellen die
§§ 110a,
110b StPO den Verdeckten Ermittler - VE - zur Verfügung. Bei ihm handelt es
sich um einen Polizeibeamten, der unter einer Legende ermittelt und
unter ihr auch im Rechtsverkehr auftreten darf (
§ 110a Abs. 2 StPO). Sein Einsatz bedarf der Zustimmung der
Staatsanwaltschaft und dann, wenn sie sich gegen einen bestimmten
Beschuldigten richten oder der VE auch nicht allgemein
zugängliche Wohnungen betreten soll, auch die des Gerichts (
§ 110b Abs. 2 StPO). Unter weiteren Voraussetzungen darf die
Identität des Verdeckten Ermittlers auch über seinen Einsatz hinaus
geheim gehalten werden. |
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Abgrenzung zwischen NoeP und VE | |
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Mit der Abgrenzung zwischen dem NoeP einerseits und dem VE andererseits befasst sich der links abgebildete, bislang nicht veröffentlichte Beschluss des BGH vom 24.06.2010 - StB 15/10. Ihm liegt eine Entscheidung des Ermittlungsrichters des BGH zugrunde, der eine Zustimmung zu einem VE-Einsatz abgelehnt hatte. Das bestätigt der Strafsenat unter Hinweis auf § 110a Abs. 1 Satz 3 StPO, weil auch das minder schwere Ermittlungsmittel "NoeP" zur Verfügung stände. Im letzten Absatz des Beschlusses wird die beabsichtigte Ermittlungsmaßnahme angesprochen und ich stimme ihm zu, dass es sich dabei um einen sachlich, räumlich und zeitlich umgrenzten Ermittlungsauftrag handelt, wobei allein eine Kommunikation im lnternet unter Verschleierung der ldentität des Polizeibeamten geplant ist und es um die Kontaktanbahnung zu einer noch unbekannten Person unter der Identität des Beschuldigten geht. Die Entscheidung des BGH signalisiert, dass sowohl der Nutzung der Identität des Beschuldigten als auch der verdeckten Kontaktaufnahme zu Personen im Täterumfeld keine durchgreifenden Bedenken entgegenstehen. Seine Auseinandersetzung mit der unbekannten Identität des Betroffenen greift recht kurz, weil ihm nicht deshalb die geschützte Rolle des Beschuldigten im Sinne von § 110b Abs. 2 StPO fehlt, weil seine Identität unbekannt ist, sondern weil ihm keine konkrete Tatbeteiligung vorgeworfen wird (3).
Auch ein
zweiter Aspekt gerät kurz in dem Beschluss und das ist die Dauer der
geplanten Maßnahme. Sie ist von der GBA zunächst auf drei Monate
ausgelegt gewesen und das reicht weit über das hinaus, was als ein
räumlich und zeitlich umgrenzter Ermittlungsauftrag für einen NoeP
angesehen werden kann. |
Fazit | |
Die Praxis muss sehr genau auf gesetzliche Richtervorbehalte achten, um sich nicht dem Vorwurf der Willkür mit der möglichen Folge von Verwertungsverboten auszusetzen (4). Andererseits fördert der BGH auch mehr Gelassenheit im Zusammenhang mit Ermittlungen in kriminellen Räumen, wenn er auch geschlossene Kinderporno-Boards als "Öffentlichkeit" ansieht, wenn einem größeren, in seiner Zahl und Zusammensetzung unbestimmten Personenkreis die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet wurde (5). Wertvoll ist der Beschluss des BGH vom 24.06.2010 - StB 15/10 - wegen seiner klaren Bekenntnisse zur Zulässigkeit des NoeP als solchen, der Verwendung der Identität eines Beschuldigten zur weiteren Sachaufklärung und zur Kontaktaufnahme mit (unbekannten) Dritten. Wegen der genauen Abgrenzung zwischen NoeP und VE hilft der Beschluss nur unwesentlich weiter. Er macht erneut klar, dass der NoeP nur einen umgrenzten Ermittlungsauftrag haben kann, dessen Weite und Dauer aber offen bleibt. Das ist hilfreich, soweit er die Rechtsfigur des NoeP nicht weiter eingrenzt.
Die
gesetzlichen Vorschriften über den VE dienen besonders auch dem Schutz
der eingesetzten Beamten
(6).
Durch die weiterhin offene Frage, unter welchen Voraussetzungen der NoeP
zum VE wird, bleibt auch der Bereich des Schutzes offen. Eine gewisse
Sicherheit kann dadurch erreicht werden, dass die Staatsanwaltschaft
einen schriftlich fixierten Ermittlungsauftrag ausdrücklich genehmigt.
Dann ist es nämlich unerheblich, ob es sich noch um den Einsatz eines
NoeP oder schon um den eines VE handelt, weil dessen einfacher Einsatz (
§ 110b Abs. 1 StPO) allein ihrer Zustimmung bedarf. |
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Anmerkungen | |
(2) Siehe BGH, Urteil vom 07.03.1995 - 1 StR 685/94 und meine Auseinandersetzung: Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, S. 45 (Grenzen zwischen VE un NoeP).
(3)
Ein Verdächtiger wird zum Beschuldigten, wenn ihm aufgrund konkreter
Anhaltspunkte eine Straftat zur Last gelegt wird. Insoweit ist vom
Gesetz und von der Rechtsprechung anerkannt, dass die
Beschuldigtenrechte (siehe zum Beispiel
§ 136 StPO) schon in einem ganz frühen Stadium des Verdachts wirken.
(4)
Leitungsbefugnis und Verwertungsverbote, 09.10.2011;
(5)
geschlossene Boards sind öffentliche Räume, 17.03.2012; |
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Cyberfahnder | |
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |