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Februar 2011
25.02.2011 Vorratsdaten. Staatsanwaltschaft
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  Aber nicht nur das: Der BGH gibt Anlass dazu, das Berufsbild des Staatsanwalts aggressiv zu besetzen.

 

11-02-49 
Die Staatsanwaltschaft Verden hat ein Urteil des örtlichen Landgerichts mit der Revision angegriffen, weil sie die Meinung vertritt, das Gericht hätte Vorratsdaten in die Hauptverhandlung einführen müssen, die nach Maßgabe der Einstweiligen Anordnungen des BVerfG zulässig erhoben wurden (1). Die damit verbundene Frage ist die, ob ein Verwertungsverbot durch die Entscheidung des BVerfG vom 02.03.2010 (2) eingetreten ist. Im Januar hat der 4. Strafsenat des BGH ein solches Verwertungsverbot verneint (3), was mich in meiner Meinung bestätigt hat (4).

Ich weiß aber, dass der 3. Strafsenat, der für die Landgerichte Hannover und Verden zuständig ist, zunächst eine andere Auffassung vertreten hat. Im Januar 2011 hat er jedoch der Linie des 4. Strafsenats folgend die Revision eines in Hannover Verurteilten verworfen, der ein Verwertungsverbot behauptet hat. Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht und ich erwarte sie mit Spannung.

Das Rechtsmittel der StA Verden hat der BGH jetzt verworfen, weil die Staatsanwaltschaft keine zulässige Aufklärungsrüge erhoben habe (5). Das Gericht bemängelt den zugrundeliegenden Beweisantrag und die fehlerhafte Revisionsbegründung. Zur Sachfrage nimmt die Entscheidung keine Stellung.

Nein, ich behaupte nicht, dass das eine besserwisserische Reaktion auf die guten Gründe ist, die der 4. Strafsenat ins Feld geführt hat.

 Der 3. Strafsenat ist bekannt dafür, dass er die Rechtsprechung des Landgerichts Hannover ausgesprochen kritisch beobachtet. Seitdem ich seit einem Jahr meinerseits die Rechtsprechung des BGH sehr genau beobachte, fällt mir jedenfalls das Landgericht Hannover keineswegs mit besonders vielen Aufhebungen auf.
 

 
 Die aktuelle Entscheidung ruft ein Selbstverständnis in Erinnerung:

Die Staatsanwaltschaft ist eine normale Partei im Strafverfahren. Ihr prozessuales Verhalten ist mit demselben Maßstab zu beurteilen wie bei allen anderen Verfahrensbeteiligten.

Das kritisiere ich nicht. Die Aussage hat nur eine ganz besondere Auswirkung: Das ist die offene Aufforderung, aggressiv und nachhaltig im gerichtlichen Verfahren aufzutreten. Ich verbinde das mit einer ultimativen Aufforderung an die Justizverwaltung: Wir brauchen mehr Personal! Die Personalberechnungen orientieren sich fast ausschließlich an den Anforderungen, die die Ermittlungsverfahren stellen. Die Wahrnehmung der staatsanwaltschaftlichen Aufgaben in der Hauptverhandlung und in der Vollstreckung werden als Bruchteilsaufgaben mit buchhalterischen Erinnerungsposten besetzt. Der 3. Strafsenat gibt ein neues Zeichen: Die Staatsanwaltschaft muss sich nachhaltig und aggressiv in die Hauptverhandlung einbringen. Das lässt sich nicht während der Sitzungsstunden leisten, sondern erfordert zeitintensive Vor- und Nachbereitungen.

Die Konsequenzen daraus kratzen auch am teilweise trägen Berufsverständnis der Staatsanwälte. Wir tragen eine Gesamtverantwortung für alle Phasen der Untersuchung, beginnend bei den Ermittlungen, über den Verfahrensabschluss und die Begleitung des gerichtlichen Verfahrens bis hin zur Strafvollstreckung. Wir haben uns zu lange als Verfahrensabschlussautomaten instrumentalisieren lassen und es wird Zeit, dass auch alle flankierenden Aufgaben hinreichend gewürdigt und gewertet werden!
 

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(1) Zu den Rechtsfragen: Umgang mit Verkehrsdaten, 07.03.2010;
Zum Umgang mit Verkehrsdaten, 08.03.2010.

(2) BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08

(3) BGH, Beschluss vom 04.11.2010 - 4 StR 404/10

(4) zulässig erhobene Vorratsdaten bleiben verwertbar, 12.01.2011

(5) BGH, Urteil vom 13.01.2011 - 3 StR 337/10
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018