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Juli 2010
15.07.2010 10-07-28 Eingriffsmaßnahmen
     
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Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in dieses Grundrecht ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (...). Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus (...). <Rn 15>

Die fünf Vorverurteilungen des Beschwerdeführers wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz aus den Jahren 1987 bis 2006 waren ohne das Vorliegen weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte keinesfalls ausreichend, um einen Tatverdacht auf eine aktuelle Straftat anzunehmen. Schließlich begründet auch die Gesamtschau der aufgeführten Indizien keinen auf tatsächlichen Gründen beruhenden Tatverdacht. <Rn 16> (1)
 

 
Ein Verdacht setzt immer tatsächliche Anhaltspunkte voraus, die wegen ihrer eigenen Aussage und in der Gesamtschau bewertet werden müssen ( Geltung von Beweisen und Erfahrungen).

Bloßes Gerede, nicht überprüfte Gerüchte und Vermutungen reichen nicht, zitiere ich das BVerfG immer wieder gerne (2). Beachtlich ist, dass sich das Gericht immer wieder mit demselben leeren Gewäsch auseinandersetzen muss, jetzt wieder im Zusammenhang mit einer Durchsuchungsanordnung gemäß § 102 StPO (1). Dabei kann man die Aussagen des Gerichts fast schon seit Jahrzehnten mitmeißeln:

Fakten, Fakten, Fakten!

Keine systematische Suche nach Zufallsfunden!

Der Erfolg rechtfertigt keineswegs die Mittel!

Allein die Tatsache, dass jemand wegen einer einschlägigen Straftat verurteilt wurde, macht ihn nicht zum "üblichen Verdächtigen" (3).

Auch das BVerfG hebt die Bedeutung der Gesamtschau hervor. Bei ihr geht es darum, das Zusammenspiel einzelner Anhaltspunkte, die für sich allein betrachtet einen unsicheren Aussagewert haben, mit Erfahrungswissen zu bewerten und in ihrem Zusammenwirken zu betrachten. Daraus lässt sich jedenfalls ein Verdacht und womöglich sogar eine Überzeugung ableiten. Die steht dann dem Richter im Zusammenhang mit seinem Urteil zu.
 

 
Unbedacht erscheint mir die Äußerung des BVerfG, eine Durchsuchung setze immer schon den Verdacht voraus, dass eine Straftat begangen wurde.

Unbetrachtet lässt es dabei die Vorermittlungen (4), die geboten sind, um zu klären, ob Merkwürdigkeiten, wie ich sie nenne, die Annahme einer Straftat rechtfertigen oder eine natürliche oder unverschuldete Ursache haben. Die Systematik der StPO und der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften lässt den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers erkennen, dass er diese Eingriffsmaßnahme gegen den Verdächtigen auch im Rahmen der Vorermittlungen möglich machen will. Die Grenzen ergeben sich aus der Verhältnismäßigkeit, der Tiefe des Eingriffs und der Schwere der in Betracht kommenden Straftat.
 

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(1) BVerfG, Beschluss vom 11.06.2010 - 2 BvR 3044/09

(2) BVerfG, Beschluss vom 30.04.2007 - 2 BvR 2151/06;
Anfangsverdacht, 2007

(3) "Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen!"
Casablanca (Film)
 

 
(4) Eingriffsrechte während der Vorermittlungen, 12.08.2009
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018