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Vorratsdaten
Die Vorratsdatenspeicherung wird nicht auf das beschränkt, was nach
der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ohnehin schon geltende
Rechtslage ist. Der Zugriff wird auf die Vorratsdaten für den Bereich
der Strafverfolgung ausgesetzt, soweit es sich um Bundesbehörden
handelt. Ein Zugriff darf nur noch zur Abwehr schwerer Gefahren für
Leib, Leben und Freiheit einer Person erfolgen. Das bedeutet zum
Beispiel, dass künftig nicht mehr bei Subventionsbetrug, Verstößen gegen
das Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz oder Steuerhinterziehung
auf die Daten zugegriffen werden kann. Das ist bislang nach der
Eilentscheidung möglich.
Leider ist die Speicherung der Daten europarechtlich vorgegeben. Erst
der Karlsruher Richterspruch wird Klarheit darüber schaffen, ob diese
Vorgaben mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Ich bezweifle das und halte
an meiner Klage fest.
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Internetsperren
Künftig gilt, dass wir den Grundsatz Löschen statt Sperren anstatt
Löschen vor Sperren vereinbart haben. Dazu setzen wir jetzt auf
wirkungsvolle Maßnahmen. Die Zusammenarbeit zwischen BKA und dem
internationalen Providernetzwerk INHOPE ist der Schlüssel für das
effektive Löschen kinderpornografischer Inhalte. Danach sollen Seiten
mit kinderpornografischem Material auf ausländischen Seiten – nur hier
besteht das Problem – unter Einschaltung der jeweiligen nationalen
Sicherheitsbehörden vom Netz genommen werden. Das erhöht den Druck auf
alle Beteiligten. Ich bin zuversichtlich: Nach einem Jahr werden alle
sehen, dass wir einen neuen, besseren Weg beschreiten.
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Mit den
Aussagen der Koalitionsparteien setzt sich Stefan Krempl in der
auseinander
(1)
und interviewt schließlich die neue Bundesjustizministerin
Leutheusser-Schnarrenberger. Sie äußert sich unter anderem über die
Vorratsdatenhaltung und die Internetsperren. Danach kann man schon etwas
Panik bekommen
(2).
Wir werden
den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten
der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung
aussetzen und bis dahin auf Zugriffe zur Abwehr einer konkreten Gefahr für
Leib, Leben und Freiheit beschränken
(3).
Das ist die Aussage im Koalitionsvertrag (S. 98). Das ist der neuen und
älteren Justizministerin zu wenig und selbst die von wenig
Entscheidungsfreude getragenen Eilentscheidungen des BVerfG gehen ihr
nicht weit genug
(4).
Die Bundesbehörden sollen künftig nicht nur bis zur Entscheidung des BVerfG nur
zur Abwehr schwerer Gefahren für Leib, Leben und Freiheit einer
Person auf Vorratsdaten zugreifen dürfen - also nur bei schlichtem
Polizeirecht, sondern zur Strafverfolgung überhaupt nicht mehr (siehe
links oben). In der Strafverfolgung auf Bundesebene sind der
Generalbundesanwalt, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei tätig.
Die werden sich ebenso freuen wie der Finanzminister, dem die Einnahmen
aus der Tabaksteuer wegen der nicht verfolgbaren Schmuggelware
wegbrechen.
Die Justizministerin wendet sich besonders gegen die Verfolgung von
Betäubungsmittel-, Steuer- und anderen Straftaten, die sie von
§ 100g StPO ausgenommen sehen will. Das BVerfG hat dagegen den
Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf den
Straftatenkatalog des
§
100a Abs. 2 StPO
vorläufig beschränkt.
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Die
Lockerheit, mit der hier argumentiert wird, verursacht mir Schaudern.
Der Katalog greift nicht bei jedem Subventionsbetrug, sondern nur bei
seinen besonders schweren und bandenmäßigen Formen, nicht bei jeder
Steuerhinterziehung, sondern nur bei den gewerbs- oder bandenmäßigen
Formen, nicht bei allen BtM-Straftaten, sondern nur bei den besonders
schweren, gewerbs-, banden und vereinigungsmäßigen Formen, und soweit
das Arzneimittelrecht betroffen ist, nur beim banden- oder
gewerbsmäßigen Doping. Die Täter wegen dieser durchweg schweren und
gesellschaftsfeindlichen Straftaten meint die Justizministerin besonders
schützen zu müssen. Chapeau!
Dass sie
an ihrer Klage gegen die Vorratsdatenhaltung festhalten will, ist von
naturgesetzlicher Vorherbestimmbarkeit. Wenn ich recht informiert bin,
hat sie jedoch nicht geklagt, sondern sich beschwert. Kleiner Fehler.
Kann ja mal vorkommen.
Wie die
Justizministerin das Ziel der Koalition fördern will, die
Internetkriminalität verstärkt zu bekämpfen, entnehme ich dem Interview
nicht. Und schon gar nicht, wie das ohne dem, jedenfalls punktuellen,
Zugriff auf Vorratsdaten möglich werden soll.
Entgegen
den Internetsperren setzt die Justizministerin jetzt auf wirkungsvolle
Maßnahmen. Kinderpornos sollen gelöscht werden.
Prima, das finde ich auch.
Dazu soll ein internationales Providernetzwerk herhalten. Das mag
gegenüber großen und bekannten Rogue Providern funktionieren, nicht aber
bei denen, die getarnte IPs und Domänen gegen neugierige Frager
abschotten.
Nach einem
Jahr werden wir vor einem Scherbenhaufen stehen.
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