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Mit dem
"System Neustart" ist der dritte Roman von William Gibson erschienen,
der einen besonderen Blick auf unsere Gegenwart oder allernächste Zukunft
wirft. Er bildet den (vorläufigen) Abschluss einer merkwürdigen
Erzähllinie, die nebulös bleibt und sich etwas zerläuft
(1) .
Cayce
Pollard ist die Hauptperson in der "Mustererkennung". Sie ist eine
erwachsene, junge Frau mit einer ungewöhnlichen Allergie: Sie spürt die
corporate identity, die verschiedene Waren zu Marken mit einem
einheitlichen Gepräge machen, und vermag die Muster zu erkennen, die sie
verbinden. Sie ist deshalb auch ein "Coolhunter", berät bei der
Gestaltung von Firmenlogos und spürt Modetrends auf. Nachdem
ungewöhnliche Filmschnitzel im Internet auftauchen, die offenbar Teile
eines zusammenhängenden, suggestiv wirkenden Films sind und eine von
Faszination getragene Bekanntheit erlangen, wird sie von Hubertus Bigend,
dem Inhaber der Marketing-Agentur Blue Ant, damit beauftragt, der Sache
auf den Grund zu gehen.
Die Geschichte ist spannend und wird getragen
von Gibsons feinfühliger Behandlung seiner Hauptfigur. Ihre inneren
Zweifel, Gefühle, Gedankensprünge, Erkenntnisse und Schmerzen erlebt man
als Leser hautnah mit. Cayce reist immerhin zu Schauplätzen auf der
ganzen Welt und erlebt auch gefährliche Episoden
Gibson hat
mit seinen Neuromancer-Romanen in den 1980er Jahren den Begriff
Cyberspace kreiert. Gleichzeitig wird die von ihm geschaffene Sparte als
Cyberpunk bezeichnet, womit ein sehr schneller und die Sicht wechselnder,
skroboskopisch anmutender Erzählstil gemeint ist. Die Erzählsprache in
der Mustererkennung ist deutlich ruhiger, betrachtender, nicht aber
langatmig. Sie ist komprimiert, beschreibende Worte haben eine eigene
Aussage und verlangen vom Leser Konzentration. Das macht den besonderen
Lesespaß aus.
Die
Hauptperson im Quellcode ist Hollis Henry, eine Journalistin, die früher
Rockstar war. Sie bekommt von dem Redakteur des geplanten
Technologie-Magazins "Node" den Auftrag, über eine neue Kunstform zu
schreiben, bei der über eine Brille zusätzliche Elemente in die Realität
eingefügt werden (Locative Art). Bei ihrer Recherche trifft sie auf
einen Frachtcontainer voller Geld, der von Containerschiffen immer
wieder um die ganze Welt getragen wird, und auf Verschwörer, die das
darin enthaltene Geld endgültig unbrauchbar machen.
Während die
Mustererkennung ihren Reiz aus den Empfindungen der Hauptperson ziehen,
sind es beim Quellcode die Situationen, Strukturen und Besonderheiten
der Gegenwart. Das macht Gibson schon gut. Er schreibt über die
Zeitgeschichte und dennoch meint man, irgendeiner Parallelverschiebung
unterlegen zu sein.
Eine
Hauptpersonen, neben anderen, im Systemneustart ist wieder Hollis Henry.
Mit gewichtigen Nebenrollen tauchen auch Cayce Pollard und Hubertus
Bigend auf. In diesem Roman geht es um eine geheimnisvolle Modemarke -
Gabriel Hounds, militärische Großaufträge für Bekleidung und
gewalttätige Konkurrenzkämpfe.
Gibson
versucht, die Nachdenklichkeit der Cayce Pollard aus der Mustererkennung
auf mehrere andere Protagonisten zu übertragen, was nur teilweise
gelingt. Außerdem versucht er, die Spannung aus dem Plot zu ziehen, was
ihm beim Quellcode noch gelang, jetzt aber weniger. So hat der
Systemneustart zwar seine Spannungsspitzen, die Gibson in eigener und
guter Manier ausmalt, aber sie haben Seltenheitswert, kommen nur streckenweise
vor
und vor allem zum Ende hin plätschert die Geschichte aus wie ruhiges
Meer am Strand.
Es bleibt der Eindruck von einem hervorragenden
Erzähler mit kleinen, gut verarbeiteten Ideen, aber ohne Vision. Ich
habe ihn, auch mit einem gewissen Spaß gelesen, aber mehr aus Gewohnheit
als aus Mitgerissenheit. Schade.
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