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Typisch für
genuschelte Diktate und unachtsames Korrektur lesen (siehe
links: "vernehmungse
....tzenden"). Das passiert, wenn eine Schreibkraft beim
besten Willen nicht versteht, was der Diktator gesagt hat. Beim BGH ist
das eine absolute Ausnahme, dass das nicht bemerkt und von 5 Richtern
unterschrieben wurde
(1).
Manchmal
sind es die kleinen Nuancen in der Rechtsprechung, die ganz beachtlich
sind und die Praxis stark beeinflussen. Von solchen Petitessen berichtet diese
zunächst kleine und jetzt immer größere Beitragssammlung.
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Wattebäuschchen werfender Dracula |
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06.02.2012
Wie genau
muss eine rechtswidrige Drohung sein?
Die Nötigung (
§ 240 StGB) wird bestraft, wenn der Täter rechtswidrig (also ohne
rechtfertigenden Grund) mit Gewalt oder durch Drohung mit einem
empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.
Die Erpressung (
§ 253 StGB) verschärft die Strafdrohung, wenn die Drohung zu einem
rechtswidrigen Vermögensnachteil führen soll, und die räuberische
Erpressung (
§ 255 StGB) macht das Ganze zu einem Verbrechen, wenn die Drohung
auf körperliche Gewalt zielt oder eine gegenwärtiger Gefahr für Leib
oder Leben verspricht.
Muss der Täter im einzelnen beschreiben, was er dem Opfer antun wird,
wenn es seinen Forderungen nicht folgt?
Der BGH betrachtet das Ziel des Täters und fragt erst dann, was das
Opfer aufgrund der Drohung erwarten konnte und musste
(1a):
Der Vorsatz des Täters muss darauf gerichtet sein, dass der
Empfänger die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt.
Anlass dazu gibt eine sehr verklausulierte Drohung zwischen
rumänisch-stämmigen Mitbürgern im Rahmen eines Streits um Geld, die der
Täter auf eine offene Postkarte schrieb:
Gebt zurück, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die
letzte Warnung. Vlad Tepes <Rn 3>.
Dazu muss man wissen: Vlad Tepes ist der legendäre Pfähler, der der
Überlieferung nach massenhaft türkische und andere Feinde kopfüber und -unter
auf Pfähle stecken ließ. Ein Massenmörder. Er liefert die historische
Vorlage für Bram Stokers Graf Dracula.
Die Ausrede, Vlad Tepes sei auch ein Kämpfer für Gerechtigkeit gewesen,
lässt der BGH nicht gelten.
Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes gerichtet sein
könnte als Tod oder jedenfalls schwere körperliche Misshandlung, ist
nicht erkennbar. Eine solche Drohung bedarf aber
keiner präzisierenden Erläuterung <Rn 26>.
Der gemarkerte Satz ist die Besonderheit: Auch eine verblümte Drohung
ist eine ernsthafte Drohung, wenn der wortbedeutende Rahmen - auch als
Andeutung - unmissverständlich ist. Von Dracula ist nicht zu erwarten,
dass er einen mit Wattebäuschchen bewirft oder einfach nur böse kuckt.
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was zuviel ist, ist zuviel |
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08.02.2012
Wer
Steuern von mehr als 1 Mio. € hinterzieht, verdient grundsätzlich
Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Das ist die
platte Zusammenfassung der Begründung, mit der der BGH eine freundliche
Bestrafung eines Gewinnlers im Aktiengeschäft vom LG Augsburg aufgehoben
hat. Er war wegen Steuerhinterziehung in einer Größenordnung von mehr
als 1,1 Mio. € zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt
worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Dazu
hat er sich auch vo n
einem Steuerberater darüber beraten lassen, welche Teile der Buchführung
wie manipuliert werden müssen. Das hat das Landgericht noch als
strafmildernd angesehen und der BGH hat am 07.02.2012 dazu gesagt:
Bislang liegt nur die Presseerklärung des BGH zu dem Urteil vom
07.02.2012 – 1 StR 525/11- vor:
BGH, Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in
Millionenhöhe, 07.02.2012
Bei Steuern
und anderen Pflichtabgaben sehe ich einen Unterschied darin, ob die
Leute das Geld haben, aber nicht hergeben wollen, oder es nicht haben,
aber zur Zahlung verpflichtet wären. Für den Fiskus ist es dennoch
gleich, ob ihm ein Betrag "x" verloren geht, weil jemand Einkommensteuer
auf verdientes Geld verweigert oder Tabaksteuer durch den Verkauf eingeschmuggelter
Zigaretten hinterzieht, und in der Tat sind der nicht erlöste Betrag und
Schaden für den Staatshaushalt gleich hoch. Das Strafrecht richtet sich
aber nach der individuellen Schuld und an ihrem Maßstab gemessen macht
es durchaus einen Unterschied, ob der Täter Geld zahlen muss, das
eigentlich zur Verfügung stände und er für sich analisiert (Freud lässt
grüßen) oder das er nie gehabt hat. Dasselbe gilt für Sozialversicherungs-
und andere Beiträge, die der betreffende Mensch hätte zahlen müssen,
aber nicht gezahlt hat.
