Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß
§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB kommt zwar auch in
Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der
Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder "optimale" gewählt hat
(...). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette
in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich,
oder jedenfalls mitursächlich wird (...).
(1)
<Rn 8> |
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles
tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur
Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht
ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch
der Hilfe Dritter bedienen kann (...). Allerdings sind, wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel
steht, insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Der Täter muss sich um
die bestmögliche Maßnahme bemühen. Hilft er nicht selbst, so muss er
sich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und
Erforderliche veranlassen (...).
(1)
<Rn 10> |
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Dort, wo
das Gesetz wegen Vergehen die Strafbarkeit des Versuchs anordnet (zum
Beispiel in
§ 242 Abs. 2 StGB) und bei allen Verbrechen (
§§ 23 Abs. 1,
12 Abs. 1 StGB), muss die Straftat nicht erst vollendet sein, bis
die Strafbarkeit eintritt. Es reicht, dass der Täter
nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des
Tatbestandes unmittelbar ansetzt (
§ 22 StGB).
Der Gesetzgeber reagiert damit auf gefährliche und besonders schwere
Straftaten, die er verhindert wissen will. Im Gegenzug wird der Täter
von
§ 24 StGB besonders privilegiert: Er bleibt straffrei, wenn er
freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren
Vollendung verhindert.
Dabei kommt es auf die konkrete Tathandlung an, die dem Täter
vorgeworfen wird. Ein Totschlag (
§ 212 StGB) wird dadurch vollendet, dass das Opfer stirbt. Nimmt der
Täter nach dem vierzigsten Messerstich von der weiteren Perforierung
seines Opfers Abstand, so kann er zwar wirksam vom Totschlag
zurücktreten, bleibt aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar
(
§ 227 StGB), wenn es später an den Folgen der Verletzungen stirbt. Die
gefährliche Körperverletzung (
§§ 223,
224 StGB) ist bereits mit dem ersten Stich vollendet gewesen und
§ 227 StGB qualifiziert das Delikt zu einem selbständigen
Verbrechen.
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Besonders bei schweren versuchten Delikten wird in der Praxis intensiv
über den Rücktritt gestritten. So verlangt der BGH, dass dem Täter nicht
ohne Not die Straffreiheit des Rücktritts zugute kommen darf
(2).
Er wendet sich damit gegen ungeprüfte Unterstellungen zugunsten eines
Angeklagten, die nur dann rechtsfehlerfrei sind, wenn der Tatrichter für
sie reale Anknüpfungspunkte hat.
Besonders dann, wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht, lässt der
BGH ein mehr oder weniger lustloses Ablassen von der weiteren
Tatausführung nicht mehr genügen [siehe
links,
(1)].
Das gilt besonders dann, wenn der Tot durch Dritte verhindert werden
soll und nicht durch das Handeln des Täters selber. Insoweit muss der
Täter nicht irgendeine Hilfsmaßnahme suchen, um die schwere Folge
zu verhindern, sondern muss die bestmögliche wählen und sich nach seinen
Kräften vergewissern,
ob
die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen.
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