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Februar 2012
18.02.2012 reales Leben
zurück zum Verweis Kundenbindung. Ein Erfahrungsbericht

 

 
 Für eine Bahnfahrt nach Berlin im November 2011 habe ich mir eine Probe-BahnCard 25 gekauft, die für 4 Monate gilt. Ich Trottel! Den Fahrpreis kriege ich zwar ersetzt, aber es lohnte sich ein bisschen und vielleicht käme ich ja doch auf den Geschmack und würde sie häufiger nutzen.

Um zum Fahrkartenschalter im Hauptbahnhof Hannover zu gelangen muss man zunächst eine Nummer ziehen, die dann nach kürzerer oder längerer Zeit auf mehreren Leuchttafeln angezeigt wird. Das kennt man auch von anderen Einrichtungen, zu denen man als Bittsteller zugelassen wird. Das Verfahren verteilt die Wartezeiten aber gerecht und deshalb will ich gar nichts dagegen sagen.

Die Angestellte am Schalter ist freundlich gewesen und machte mich auf die Vorteile der Probe-BahnCard aufmerksam, ohne zu drängen oder mir etwas aufzuschwatzen. Ich kam selber auf die fatale Idee. So erhielt ich nicht nur meine Fahrkarte nach Berlin, sondern auch eine vorläufige BahnCard auf Pappe und beide aus demselben Drucker, der an dasselbe IT-System angeschlossen ist. Damit nahm die tragische Komödie ihren Lauf.
 

 Mit Schreiben vom 25.11.2011 bekam ich die echte BahnCard aus Plastik. Braver Mensch, der ich bin, unterschrieb ich sie. Gebraucht habe ich sie aber nicht mehr.

Allerdings: Aus älteren Schäden klug geworden merkte ich mir den Kündigungstermin vor und das nicht nur auf dem links abgebildeten Schreiben.

Ein Wort hätte mich warnen müssen, wenn es nicht längst zu spät gewesen wäre. Unterzeichnet ist das Schreiben nämlich von der "Leiterin Kundenbindung". Darunter verstehe ich in erster Linie das Hätscheln langjähriger Kunden und ich hätte wissen müssen, dass meine illusorischen Vorstellungen längst überholt sind. Es gab in der Tat Zeiten, in denen treuen Kunden kleine Zugaben gewährt wurden, aber das ist eigentlich vorbei. Sie sind inzwischen bilanzielle Passivposten, denen keine besondere Pflege gebührt.

"Kundenbindung" klingt nach modernem Management, Proaktivismus und besonderem Engagement, irgendwie nach Kundenfreundlichkeit.

Bei genauer Betrachtung heißt Kundenbindung aber nichts anderes, als den Kunden zu binden und in anderen Worten: zu fesseln, womit auch immer.

 Noch frei von düsteren Gedanken habe ich überlegt und festgestellt, dass ich die Vergünstigungskarte tatsächlich nur einmal gebraucht habe. Prognostisch sind mir auch keine Gelegenheiten eingefallen, bei denen ich sie künftig gebrauchen könnte.

Meine Fristvormerkung "klingelte" sozusagen. Also ging ich am ersten Februar 2012 wieder zum Hauptbahnhof, zog wieder eine Nummer und traf nach erfreulich kurzem Warten auf einen äußerst freundlichen Angestellten, dem ich meinen Kündigungswunsch äußerte.

Kein Problem, wie es schien. Er machte ein paar Eingaben in den Computer und damit schien mir eigentlich alles zum Besten erledigt zu sein. Sodann präsentierte er mir ein Formular, füllte es aus und ich unterschrieb es sogar
( links). Das wirkte auf mich zwar überzogen formalistisch, schadete aber nichts.

Eine Kopie meiner Erklärung schwatzte mir der junge Mann gradezu auf und auf einen Eingangsstempel bestand er auch, wie man sieht.

Ich bin ihm so dankbar. Für mich war die Sache erledigt. Ich hatte 6 1/2 Wochen vor dem Ablauf der Laufzeit genau an der Stelle die BahnCard gekündigt, wo ich sie auch gekauft hatte und mir eine vorläufige BahnCard ausgestellt worden war.

 Ich hatte aber noch nicht begriffen, was "Kundenbindung" heißt.

 Am 15.02.2012 erreichte mich ein neues Schreiben von der "Leiterin Kundenbindung" im regenwassergetränkten Briefkasten, die mir eine neue BahnCard für die Zeit vom 18.03.2012 bis zum 17.03.2013 präsentierte. Die vielbeschäftigte Frau wird einfach übersehen haben, dass ich schon zwei Wochen vorher gekündigt hatte, dachte ich zunächst und ließ das Geschehen zunächst auf sich beruhen. Die Karte klebt noch immer auf dem Schreiben und bleibt dort auch.

Sinnlose Gedanken treiben mich seither um: Was mache ich mit der aufgedrängten Karte? Ich brauche sie nicht und will sie nicht haben. Soll ich sie zerschneiden und damit ungültig machen? Vergreife ich mich damit an fremdem Eigentum? Ja! Andererseits: Wenn ich gar nichts mache, setze ich mich vielleicht dem Vorwurf aus, dass ich sie unlauter nutze oder einfach nur nutzen könnte. Wieder andererseits: Es handelt sich um eine auf mich persönlich ausgestellte Karte, mit der kein anderer etwas anfangen können dürfte. Ob sie nun kaputt und zerschnitten ist oder nicht, ist eigentlich egal.

 Dann schlug die "Kundenbindung" zu.

 Am 16.02.2012 erreichte mich dann ein Schreiben vom 13.02.2012 vom BahnCard-Service. Man bedauere meine Kündigung, könne ihr aber leider nicht entsprechen. Ich hätte 6 Wochen vor dem Gültigkeitsende meiner Probe-BahnCard kündigen müssen. Deshalb könne der Vertrag erst zum 17.03.2013 beendet werden. Das merke man vor.

 Dem Schreiben fehlt jede auf den Einzelfall bezogene Begründung. Sie müsste darauf hinauslaufen: Sie haben dann und dann gekündigt, das war aber zu spät. Nichts davon wird ausgeführt. So aber ist es nur ein typischer Textbaustein zum Abwiegeln von Kunden.
 

 Ich will an dieser Stelle weder über Dummheit, Böswilligkeit, strategische Absicht oder starre Textbausteine spekulieren. Meine Verärgerung kann jedenfalls als neuer Messpunkt auf der nach oben hin offenen Richterskala aufgenommen werden.

 Ich ahne, welche vorgeschobenen Argumente als nächste kommen könnten: Wir sind die DB Fernverkehr AG. Sie mögen ihre Kündigung am 01.02.2012 gegenüber der DB Vertrieb GmbH erklärt haben und das wäre tatsächlich innerhalb der Kündigungsfrist gewesen. Aber leider ist ihre Kündigung erst sehr viel später bei uns eingegangen, deshalb ist sie nicht fristgerecht erfolgt.

 Um dem gleich vorzubeugen: Wer eine Bahnfahrkarte kauft, will von der DB irgendwo hin gefahren werden. Die DB tritt ihm dabei als geschlossenes Ganzes gegenüber. Das ist auch gut so. Wer vertragsgerecht an derselben Betriebsstelle, an der er eine Leistung gekauft hat (Probe-BahnCard), den Dauervertrag kündigt, muss keinen Zweifel daran haben, dass diese Stelle auch eine Empfangsvollmacht für die Kündigungserklärung hat. Zweiflern sei die Lehre und Rechtsprechung zur Anscheinsvollmacht empfohlen. Ein Blick ins Gesetz rundet dann die Meinungsbildung ab ( § 54 Abs. 1, Abs. 3 HGB).

