Beim Erfüllungsschaden ist zu
beachten,
dass für die Tatbestandsverwirklichung nur die Vermögenseinbußen
relevant sind, auf die spiegelbildlich die Absicht des Täters gerichtet ist, sich
einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen; weitergehende Vermögensnachteile, die
der Geschädigte aufgrund der
irrtumsbedingten Vermögensverfügung erleidet, sind allenfalls
verschuldete Tatauswirkungen im Sinne des
§ 46 Abs. 2 StGB. <Rn. 12> |
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11-02-35
Drei
verschiedene Arten von Schaden arbeitet der BGH im Zusammenhang mit
Betrugsvorwürfen (
§ 263 StGB) heraus
(1)
und klärt damit die Schadensrechtsprechung im Zusammenhang mit dem
vollendeten Betrug.
Eingehungsschaden
ergibt sich aus der
<rechnerischen> Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der
gegenseitigen vertraglichen Ansprüche <Rn. 10> beim
Vertragsabschluss selber. Gemeint ist der Vergleich der wirtschaftlichen
Werte der beiderseitigen Vertragspflichten nach einer noch abstrakten
Berechnung
(2).
Erfüllungsschaden
ist der materialisierte Schaden. Er realisiert sich durch die
Erbringung
der versprochenen Leistung des Tatopfers ... und bemisst sich nach deren
vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt
<Rn. 10>. Gemeint
sind die unmittelbaren Verfügungen, die
aufgrund des
Vertragsabschluss erfolgen (Gegenstand der Übereignung, Provision als
solche). Ihm sind die Gegenleistungen des Täters (Anzahlung, Kaution,
Nachnahme) gegenzurechnen.
weitergehende Vermögensnachteile
sind solche,
die der
Geschädigte aufgrund der
irrtumsbedingten Vermögensverfügung erleidet <Rn. 12>,
ohne dass der Täter seinem Plan entsprechend einen spiegelbildlichen
Vermögensvorteil erlangt. Diesen nicht der Stoffgleichheit
unterliegenden Schaden kannte ich bislang unter dem Begriff des
"Folgeschadens".
Der
Angeklagte betrieb zusammen mit Mittätern eine gewerblich angemeldete
Vermittlung für Mobiltelefonverträge. In einer Vielzahl von Fällen erstellten
sie unter fiktiven Personalien Verträge, denen sie Ausdrucke von
gefälschten Personalpapieren und von falschen Zahlungskarten beifügten.
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Die
Anträge und Kopien der gefälschten Dokumente übersandten sie an die
Mobilfunknetzbetreiber, um Provisionszahlungen zu erhalten und in den
Besitz subventionierter Mobiltelefone sowie freigeschalteter SIM-Karten
zu gelangen. Die Mobiltelefone und die SIM-Karten wurden an dritte
Personen weiterverkauft. Mehrere Erwerber von SIM-Karten verursachten
durch die Anwahl so genannter Mehrwertnummern, die sie vorher angemietet
hatten, hohe uneinbringliche Telefongebühren ... <Rn. 3>.
Die dadurch
verabredeten Vertragsleistungen differenziert der BGH:
Der
Mobilfunknetzbetreiber verspricht dem angeblichen Endkunden ein
funktionstüchtiges Telefon einschließlich SIM-Karte und sagt die
vertragsgemäße Netznutzung zu. Dem Vermittler sagt der
Mobilfunknetzbetreiber die Zahlung einer Provision und die Übersendung
des versprochenen Telefons mit SIM-Karte zu, die an den Endkunden
weitergegeben werden sollen.
Der
angebliche Neukunde sagt die Zahlung des Kaufpreises (oder der
Monatsgebühr im Rahmen der Vertragsabrede) und die Zahlung der durch das
Telefonieren entstehenden Gebühren zu.
Der
Vermittler sagt die Weitergabe des Telefons zu. Dabei bestand die
Besonderheit, dass ihn der Mobilfunknetzbetreiber per Nachnahme
belieferte und die Täter bereit waren, die dadurch entstehenden Kosten
zu bezahlen, um an die Handys zu gelangen.