Um die Strafbarkeit vom Grundsatz her geht es
dabei nicht. Der Zigarettenschmuggler schmuggelt, um die Stangen
profitabel und eben ohne Steuern abzugeben. Der Pleitier zahlt die
Sozialabgaben nicht, weil er vielleicht hofft, mit seinem maroden
Unternehmen doch noch weiter machen und auf einen grünen Zweig kommen zu
können. Beides ist falsch und strafwürdig. Die Strafhöhe darf aber nicht
am Betrag orientiert werden, sondern am Unrecht des Handelns.
Das ist keine Kritik am BGH. Der betreffende
Täter hat das Geld gehabt und wollte ein Kleverle sein, um es nicht
abgeben zu müssen. Er hat hellenisch gehandelt und gleichzeitig das
Gemeinwohl hintergangen und dafür ist er gehörig zu bestrafen.
Eigentlich sollte man keine Witze erklären. Die modernen Zeiten (und
noch einer!) sind aber so trollig (noch einer!), dass ein Disclaimer (!)
nötig ist, um wenigstens den dümmsten Reaktionen vorzubeugen:
"analisiert"
ist kein Tippfehler, sondern eine Wortschöpfung, die auf den "Analcharakter"
anspielt, der von Siegmund Freud beschrieben wurde. Er eignet sich alles
an, was er in die Hände bekommt, und will nichts abgeben.
"hellenisch"
spielt auf Griechenland und das dort beheimatete Gesellschaftsspiel an,
Steuern zu vermeiden.
"gehörig
bestraft" spielt auf eine Geschichte von Curt Goetz mit einem
charismatischen Familienvater an, dem ein Kind erziehungsgerecht sagt: "Ich
habe Strafe verdient und bitte um eine gehörige solche".
"moderne
Zeiten" spricht zunächst auf den Film-Klassiker von Charlie Chaplin an.
Der Film ist zugleich eine Parodie auf den Fordismus (Anhänger der
Kapitalismusvorstellung von James Ford). Die Anspielung zielt natürlich
auch auf die brave ("mutig" im Sinne der klassischen Ritterlichkeit
[folgsam]) neue Welt von Aldous Huxley an.
Kommen wir zur Modernen:
"Trolle"
sind in diesem Zusammenhang anonyme Mitmenschen, die ungeachet jeder
Nettiquette, jedes Mitgefühl beiseite lassen und auf andere verbal
losgehen. Sie sind Kollaborateure, womit wir das nächste Fremdwort
geschaffen hätten. Ihnen ist egal, welcher Schaden anderen geschieht.
"Disclaimer" sind Haftungsfreistellungserklärungen nach dem Motto: "Ich
bin ja gar nicht schuld und will es auch gar nicht gewesen sein". Sie
gehen zurück auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg, das dem
einen Riegel vorgeschoben hat: Wer einfach nur berechtigte oder
unberechtigte, böse (die dürfen nicht verboten sein) und böswillige
Meinungsäußerungen (die müssen sich am Streitgegenstand messen lassen, "Wahrnehmung
berechtigter Interessen") von sich gibt, darf das. Hinterhältige und
unmotivierte (nicht nachvollziehbare) Entgleisungen verdienen hingegen
keinen Schutz. Daran ist nichts falsch.
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Steuerhinterziehung im großen Ausmaß |
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13.02.2012
Nach
§
370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO liegt dann ein besonders schwerer Fall der
Steuerhinterziehung vor, wenn in großem Ausmaß Steuern verkürzt wurden.
Der BGH hat jetzt klargestellt, dass dieses Merkmal vorliegt
(1b),
wenn der
Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von
50.000 Euro kommt namentlich dann zur Anwendung, wenn der Täter
ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei
Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder
durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen („Griff in die Kasse“).
Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das Merkmal erfüllt.
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mitgefangen, mitgehangen |
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06.02.2012
Ich
bin mir ziemlich sicher, dass der Spruch "mitgefangen, mitgehangen" auf
die Legenden um Klaus Störtebeker zurückgeht. Er betrifft einen
Spießgesellen, der unglücklicherweise zusammen mit dem Seeräuber gefasst
wurde und mit ihm das finale Schicksal erleidet.
Eine moderne Abart davon ist die "psychische
Beihilfe". Ein Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen
vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (
§ 27 Abs. 1 StGB). Das kann eine tatkräftige Hilfe sein, indem der
Gehilfe das Mordopfer zum Tatort lockt, dem Täter die Tatwaffe beschafft
oder ihm ein falsches Wertgutachten für einen betrügerischen
Grundstücksverkauf ausstellt. Der Gehilfe hat keine Tatherrschaft, aber
einen gehörigen, also messbaren Anteil an der Tat des anderen. Das geht
soweit, dass der Täter nichts von der tatkräftigen Unterstützung des
Gehilfen wissen muss
(2).
Die psychische Beihilfe beschränkt sich auf die
Unterstützung des Täterwillens (ich bleib 'mal bei dir und kucke böse)
oder auf die Einschüchterung des Opfers (ich kratz mir mit dem Stilett
doch nur die Fingernägel sauber). Das geht aber nur, wenn sich der
Gehilfe mit den Tatbeteiligten konfrontiert.
Hält sich der Gehilfe nur im Hintergrund und hält
sich nur bereit, um notfalls einzugreifen, ohne dass das der Täter das weiß,
bleibt der Gehilfe straflos
(3):
Nach
Auffassung des Senats liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist in
einem solchen Fall nicht objektiv gefördert, sondern eine solche
Förderung ist nur vorbereitet.
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Deliktische Einheit beim Phishing |
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13.02.2012
Wenn der
Täter dasselbe ausgespähte Bankkonto nacheinander (ohne erkennbare oder
nachhaltige Unterbrechung) mehrfach missbraucht, dann liegt eine
deliktische Einheit vor (Tateinheit,
§ 52
StGB)
(3a).
Das war zu erwarten.
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der Mist des Kleinviehs |
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06.02.2012
Die automatisierten Formen der Kriminalität bei dem Rückruftrick, den
Onlinebanking-Trojanern, den Abofallen oder bei dem Offertenbetrug
spekulieren darauf, dass eine Vielzahl von potenziellen Geschädigten
angesprochen werden, von denen nur wenige wenig bezahlen. Wenn die
Aktion breit genug angelegt ist, dann gibt es zwar prozentual nur wenige
Opfer, in der absoluten Summe aber doch und die Beute ist gehörig. Wegen
des Bundespolizei-Trojaners (Ransomware) sollen, wie man hört,
inzwischen 6.000 oder mehr Geschädigte Strafanzeige erstattet haben und
vielleicht 1.000 könnten tatsächlich das (sinnlose) Schutzgeld bezahlt
haben. 1.000 oder gar 6.000 Geschädigte kann kein Gericht als Zeugen
vernehmen, vor allem dann nicht, wenn sie um Kleinbeträge betrogen
wurden, die die Kosten ihrer Anreise und Vernehmung um ein Vielfaches
übersteigen.
Dann lassen wir es eben sein und verzichten auf
die Strafverfolgung, wäre eine wirtschaftlich vertretbare Konsequenz mit
einem kleinen Mangel: Sie widerspricht dem Offizialprinzip, also der
Verfolgungspflicht aus
§ 152 Abs. 2 StPO.
Müssen
tatsächlich alle Geschädigten angehört und vernommen werden? Nein!, ist
die schlichte Antwort. Zum Beispiel beim Cashing, also dem finalen
Tatabschluss bei Skimming, bei dem die ausgespähten Zahlungskartendaten
missbraucht werden, wird in erster Linie nicht der Bankkunde, sondern
die kartenausstellende Bank geschädigt. Es reicht also aus, einen
sachkundigen Mitarbeiter der Bank über die eingetretenen Schäden zu
befragen. Die Kunden können nur sagen: Plötzlich war das Geld von meinem
Konto abgebucht. Dasselbe gilt für die Onlinebanking-Trojaner: Sie
können nichts über die Wirkweise des Trojaners in ihrem PC berichten,
sondern nur über die Tatsache, dass ihren Bankkonten Überweisungen
schlechtgeschrieben wurden, die sie nicht in Auftrag gegeben haben und
sich auch nicht erklären können.