 E-Mails und Geschäftsverkehr sind ein ganz anderes Thema, das meistens mit der vergeblichen Suche nach einer verbindlichen E-Mail-Adresse beginnt. Nicht so bei der Bahn. Wegen Fragen zu dem Schreiben vom 13.02.2012 könne ich mich auch an eine E-Mail-Adresse wenden: bahncard-service@bahn.de. Beachtlich ist der Domänenname: Hier tritt der Konzern als geschlossenes Ganzes auf und nicht in Form vereinzelter juristischer Personen, die auf die Inkompetenz einer jeweils anderen verweisen könnten.

 Also schrieb ich am 17.02.2012 eine E-Mail an die mir angebotene Adresse und fügte ihr sogar einen Scan von meinem Kündigungsschreiben bei, den ich, freundlich wie ich bin, auf eine noch lesbare, aber doch kleinere Größe optimierte (197 KB, GIF-Format). Der Text ist geschäftsmäßig abgefasst und mit allen Vertragsdaten versehen, deren Fehlen zu Komplikationen im Geschäftsverkehr führen könnte.

Ich weiß, dass die Wege zwischen Firewall, Mailserver, Client und Sachbearbeitung manchmal verschlungen und vorübergehend unterbrochen sind. Mit einer schnellen und gleichzeitig befriedigenden Antwort hatte ich ernsthaft nicht gerechnet.

Der nächste Schritt der Kundenbindung war jedoch vorauszusehen: 

 Die unvermeitliche Rechnung ging mir zu späterer Stunde am 17.02.2012 zu.

 Mit ihr hat die Kundenbindung ihr Etappenziel erreicht: Der Kunde hat eine Rechnung bekommen und von nun an gilt die Faustformel:

Rechnung = Inkasso = erledigt

 Wegen meiner Fragen zur Rechnung kann ich mich an dieselbe E-Mail-Adresse wenden, die mir schon geläufig ist. Das habe ich am 18.02.2012 (heute) getan. Ich habe zwar keine Frage gestellt, aber eine Erklärung abgegeben, indem ich der Rechnung widersprochen habe (siehe unten).

 Eine Reaktion habe ich bislang nicht erhalten, was in der kurzen Zeit auch nicht zu erwarten war - und das meine ich ohne Häme und Böswilligkeit.

Welchen Erfolg verspreche ich mir von meinen E-Mails?

Ich bin mir nicht sicher, was jetzt passieren wird. Bis Anfang März wahrscheinlich überhaupt nichts, weil mir eine Zahlungsfrist von 14 Tagen zugebilligt wurde. Wenn sie erfolglos verstrichen ist, dann werde ich zunächst eine noch freundliche Mahnung und dann drohende Schreiben einer Inkassoeinrichtung erhalten. Einem Rechtsstreit kann ich dank des eifrigen Schalterangestellten vom 01.02.2012 mit Gelassenheit entgegen sehen.

Vielleicht greift aber auch der Second Level der Kundenbindung, auch Qualitätskontrolle genannt. Meine beiden Schreiben dürften insoweit unmissverständlich sein. Vielleicht bewirken sie etwas.
 

Spaß macht das jedenfalls nicht.

Eine Fortsetzung dieser Dokumentation ist nicht zu vermeiden.

Update
24.02.2012
Das ist nicht ganz das, was ich gewollt habe: Bitte senden Sie uns die bereits zugeschickte BahnCard zurück, wir werden dann umgehend Ihre BahnCard kündigen, heißt es im Schreiben vom 22.02.2012.

Man muss nichts kündigen, was bereits gekündigt ist, man muss nur in seiner Buchführung das richtige Datum und vor Allem das richtige Jahr eintragen, möchte ich besserwisserisch erwidern.

Das Schreiben ist frei jeder inhaltlichen Aussage. Betrachten wir es dennoch als eine Geste guten Willens und senden die aufgedrängte Karte zurück. War es das dann?

 

 

  

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018