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Bei
Würdigung der Angaben der einvernommenen Vernehmungs- bzw.
Führungsbeamten der VP zu einem Gespräch, in welchem Percy L.
seinen Vater, den Angeklagten Klaus-Dieter L., der
Tatbeteiligung an dem verfahrensgegenständlichen Raubüberfall
bezichtigt haben soll, hat das Landgericht den eingeschränkten
Beweiswert der Aussagen dieser "Zeugen vom Hörensagen" nicht
verkannt und bedacht, dass solche Angaben den Feststellungen
regelmäßig nur dann zu Grunde gelegt werden dürfen, wenn sie
durch andere wichtige Beweisanzeichen gestützt werden (BGHSt 36,
159, 166 m.w.N.
(2)).
Das Landgericht hat ferner gesehen, dass diese
Einschränkungen in besonderer Weise gelten, wenn die VP in den
polizeilichen Vernehmungen ihrerseits nur Bekundungen eines
Dritten, wie hier dem Gesprächspartner des Angeklagten Percy L.,
wiedergegeben hat, also selbst nur "Zeuge vom Hörensagen"
gewesen ist (vgl. BGH StV 1996, 583
(4)).
(5)
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Im
Zusammenhang mit den
geheimen Ermittlungen wurde bereits auf die Rechtsprechung zur
Zulässigkeit des Zeugenbeweises vom Hörensagen eingegangen
(1).
Das Bundesverfassungsgericht lässt den mittelbaren Beweis zur
Bekämpfung der besonders gefährlichen Kriminalität zu, verlangt aber
nach einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung. Das einfache Ergebnis
ist, dass der Beweis vom Hörensagen nicht als Vollbeweis geeignet ist,
sondern immer von anderen Spuren, Beweisanzeichen und Beweismitteln
begleitet sein muss, um die Überzeugungsbildung des Gerichts zu
begründen.
Bedeutsam
wird das zumeist dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden die Identität
einer gefährdeten Auskunftsperson geheim halten (
Vertrauensperson) oder vertraulich behandeln (
Informant)
(3).
In diesen Fällen wird der VP-Führer als Zeuge über die Angaben der
Auskunftsperson vernommen, wodurch den Verfahrensbeteiligten ein
direkter Eindruck von der
Glaubwürdigkeit der Auskunftsperson und der
Glaubhaftigkeit ihrer Angaben verwehrt bleibt.
Der
Beweiswert einer Auskunft ist noch weiter eingeschränkt, wenn die
Auskunftsperson ihr Wissen ihrerseits durch Hörensagen erlangt hat. 2008
hat der BGH die Verwertung von Aussagen aus "gehörtem Hörensagen"
zugelassen, jedoch wegen ihres Beweiswertes hohe Schranken gesetzt [ (5);
siehe Kasten
links].
Das ist nachvollziehbar und konsequent gewesen.
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Von
besonderer zeitgeschichtlicher Bedeutung sind die Feststellungen des
Bundesgerichtshofes in dem Motassadeq-Urteil aus 2006
(6).
Dem Angeklagten wurde
im
Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 ...
"Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen sowie zum versuchten Mord und zur
gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen in Tateinheit mit
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vorgeworfen
(RN 1).
Schon 2004
hatte sich der BGH mit dem ersten Urteil in dieser Sache auseinander gesetzt
(7)
und die Grenzen der Geheimhaltung im Strafverfahren präzisiert. Zunächst
bestätigt er die Zulässigkeit von Sperrerklärungen (
§ 96 StPO) und die Geheimhaltung von Identitäten (Kasten
unten links), mahnt aber zur vorsichtigen Beweiswürdigung.
Anschließend hebt das Urteil die Besonderheit hervor, dass es nicht um
die Würdigung einer belastenden Aussage gehe, sondern dass
ein für
die Wahrheitsfindung potentiell bedeutsamer Zeuge der Beweisaufnahme
völlig entzogen werde,
so daß
offen bleibt, welches Beweisergebnis durch seine Vernehmung hätte
erzielt werden können (RN 19). Die dem Angeklagten drohenden
Nachteile müssten im Wege der Freien Beweiswürdigung (
§ 261 StPO) und durch die Anwendung des
Zweifelsgrundsatzes
ausgeglichen werden (RN 20; siehe Kasten
unten rechts).