Die
Ansprüche gegen den angeblichen Neukunden waren wertlos. Im Hinblick auf
den rechnerischen Eingehungsschaden bedeutet das:
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Vermittlerprovision |
+ |
Wert von Handy und SIM-Karte |
- |
Vorkasse (Nachnahme abzüglich Gebühr) |
|
= |
Eingehungsschaden |
|
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Offen lässt
der BGH, ob bereits beim Eingehungsschaden die Vorleistungsbereitschaft
des Mobilfunknetzbetreibers einzurechnen ist, Netzdienstleistungen
bereit zu stellen.
Der
Erfüllungsschaden realisiert sich durch die Auszahlung der Provision und
die Übersendung des Handys.
Unklar bleibt dabei, ob bereits die interne Verrechnung der
Provisionsansprüche im Kontokorrent bei dem Mobilfunknetzbetreiber zu
einem Erfüllungsschaden führt. Die strenge Unterscheidung zwischen
Eingehungs- und Erfüllungsschaden einerseits und der Inhalt des Wortes
"Erfüllung" andererseits, das in aller Regel ein nach außen erkennbares,
rechtsgeschäftliches Handeln erkennen lässt, sprechen dagegen.
Die Kosten,
die durch die eigennützigen Anrufe bei Mehrwertdienstenummern entstanden
sind, sind den Vermittlern nicht als Erfüllungsschaden zuzurechnen. Sie
entstanden durch das Handeln Dritter und zu deren Nutzen und sind kein
stoffgleicher Vermögenszuwachs. Sie sind jedoch als weitergehende
Vermögensnachteile im Wege der Strafzumessung (
§ 46 Abs. 2 StGB) zu berücksichtigen.
Anders sähe das aus, wenn die Vermittler oder ihre Mittäter aufgrund
einer kriminellen Übereinkunft die Handys selber zu Anrufen bei
Mehrwertdienstenummern missbraucht hätten. Dann wären die Folgekosten
Bestandteil des Erfüllungsschadens.
Die
eingehende Differenzierung zwischen den drei Schadenstypen ist in der
Rechtsprechung des BGHs neu. Besonders die Hervorhebung des
rechnerischen Eingehungsschadens ist bedeutsam, weil er den Schadenstyp
ersetzt, der bislang als Gefährdungsschaden oder schadensgleiche
Vermögensgefährdung diskutiert worden ist
(3).
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Das
eröffnet die Frage, in welchem Tatstadium der Eingehungsschaden
eintritt, also danach, ob er auch schon im Versuchsstadium eintreten
kann. Das Argument dafür ergibt sich aus der Tatsache, dass im Stadium
des Eingehungsschadens die abschließende vermögenswirksame Handlung des
Geschädigten noch aussteht
(4).
Im Zusammenhang mit dem Betrug ist damit die Frage nach dem Strafrahmen
gestellt (
§ 23 Abs. 2 StGB) und im Zusammenhang mit der Untreue nach der
Strafbarkeit überhaupt (
§ 266 StGB), weil für sie zwar derselbe Vermögensbegriff gilt, aber
der Versuch nicht strafbar ist.
Aufklärung
geben die einleitenden Worte des BGH:
Der
vollendete Betrug setzt voraus, dass beim Geschädigten eine
Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne eingetreten ist, die
unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung sein muss.
Der Schaden wird
durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen
Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche ermittelt. <Rn. 10>
Daraus folgt: Der bezifferte Eingehungsschaden macht das Vermögensdelikt
zur vollendeten Straftat, wenn ihm Täuschung und Irrtum (oder
Untreuehandlungen) vorausgegangen sind und der Getäuschte keine
Leistungsvorbehalte erhebt.
Mit diesem
Ergebnis führt der BGH tatsächlich zu mehr Klarheit. Er zwingt
einerseits die tatrichterliche Rechtsprechung zu klaren Feststellungen
wegen der wirtschaftlichen Schäden und bringt andererseits echte
Konturen in die bislang noch unklare Rechtsprechung zum
Gefährdungsschaden und seinem wirtschaftlichen Gehalt. Mit dem
definierten Begriff des Eingehungsschadens wird die schadensgleiche
Vermögensgefährdung sinnvoll abgelöst.
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