Für
den damit angesprochenen Computerbetrug (
§ 263a StGB) mag es sicherlich, wie ich meine, ausreichen, den
kriminellen Modus nachzuweisen, seine Auswirkungen (Computersabotage bei
der Ransomware) und das gleiche Zielkonto wegen der erstrebten
Überweisungen. Beim klassischen Betrug (
§ 263 StGB) sieht das aber anders aus, weil er neben der klar
vorliegenden Täuschung auch einen Irrtum des Opfers und einer auf dem
Irrtum beruhenden Vermögensverfügung verlangt.
Was ist
aber von Opfern zu halten, die sehenden Auges die Kosten für ein sinn-
und wertloses Seminar bezahlen, von dem sie sich keine weisen
Erkenntnisse, sondern den Einstieg als Vermittler in ein betrügerisches
Schneeballsystem erwarten? Wenn sie sich zugleich sicher sind, dass sie
nur dann richtig absahnen können, wenn sie am Kopf der Pyramide agieren
können und das Fußvolk am Fuß nur aus Verlierern besteht?
Hier meldet der BGH Bedenken an
(4):
Solche Geier - das sind meine Worte, die auf einer freien Interpretation
des BGH-Beschlusses beruhen - verdienen keinen pauschalen Schutz. Will
man die Veranstalter wegen Betruges bestrafen, muss man ihnen in jedem
der massenhaften Einzelfälle nachweisen, dass die Seminarteilnehmer
wirklich ge- und enttäuscht wurden.
Vor vielen
Jahren gab es eine Fernsehserie, die hieß "Gauner gegen Gauner". Gauner,
die anderen Gaunern auf den Leim gehen, sind wirklich nicht sonderlich
schützenswert.
Bei dem "Kleinvieh" reden wir aber von anderen Leuten. Sie mögen auch
ihren (kleinen) Vorteil vor Augen haben - billige Pornobilder, günstige
Warenlieferungen, überzogene Gewinn- oder Lohnerwartungen, die "Kleverle"
eben.
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grundsätzlich Tatmehrheit |
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06.02.2012
Auch
bei Deliktsserien muss auf die indiduelle Tatförderung geachtet werden,
wobei jede Tat grundsätzlich als einzelne betrachtet und abgeurteilt
werden muss (Tatmehrheit,
§ 53
StGB).
Eine darüber
hinaus gegebene organisatorische Einbindung des Täters in das
betrügerische Geschäftsunternehmen ist in diesen Fällen nicht geeignet,
die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des
§ 52
Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Fehlt es an einer solchen
individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder
während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder
mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden,
sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als
tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den
einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des
§ 52
Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die
Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben ...
(5)
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Betrug im Mahnverfahren |
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15.02.2012
Es
geht um unberechtigte Forderungen, die im gerichtlichen Mahnverfahren
geltend gemacht werden. Dazu erwirkt der Kläger zunächst einen
Mahnbescheid und sodann, wenn er unwidersprochen bleibt, einen
Vollstreckungsbescheid. Wenn der Beklagte auch auf diesen nicht reagiert,
dann wird der Vollstreckungsbescheid nach seiner
Rechtskraftbescheinigung rechtskräftig und kann vom Gerichtsvollzieher
vollstreckt werden. Das ist zwar ein formalisiertes Verfahren und
dennoch schnell und effizient, weil keine sachliche Prüfung des
Anspruchs und kein ausdrücklicher Richterspruch nötig ist.
Auch im Mahnverfahren kann betrogen (
§ 263 StGB) werden durch
erdichtete Ansprüche, überzogene Forderungen oder falsche Termine wegen
der Zinsberechnung. Das erkennt der BGH an
(6).
Aber es gibt nicht nur das manuelle Mahnverfahren, das von einem
Rechtspfleger bearbeitet wird, sondern auch das - unmenschliche -
automatisierte Mahnverfahren, das ohne menschliche Beteiligung abläuft
(7).
Dabei kann kein Mensch getäuscht und in einen Irrtum versetzt werden, so
dass ein Betrug als solcher ausscheidet. Deshalb fordert der BGH nach
Feststellungen zu dem Mahnverfahren, das durchgeführt wurde.