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abschließende Würdigung |
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Die Sperrung
von Beweismitteln seitens der Exekutive ist erst bei der
abschließenden Würdigung des gesamten Beweisergebnisses
mitzuberücksichtigen. Hierbei hat der Tatrichter in seine
Erwägungen die Möglichkeit einzubeziehen, daß das gesperrte
Beweismittel, wäre es in die Hauptverhandlung eingeführt worden,
das Entlastungsvorbringen bzw. die entlastende Beweisbehauptung
des Angeklagten bestätigt hätte. Diese Möglichkeit hat er dem
übrigen Beweisergebnis gegenüberzustellen und auf dieser
Grundlage unter Beachtung des Zweifelssatzes zu entscheiden, ob
das potentiell entlastende Ergebnis der unterbliebenen
Beweiserhebung durch die, verwertbaren sonstigen Beweismittel so
weit entkräftet wird, daß trotz der geschmälerten
Erkenntnisgrundlage der Inbegriff der Hauptverhandlung die
Überzeugung von der Schuld des Angeklagten trägt (...). Je mehr sich das Ergebnis der Beweisaufnahme mit dem
Entlastungsvorbringen des Angeklagten in Einklang bringen lassen
könnte, je näher das gesperrte Beweismittel zu der Tat steht und
je stärker es daher potentiell zu deren Aufklärung hätte
beitragen können, um so höhere Anforderungen sind dabei an den
argumentativen Aufwand des Tatrichters zur Begründung seiner
Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen,
insbesondere wenn die Beweise, auf die er diese Überzeugung
stützt, nur indiziell auf die Schuld des Angeklagten hindeuten.
(7);
RN 25
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Der BGH
verlangt schließlich eine abschließende Würdigung (siehe Kasten
links, RN 25) mit einem erhöhten Begründungsaufwand. In
außergewöhnlichen Fällen könne ein
Verstoß
gegen das Gebot fairer Verfahrensführung dem Verfahren als Ganzem die
Grundlage entziehen und zur Einstellung des Verfahrens zwingen [RN
34;
(11)],
wenn dem
Tatrichter durch die Maßnahmen der Exekutive die Beweisgrundlage derart
verkürzt wird, daß auch unter Beachtung der dargelegten Grundsätze
vorsichtiger Beweiswürdigung und der Anwendung des Zweifelssatzes eine
gerichtlich verantwortbare Überzeugungsbildung nicht mehr gewährleistet
ist, die rechtsstaatlichen Anforderungen sowie der verfassungsrechtlich
verbürgten Stellung der Strafgerichte genügt, den wahren Sachverhalt
unbeeinflußt von Einflußnahmen der vollziehenden Gewalt zu ermitteln.
Diesen
Anforderungen unterliegen auch die Strafverfolgungsbehörden und das
insbesondere dann, wenn sie Kenntnisse von potenziell entlastenden
Beweismitteln haben, die sie wegen bestehender Geheimhaltungs- oder
Vertraulichkeitszusagen nicht offen in die Hauptverhandlung einführen
können.
In diesem Fall muss der Staatsanwalt erklären, dass er von
entlastenden oder wegen ihres Gehalts unklarer Beweise weiß und darauf
seine Würdigung im Plädoyer abstellen. Das kann so weit gehen, dass er
seinerseits die Einstellung durch Prozessurteil beantragen muss.
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Beweisrechtlich ist auch ein Nebenaspekt im Urteil von 2006
(12) von Interesse, der das
Unmittelbarkeitsprinzip (
§ 250 StPO) betrifft: In der Hauptverhandlung vor dem Hanseatischen
OLG Hamburg waren die "Zusammenfassungen" von Aussagen eingeführt
worden, die zwei Zeugen im amerikanischen Gewahrsam gemacht hatten. Der
Beweiswürdigung des OLG, das die enthaltenen Angaben als unglaubhaft
angesehen hat, steht laut BGH
nicht
entgegen, dass wegen der Unmöglichkeit, diese beiden Zeugen persönlich
zu vernehmen oder auch nur Verhörspersonen zu befragen oder zumindest
vollständige Vernehmungsprotokolle zu erhalten, die von den USA
überlassenen "Zusammenfassungen" einer besonders vorsichtigen Würdigung
zu unterziehen waren. Den insoweit zu stellenden Anforderungen (BGHSt
49, 112
(13))
ist die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts, das sich der
Verkürzung der Beweisgrundlage bewusst war, gerecht geworden. RN 31
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BGH, Urteil vom 04.03.2004 - 3 StR 218/03 |
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Kann ein
zentrales Beweismittel wegen einer Sperrerklärung oder einer
verweigerten Aussagegenehmigung nicht in die Hauptverhandlung eingeführt
werden, obwohl ohne die Sperrerklärung oder verweigerte
Aussagegenehmigung die Erhebung des Beweises ein Gebot der
Aufklärungspflicht gewesen wäre (
§ 244 Abs. 2 StPO) bzw. ein Beweisantrag des Angeklagten auf Erhebung
des Beweises aus keinem der in
§ 244 Abs. 3 - 5 StPO genannten Ablehnungsgründe hätte zurückgewiesen
werden können, muß der Tatrichter die hierdurch bedingte Einschränkung
seiner Erkenntnismöglichkeiten sowie die Beschneidung der
Verteidigungsrechte des Angeklagten bei seiner Überzeugungsbildung
berücksichtigen und in den Urteilsgründen im Rahmen der Beweiswürdigung
erörtern. Andernfalls ist seine Beweiswürdigung lückenhaft und der
Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (
Art. 20 Abs. 3 i.V.m.
Art. 2 Abs. 1 GG;
Art. 6 Abs. 1 MRK) verletzt.
(7), RN
16
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Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jedoch ein Konflikt
zwischen Geheimhaltungsinteressen der Exekutive einerseits und den
Verteidigungsinteressen des Angeklagten sowie der Pflicht des Gerichts
zur Wahrheitsermittlung (
§ 244 Abs. 2 StPO) andererseits nicht dazu
führen, daß sich die Geheimhaltungsinteressen nachteilig für den
Angeklagten auswirken. In derartigen Fällen muß durch eine besonders
vorsichtige Beweiswürdigung und gegebenenfalls die Anwendung des
Zweifelssatzes der Verkürzung der Beweisgrundlage und damit der
Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts Rechnung getragen werden (vgl. BGH
NStZ 2000, 265, 266 f.
(8);
s. auch BVerfG NStZ 2000, 151, 153
(9)).
RN 17
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Verfahrensrechtliche Gestaltungen, die der Ermittlung der Wahrheit und
somit einem gerechten Urteil entgegenstehen, können daher den Anspruch
des Angeklagten auf ein faires Verfahren beeinträchtigen (BVerfGE 57,
250, 274 f. m.w.N.
(10)).
Zu diesen Beschränkungen zählen die behördliche Verweigerung von
Aussagegenehmigungen (
§ 54 StPO i.V.m. den Beamtengesetzen) sowie die Abgabe von
Sperrerklärungen nach
§ 96 StPO. Diese Maßnahmen können, auch wenn sie
verfahrensmäßig und inhaltlich rechtsfehlerfrei ergangen sind, zu
erheblichen Einschränkungen der Verteidigungsinteressen des Angeklagten
führen. Verschlechtern sie dessen Beweissituation, fordert der Grundsatz
fairer Verfahrensgestaltung ein Regulativ. Ein solches hält das
Strafprozeßrecht mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (
§ 261 StPO) sowie dem Prinzip "Im Zweifel für den
Angeklagten" bereit. ... RN 20
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Anmerkungen |
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(1)
BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81, abgedruckt bei
Jens
Ph. Wilhelm, Entscheidungssammlung zum
Strafverfahrensrecht, Stand Dezember 2003, S. 7;
BVerfG,
Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93, abgedruckt bei
Jens
Ph. Wilhelm, Entscheidungssammlung zum
Strafverfahrensrecht, Stand Dezember 2003, S. 18, 19
(2)
ungeprüfte Quelle:
BGH, Urteil vom 31.03.1989 - 2 StR 706/88, bei
Deutsche Rechtsprechung
(3)
Einsatz von Vertrauenspersonen;
Anlage D
zu den RiStBV
(4)
die Entscheidung ist m.W. nicht im Internet veröffentlicht worden
(5)
BGH, Urteil vom 07.02.2008 - 4 StR 502/07;
Zitat: RN 29
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(6)
Mounir al-Motassadeq;
BGH, Urteil vom 16.11.2006 - 3 StR 139/06;
abschließende Entscheidung:
Urteil gegen El Motassadeq rechtskräftig (Presseerklärung des BGH
vom 11.05.2007)
(7)
BGH, Urteil vom 04.03.2004 - 3 StR 218/03
(8)
BGH,
Urteil vom 11.02.2000 - 3 StR 377/99; Beweiswürdigung von anonymen Quellen
(9)
BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/ 90;
Aktenvorlage wegen Verwaltungsvorgänge
(10)
BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2
BvR 215/81
(11)
BGH, Urteil vom 25.10.2000 - 2 StR 232/ 00
(12)
(6)
(13)
(7)
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |