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August 2009 |
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digitale Aufzeichnungen und Akteneinsicht |
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Hierfür gilt der Grundsatz, dass alles, was dem Gericht zugänglich ist, auch der Verteidigung zugänglich sein soll. Basta und gut so. Das Urteil des BGH aus dem Juni 2009 (2) geht darüber noch einen Schritt hinaus, indem es alle digitalen und Audio-Aufzeichnungen der Überwachung der Telekommunikation - TKÜ - dem Akteneinsichtsrecht der Verteidigung zugänglich macht. Mit dieser Absolutheit setzt sich das oberste Fachgericht einigen Widersprüchen aus. Die Auswertung einer TKÜ verläuft grundsätzlich in drei Schritten:
Sichtung Die Sichtung erfolgt in aller Regel im Nachhinein, weil eine
Life-Überwachung so viel Personal bindet und Kosten verursacht, dass sie
außer jedes Verhältnis steht, wenn es sich nicht um eine besonders
gefährliche Situation handelt, z.B. um eine Geiselnahme, oder um die
Festnahme besonders gefährlicher Täter geht. |
Diese Löschung birgt das - insofern neutrale - Problem, dass Informationen vernichtet werden, die sich später sowohl zulasten wie auch zugunsten von Verdächtigen oder Dritten auswirken können. Das Beweismaterial wird dadurch perforiert und wegen seines Gesamtaussagewertes beschädigt. Ich favorisiere deshalb das Archivmodell, das die vollständige Dokumentation von Beweismaterial ermöglicht, den Zugriff Unberechtigter jedoch ausschließt. Je nach der Bedeutung des gesprochenen Wortes erfolgt die Verschriftung als Wortprotokoll, meistens jedoch in zusammen fassenden Worten oder zum Beispiel allgemein beschreibend als "Privatgespräch", wenn es oberhalb der Schwelle zum Kernbereich der persönlichen Lebensführung angesiedelt ist.
Die
Beschränkung der Verschriftung dient mindestens zwei Zwecken. Sie
erspart personelle Aufwände und verhindert, dass die an der überwachten
Telekommunikation beteiligten über das Maß hinaus bloßgestellt werden,
das unabdingbar ist. |
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Übersetzungen. Probleme | ||||
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Dazu können nur solche Dolmetscher herangezogen werden, die nicht nur handwerklich gut sind, sondern auch lokale Mundarten verstehen und schließlich so tief in den Untersuchungsgegenstand eingeweiht sind, dass sie die Andeutungen und die hintersinnige Wortwahl der Sprecher verstehen. Wegen dieser besonderen Probleme im Zusammenhang mit Fremdsprachen erfolgt die Verschriftung häufig in indirekter und zusammenfassender Rede. Nur die besonders bedeutenden Passagen werden, möglicherweise sogar erst in einem weiteren Arbeitsschritt wortwörtlich übersetzt. Die Datenbank mit den verschrifteten Texten stellt schließlich die Grundlage für die weitere polizeiliche Arbeit dar. Nur die Erkenntnisse und Zusammenfassungen aus ihr gelangen endlich in die Akten oder ihren Nebenvorgängen (Sonderhefte, Fall- und Spurenakten). Den Zugriff auf gelöschte Inhalte bekommt ein akteneinsehender Verteidiger nicht. Sie sind unwiederbringlich verloren und lassen sich auch nicht rekonstruieren. Das BVerfG geht in seiner Entscheidung zur
Beschlagnahme von E-Mails noch über die Löschungsanweisungen des
Gesetzgebers hinaus, indem es sich gegen eine
überschießende Beschlagnahme wendet. Zur Frage der dauerhaften
Dokumentation nimmt es klar Stellung: Es bevorzugt die Beweisunklarheit
gegenüber Datenfriedhöfen, die in aller Regel niemanden mehr
interessieren. Dadurch verhindert es grundsätzlich denkbare Missbräuche
- auf die Gefahr hin, dass Hauptverhandlungen erschwert und unnötig in
die Länge gezogen werden. |
Dabei übersieht er, dass es sich im System des § 147 StPO bei den TKÜ-Mitschnitten nicht um Aktenbestandteile handelt, sondern um Beweisstücke. Sie unterliegen nicht der Akteneinsicht, sondern nur dem Besichtigungsrecht auf der Geschäftsstelle ( § 147 Abs. 4 StPO), wo sich der Verteidiger auf seiner mitgebrachten Sonnenliege stunden- und nächtelang die intellektuell fragwürdigen Äußerungen seines Mandanten und von dessen Kontaktleuten anhören kann. Ich habe Verständnis dafür, dass der Verteidigung die Original-Mitschnitte zugänglich gemacht werden, deren Verschriftung schließlich zum Gegenstand der Anklagevorwürfe gemacht wird. Ich habe auch noch ein gewisses Verständnis dafür, dass die Verteidigung darüber hinaus ein Prüfungsrecht haben muss, das auch die nicht in das Verfahren eingeführten Teile umfasst. Sinnvoller als das jetzt judizierte Flickwerk wären jedoch vernünftige Verfahrensregeln unter Einschaltung neutraler Stellen. Die Rechtsprechung tendiert hingegen zu immer aufwändigeren Pflichten seitens der Strafverfolgungsbehörden. Sie lassen sich erfüllen, nicht aber mit den vorhandenen sachlichen und personellen Mitteln. Der Gesetzgeber und die Finanzmittel verwaltenden Regierungen stellen sich dem gegenüber taub - ebenso wie sich BGH und BVerfG gegenüber wirtschaftlichen Argumenten taub stellen. Ausbaden müssen das Dilemma die Polizeibeamten, Staatsanwälte und
Richter, die der stirngekräuselten Kritik der Verwaltung ausgesetzt sind, wenn etwas nicht normgerecht funktioniert, und
die überhaupt kein Verständnis dafür hat, warum das so sein könnte. |
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Anmerkungen | ||||
(2) Zitat aus BGH, Urteil vom 18.06.2009 - 3 StR 89/09
(3)
Das Thema "Spurenakten" soll auch das BVerfG beschäftigt haben. Die
Entscheidung ist m.W. nicht im Internet verfügbar. |
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Cyberfahnder | ||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |