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		Wenn ich mir die Mobilfunkdaten von – sagen wir mal – zehn Millionen 
		Menschen ansehe, dann bewegen sich die meisten von ihnen nicht mehr als 
		zehn Kilometer am Tag. Manchmal machen sie eine weite Reise, aber die 
		Zeit, in der sie unterwegs sind, ist vergleichsweise gering. Einige 
		wenige Menschen reisen sehr oft über große Distanzen, im Schnitt 400 
		Kilometer. Wenn man sich die statistische Verteilung dieser beiden 
		Spezies ansieht – also mit welcher Wahrscheinlichkeit habe ich einen 
		Menschen vor mir, der im Schnitt so und so viele Kilometer am Tag 
		zurücklegt –, landet man bei einem sogenannten Potenzgesetz.
		
		  (1) 
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		Albert-Laszlo Barabasi erforscht anhand von Standort- und GPS-Daten die 
		Bewegungsmuster von Menschen und Gruppen 
		  (1). 
		Dazu verwendet er anonymisierte Daten von
		
		 
		Mobilnetz-Providern. 
		Er betreibt "computational social science" mit mathematischen 
		Methoden, um soziale Prozesse zu erkennen (siehe
		 
		links) und damit Simulationen für 
		  
		ein Modell der menschlichen Mobilität im großen Stil schaffen 
		zu können, ohne dazu für jedes Individuum eine digitale Persönlichkeit 
		programmieren zu müssen. 
		
		  Eine andere 
		Anwendung für Bewegungsmuster
		  
		ist die Analyse der Verbreitung von Handy-Viren. Sie verbreiten 
		sich in aller Regel über die Nahfunk-Schnittstelle (Bluetooth) und die 
		Infektionen ähneln der der Grippe. Dort, wo viele Menschen 
		zusammenkommen, erfolgen auch die meisten Infektionen. Die menschlichen 
		Mobilitätsdaten geben schließlich Auskunft über die flächige 
		Verbreitung. Sein Fazit:
		  
		Erst dann, wenn Smartphones mit ein und demselben Betriebssystem 
		einen Marktanteil von etwa zehn Prozent überschreiten, werden 
		Handy-Viren zu einem ernsten Problem. 
		
		  Das 
		Interview berührt auch Fragen des Datenschutzes, der sozialen 
		Überwachung und der Terroristenfahndung. Barabasi überrascht dabei mit 
		einem intelligenten Pragmatismus. Er fordert die öffentliche Erforschung 
		sozialer Netzwerke, ihrer Verbindungen und Bewegungen, um das Feld nicht 
		allein der privat geförderten oder geheimen Forschung zu überlassen. Er 
		betrachtet die öffentliche und deshalb auch veröffentlichte Forschung 
		auch als Korrektiv für falsche und unpassende Erfahrungssätze sowie 
		gegen den Missbrauch von Forschungsergebnissen und Daten. 
  
		 
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		  Barabasis 
		locker erscheinender Umgang mit der informationellen Freiheit reizt zum 
		Widerspruch, ohne ihn genau ansetzen zu können. 
		 Die Erforschung
		sozialer Prozesse mit mathematischen Methoden hat die "Welt am Draht" 
		  (2) 
		längst verlassen und ist als Rating, Marketing und anderen Vorhersagen 
		in den Alltag eingedrungen. 
		Die berechtigte Frage ist die, inwieweit der einzelne Privatmensch 
		durch die Beschreibung von Bewegungsmustern und sozialen Prozessen so 
		gläsern wird, dass seine Freiheitsrechte in Mitleidenschaft geraten. Die 
		Gefahr dazu ist jedenfalls beim Forschungsgegenstand der 
		Sozialwissenschaften erheblich geringer als bei dem der Psychologie. 
		Dennoch können auch sozialwissenschaftliche Prozessbeschreibungen 
		fatale Folgen haben, wenn sie zur Ausgrenzung und Diskriminierung 
		missbraucht oder unkritisch, scheinobjektiv und schematisch 
		angewandt werden. Dem würde Barabasi entgegnen, dass nur die öffentliche 
		Forschung die Instrumente und die Munition liefern kann, um solchen 
		Fehlentwicklungen zu begegnen. 
		
		  Oder 
		anders ausgedrückt: 
		"... wer nicht fragt, bleibt dumm ..." 
		  (1) 
  
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