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Der Senat ist verwundert, dass er für das angegriffene Gesetz heute
keinen politischen Verantwortlichen hat finden können, der es
verteidigt.
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Am
15.12.2009 fand die öffentliche Verhandlung vor dem
Bundesverfassungsgericht wegen der 34.000 Verfassungsbeschwerden gegen
die Vorratsdatenhaltung statt. Lesenswert ist der Bericht, den
die dazu
veröffentlicht hat
(2).
Die
politischen Verantwortungsträger haben dabei ein schlechtes Bild
hinterlassen, wie das Zitat
links bereits hervorhebt.
Das BVerfG
hat die Verhandlung auf zwei Themen aufgeteilt. Zunächst ging es ihm um
die Frage der Speicherung als solche (besonders
§
113a TKG) und dann um den Zugriff auf diese Daten (z.B.
§
100g StPO).
Die Journalisten schließen daraus nicht ohne Grund, dass die
Speicherpflicht vom BVerfG bestätigt, aber der Zugriff auf die Daten
starken Einschränkungen unterworfen wird. Das würde zur Grundlinie des
BVerfG passen, die es in seiner Spruchpraxis zeigt. Zuletzt hatte es die
Onlinedurchsuchung vom Grundsatz her erlaubt, die Anordnungs- und
Verwendungsvoraussetzungen jedoch stark beschränkt.
Trotz
aller gewohnter Aufgeregtheit denke auch ich, dass die
Vorratsdatenspeicherung vom BVerfG bestätigt wird. Ohne sie würde die
Verfolgung der Internetkriminalität fast vollständig erliegen.
In Bezug auf die Verwertungsregeln bleibt es spannend. Eine
Beschränkung auf solche Straftaten, die aus dem
Straftatenkatalog des
§
100a Abs. 2 StPO stammen, würde das Gros der "normalen"
Internetkriminalität von der Verfolgung ausschließen. Das kann in der
Tat zu rechtsfreien Räumen führen, die die Allgemeinheit äußerst
belasten würden.
Eine ganz andere Frage ist die, wie der mögliche Missbrauch der
gespeicherten Daten bei den TK-Unternehmen verhindert werden kann. Auch
dazu wird sich das höchste Gericht äußern, vermute ich Mal.
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Der
Tagesspiegel meldet, dass sich der bundesdeutsche Zoll bis 1989 die
Postsendungen aus der DDR hat "vorführen" lassen,
wenn sie „dem Anschein nach Waren enthielten“
(3).
Dies gehe aus einer Regierungsantwort auf eine Anfrage der Abgeordneten
Petra Pau hervor
(4).
Mit naturgesetzlicher Vorhersehbarkeit entrüstet sich Frau Pau nicht
nur,
"dass es für diese Überwachung noch nicht einmal ein Gesetz gab",
sondern auch darüber,
dass die Bundesregierung nicht in der Lage sei, Auskunft zur Zahl
der Betroffenen zu geben, deren Sendungen geöffnet oder gar
beschlagnahmt wurden.
Die
Beweggründe für die den hoheitlichen Eingriff in das Postgeheimnis (
Art. 10 Abs. 1 GG) bleiben dem geneigten Zeitungsleser verborgen.
Wegen der Frage nach der gesetzlichen Rechtsgrundlage kann ich jedoch
helfen: Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses
(5).
Der
weiteren Empörung darüber, dass die Regierung außer Stande sei, den
Umfang der betroffenen Postsendungen zu benennen, vermag ich hingegen nicht zu folgen. Ich würde mich jedenfalls mehr darüber aufregen, wenn sie es
könnte und womöglich auch noch Listen mit allen Versendern und Empfänger
vorlegte. Das würde nämlich bedeuten, dass sich der Grundrechtseingriff
weiter vertieft und durch den Zugriff auf solche Daten erneuert hätte.
Nach den geltenden Zweckbindungen wäre das zudem unzulässig (
§ 4 G 10). Ins Einzelne gehende Erörterungen solcher Eingriffe
gehören auch nicht in die Öffentlichkeit, sondern in die G 10-Kommission
(
§ 14 G 10), deren Mitglieder einer besonderen Geheimhaltungspflicht
unterliegen (
§ 15 Abs. 2 S. 2 G 10,
§§ 203 Abs. 2 Nr. 4,
353b Abs. 2 StGB).
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