Ändert das Verfahren etwas an der Strafbarkeit
und womöglich an der Strafe? Nö.
Lügen im automatisierten Mahnverfahren würden
zur Strafbarkeit als Computerbetrug (
§ 263a StGB) führen und der hätte dieselben Konsequenzen. Das
versteckt der BGH in einem Zitat (
Münker, Der Computerbetrug im automatischen Mahnverfahren,
Dissertation Freiburg 2000), winkt also mit einem Zahnpfahl, lässt
es aber darauf beruhen, ohne klare Worte zu finden. Die würden lauten:
Die Strafbarkeit ist dieselbe und deshalb ist auszuschließen, dass das
angegriffene Urteil zu einer milderen Strafe gelangt wäre. Allerdings
hätte das erkennende Gericht einen rechtlichen Hinweis erteilen müssen
und vielleicht war das ausschlaggebend für die sibyllischen Ausführungen
des Gerichts: Vielleicht hätten sich die angeklagten Damen dann doch
noch anders verteidigen können? Wer weiß?
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Geben und Nehmen. Betrug beim Tanken |
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15.02.2012
Eine
wunderschöne Abgrenzung zwischen dem Betrug (
§ 263 StGB), dem Diebstahl
(
§ 242 StGB) und der Unterschlagung (
§ 246 StGB) hat der BGH jetzt vorgestellt: Der Betrüger klaute
Autokennzeichen, brachte sie an seinen Wagen an und fuhr dann tanken in
der festen Absicht, nicht dafür bezahlen zu wollen. Bei
Selbstbedienungstankstellen, bei denen das Tanken der Kunden beobachtet
wird, ist das Betrug
(7).
Das Personal wird dabei über die Zahlungsbereitschaft des böswilligen
Kunden getäuscht und gewährt ihm die Vermögensaneignung in Benzin beim
Tanken. Das ist kein Diebstahl und keine Unterschlagung.
Aus dem
äußeren Erscheinungsbild der Tathandlungen folgt bei natürlicher
Betrachtungsweise, dass es sich hier um ein durch
Täuschung bewirktes Geben und nicht um ein Nehmen im Sinne eines
Gewahrsamsbruchs handelt. Ob mit dem Einfüllen bereits das
Eigentum an dem Benzin erlangt wird, kann dabei dahingestellt bleiben.
Jedenfalls bringt der Täter durch die Täuschungshandlung das Benzin in
seinen Besitz und erlangt damit einen Vermögensvorteil i. S. des
§ 263 StGB, dem auf Seiten der geschädigten Tankstelle ein
entsprechender Vermögensnachteil gegenüber steht.
Ohne
Komplikation geht es aber nicht. Das Tatsachengericht muss feststellen,
ob der Tankvorgang von der Tanke überwacht wird oder nicht. Bei einer
Überwachung begeht der flüchtende Täter einen vollendeten Betrug, bei
der nicht überwachten nur einen versuchten Betrug. Der Strafrahmen wird
dadurch in der Höhe etwas hin- und hergeschoben. Das Ergebnis ist
dasselbe: Der Täter hat Benzin geklaut (im Sinne von: Du sollst nicht
stehlen!) und die Strafwürdigkeit ist dieselbe. An der Strafe ändert das
auch nichts, weil sich der Richter ungeachtet der Strafnorm am
eingetretenen Schaden orientieren wird.
Ein
vollendeter Betrug liegt jedoch nicht vor, wenn der Täter an einer
Selbstbedienungstankstelle tankt, ohne vom Tankstelleninhaber oder
dessen Mitarbeiter bemerkt zu werden. In einem solchen Fall ist aber
regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betruges auszugehen. Da der
Täter schon beim Einfüllen mit dem Willen handelt, sich das Benzin
zuzueignen, kommt eine Bestrafung wegen Unterschlagung schon wegen deren
Subsidiarität (
§ 246 Abs. 1 StGB) auch dann
nicht in Betracht, wenn er durch den
- versuchten oder vollendeten -
Betrug nur den Besitz und nicht
bereits das Eigentum an diesem erlangt (...).
Die
Unterscheidung zwisch dem Geben und dem Nehmen zur Abgrenzung zwischen
Betrug und Unterschlagung ist schon ganz schick. Ob man die Förmelei
aber dermaßen auf die Spitze treiben muss, ist eine ganz andere Frage,
die ich jedenfalls mit nein beantworte.
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