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November 2009
29.11.2009 Rechtspolitik
     
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Vorratsdaten
Die Vorratsdatenspeicherung wird nicht auf das beschränkt, was nach der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ohnehin schon geltende Rechtslage ist. Der Zugriff wird auf die Vorratsdaten für den Bereich der Strafverfolgung ausgesetzt, soweit es sich um Bundesbehörden handelt. Ein Zugriff darf nur noch zur Abwehr schwerer Gefahren für Leib, Leben und Freiheit einer Person erfolgen. Das bedeutet zum Beispiel, dass künftig nicht mehr bei Subventionsbetrug, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz oder Steuerhinterziehung auf die Daten zugegriffen werden kann. Das ist bislang nach der Eilentscheidung möglich.

Leider ist die Speicherung der Daten europarechtlich vorgegeben. Erst der Karlsruher Richterspruch wird Klarheit darüber schaffen, ob diese Vorgaben mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Ich bezweifle das und halte an meiner Klage fest.
(1)
Internetsperren
Künftig gilt, dass wir den Grundsatz Löschen statt Sperren anstatt Löschen vor Sperren vereinbart haben. Dazu setzen wir jetzt auf wirkungsvolle Maßnahmen. Die Zusammenarbeit zwischen BKA und dem internationalen Providernetzwerk INHOPE ist der Schlüssel für das effektive Löschen kinderpornografischer Inhalte. Danach sollen Seiten mit kinderpornografischem Material auf ausländischen Seiten – nur hier besteht das Problem – unter Einschaltung der jeweiligen nationalen Sicherheitsbehörden vom Netz genommen werden. Das erhöht den Druck auf alle Beteiligten. Ich bin zuversichtlich: Nach einem Jahr werden alle sehen, dass wir einen neuen, besseren Weg beschreiten. (1)
 

 
Mit den Aussagen der Koalitionsparteien setzt sich Stefan Krempl in der auseinander (1) und interviewt schließlich die neue Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Sie äußert sich unter anderem über die Vorratsdatenhaltung und die Internetsperren. Danach kann man schon etwas Panik bekommen (2).

Wir werden den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung aussetzen und bis dahin auf Zugriffe zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit beschränken (3).

Das ist die Aussage im Koalitionsvertrag (S. 98). Das ist der neuen und älteren Justizministerin zu wenig und selbst die von wenig Entscheidungsfreude getragenen Eilentscheidungen des BVerfG gehen ihr nicht weit genug (4).

Die Bundesbehörden sollen künftig nicht nur bis zur Entscheidung des BVerfG nur zur Abwehr schwerer Gefahren für Leib, Leben und Freiheit einer Person auf Vorratsdaten zugreifen dürfen - also nur bei schlichtem Polizeirecht, sondern zur Strafverfolgung überhaupt nicht mehr (siehe links oben). In der Strafverfolgung auf Bundesebene sind der Generalbundesanwalt, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei tätig. Die werden sich ebenso freuen wie der Finanzminister, dem die Einnahmen aus der Tabaksteuer wegen der nicht verfolgbaren Schmuggelware wegbrechen.

Die Justizministerin wendet sich besonders gegen die Verfolgung von Betäubungsmittel-, Steuer- und anderen Straftaten, die sie von § 100g StPO ausgenommen sehen will. Das BVerfG hat dagegen den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf den Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO vorläufig beschränkt.
 

 
 Die Lockerheit, mit der hier argumentiert wird, verursacht mir Schaudern. Der Katalog greift nicht bei jedem Subventionsbetrug, sondern nur bei seinen besonders schweren und bandenmäßigen Formen, nicht bei jeder Steuerhinterziehung, sondern nur bei den gewerbs- oder bandenmäßigen Formen, nicht bei allen BtM-Straftaten, sondern nur bei den besonders schweren, gewerbs-, banden und vereinigungsmäßigen Formen, und soweit das Arzneimittelrecht betroffen ist, nur beim banden- oder gewerbsmäßigen Doping. Die Täter wegen dieser durchweg schweren und gesellschaftsfeindlichen Straftaten meint die Justizministerin besonders schützen zu müssen. Chapeau!

 Dass sie an ihrer Klage gegen die Vorratsdatenhaltung festhalten will, ist von naturgesetzlicher Vorherbestimmbarkeit. Wenn ich recht informiert bin, hat sie jedoch nicht geklagt, sondern sich beschwert. Kleiner Fehler. Kann ja mal vorkommen.

 Wie die Justizministerin das Ziel der Koalition fördern will, die Internetkriminalität verstärkt zu bekämpfen, entnehme ich dem Interview nicht. Und schon gar nicht, wie das ohne dem, jedenfalls punktuellen, Zugriff auf Vorratsdaten möglich werden soll.

 Entgegen den Internetsperren setzt die Justizministerin jetzt auf wirkungsvolle Maßnahmen. Kinderpornos sollen gelöscht werden.

Prima, das finde ich auch.

Dazu soll ein internationales Providernetzwerk herhalten. Das mag gegenüber großen und bekannten Rogue Providern funktionieren, nicht aber bei denen, die getarnte IPs und Domänen gegen neugierige Frager abschotten.

 Nach einem Jahr werden wir vor einem Scherbenhaufen stehen.
 

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(1) Stefan Krempl, Auf dem Weg zur Internet-Republik? c't 24/2009; Interview mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger

(2) keine Panik

(3) Wachstum. Bildung. Zusammenhalt, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 17. Legislaturperiode, Entwurf 24.10.2009

(4) und noch 'ne Sondererhebung
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018