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27.02.2012
Die
bei einem kleinen Lauschangriff (
§ 100f Abs. 1 StPO) aufgezeichneten Selbstgespräche eines Mörders
gehören seinem Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung an und
dürfen nicht verwertet werden:
Ein in
einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes
Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten ist im
Strafverfahren – auch gegen Mitbeschuldigte – unverwertbar, da es dem
durch
Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit
Art.
1 Abs. 1 absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzurechnen
ist.
BGH,
Urteil vom 22.12.2011 - 2 StR 509/10 <Leitsatz>
Um Kopf und
Kragen:
Der Senat bemerkt, dass dennoch hypothetische Überlegungen dazu, wie es
sich auswirken könnte, wenn etwas, was nicht vorliegt, doch vorläge oder
umgekehrt, überflüssig sind. Sie können die Klarheit von Feststellungen
oder (hier) Wertungen beeinträchtigen, zu Missdeutungen Anlass geben,
letztlich sogar den Bestand eines Urteils gefährden und sollten
unterbleiben.
BGH, Urteil vom 10.01.2012 - 1 StR 580/11, Rn 16
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28.02.2012
2006 wurde
Art
74 Abs. 1 Nr. 1 GG geändert und das "Recht des
Untersuchungshaftvollzugs" aus der konkurrierende Gesetzgebungskompetenz
des Bundes herausgelöst. Das bedeutet, dass es seither in die
Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen ist. Davon hat
Niedersachsen Gebrauch gemacht und das
Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz - NJVollzG - geschaffen. Es
stärkt die Entscheidungsbefugnisse der Justizverwaltung und schafft vor
Allem eine örtliche Zuständigkeit für die Vollzugsgerichte. Das sind
nicht die, die die Untersuchungshaft anordnen, sondern die am Sitz der
JVA.
Als ich zu bedenken gab, dass
§
119 StPO eine überschneidende Entscheidungskompetenz just den
Gerichten überträgt, die auch die Untersuchungshaft angeordnet haben,
musste ich mir sinnbildlich über das Maul fahren lassen: Die
Grundgesetzänderung ist da, das NJVollzG auch und deshalb basta! Auch
meine kleinlaute Erwiderung, dass nach
Art
31 GG (Bundesrecht bricht Landesrecht) die Strafprozessordnung
Vorrang haben dürfte, wurde enthört, zumal das OLG Celle den Vorrang des
NJVollzG bestätigt hat:
OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2010 - 1 Ws 37/10.
Diese
Auffassung vermag indes nicht zu überzeugen, sagt jetzt der
Ermittlungsrichter beim BGH:
BGH, Beschluss vom 09.02.2012 - 3 BGs 82/12 - 2 BJs
8/12-2, Rn 6.
Über den Zweck der Untersuchungshaft und seine
vollzugliche Ausgestaltung entscheidet deshalb allein der
Ermittlungsrichter (nach StPO) und nicht das ländliche Vollzugsgericht (nach
NJVollzG):
Soweit
die Landesgesetze – wie hier das NJVollZG - bezüglich der Regelung von
Maßnahmen, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert, von der
Strafprozessordnung, namentlich von
§
119 StPO, abweichende Regelungen enthalten, ist
entsprechendes Landesrecht im Hinblick auf die Sperrwirkung des
Art 72 Abs. 1 GG unwirksam.
Dafür bin
ich noch abgewatscht worden.
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28.02.2012
Statt einer
Einziehung des Computers, auf dem sich kinderpornographische Abbildungen
befinden, sollen die betreffenden Dateien lieber gelöscht und das Gerät
wieder herausgegeben werden:
BGH, Beschluss vom 11.01.2012 - 4 StR 612/11, <Rn
5>:
Im
Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (...) macht der Senat
von der Möglichkeit einer Anordnung gemäß
§ 74b Abs. 2 StGB Gebrauch, zumal die
Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht erkennen
lassen, ob sich das Landgericht der Wechselwirkung zwischen der Höhe der
verhängten Strafe und der Einziehung bewusst war. Danach bleibt die
Einziehung des Computers insgesamt bis zum
Nachweis der Unbrauchbarmachung der Festplatte durch den Angeklagten
vorbehalten. Wegen der insoweit gegebenenfalls erforderlichen
gerichtlichen Entscheidungen weist der Senat auf
§ 462 Abs. 1 Satz 2 StPO hin (...).
Die
betroffenen Täter sollten sich nicht zu früh freuen: Die Festplatte ist
hin und sie müssen den Nachweis dafür führen und die Kosten für den
Ausbau und die Unbrauchbarmachung des Massenspeichers tragen. Damit
erschwert der BGH zwar wieder einmal die Justizpraxis und weist ihr
weitere (unentgeltliche) Verwaltungsaufgaben zu. Die Kosten im Übrigen
trägt hingegen der Betroffene, der sich überlegen muss ob sie ihm die
Zurückgabe des Computers als Hardware ohne Betriebssystem, Programme und
Nutzdaten wert sind.
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