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gefunden bei
ariva.de |
Es
gibt echte polizeiliche Leidensgeschichten, zum Beispiel die vom "Kommissar
Zufall". So lange wie er im Geschäft ist und so erfolgreich er dabei
war, müsste er längst zum Kriminaloberrat oder zum Innenminister
befördert worden sein. Ist er aber nicht.
Das gilt ein wenig auch für den Kriminaloberkommissar Bull von der
Polizeidirektion Lebenstedt im Vorharz,
der sich besonders mit der Betrugs-, Wirtschafts- und
Computerkriminalität auskennt. Seine Spezialität ist das Erfragen von
Fakten bei der Anzeigenaufnahme. Er ist davon
überzeugt ist, dass da draußen viele Schmutzfinken ('tschuldigung Klaus,
das musste sein) am Werk sind, aber er traut auch den heulenden und
scheinheiligen Anzeigeerstattern nicht immer.
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Das begann schon damals, Mitte der Neunziger Jahre, mit den Dialern. Es gab
gemeine Programme, die nach Art der Homerschen Sirenen säuselten und
dann doch nur ein Trojanisches Pferd waren: Ich
helfe Dir beim Zugang zum Interne! Sie schufen die Einstellungen, um
ein sprödes Windows mit dem Internet zu verbinden - unwiderruflich.
Meistens waren die Sirenen aber leicht bekleidet und instinktoptimiert
und lockten die großäugigen Anwender zu teuren Mehrwertdiensten unter
dem Nummernkreis
01900 und der war seinerzeit frei tarifierbar, also manchmal teuer bis zum
Ende. Heute müssen die Kosten genau angegeben werden, damals noch nicht.
Was die Dialer manchmal verschwiegen, war, dass sie jeden Internetzugang
zum Mehrwertdienst umleiteten: E-Mails, Suchmaschinen und alles andere
zum Stöhntarif. Wer das Stöhnen und Flirten will, soll dafür auch
bezahlen. Wenn solche Mehrwertdienste aber nicht geboten werden und
einfach nur der Computer verbogen wird, dann kann man schon mal an
Betrug oder an Computerbetrug denken (
§§ 263,
263a
StGB). Manche Varianten stellten sich darauf ein und wurden zu
Formwandlern: Waren sie erst einmal installiert, präsentierten sie sich
als Saubermänner, die alles genau erklären, was sie tun und welche
Folgen das hat. Der Schönheitsfehler war, dass das nicht auch bei der
Erstinstallation gemeldet wurde. Ooh!
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KOK Bull ist der Mann für die schwierigen Fälle,
wenn's ums Geld geht. Nicht das Geld, das gestohlen wurde (
§ 242 StGB), das der Finder irgendwie herrenlos wähnte (Unterschlagung:
§
246 StGB) oder das ein unfreundlicher Mitmensch mit klaren Ansagen
einforderte (räuberische Erpressung:
§§
255 i.V.m.
249
StGB), sondern das, das plötzlich auf dem Kontoauszug von der Bank
als Soll-Buchung erscheint und deshalb weg ist, weil es das Guthaben
schmälert oder den Verfügungsrahmen ausreizt. Die uniformierten Leute
aus der Wache schicken deshalb alle aufgebrachten Anzeigeerstatter zu
ihm vom Kriminalermittlungsdienst, die mit irgendwelchen Papieren wedeln,
egal, ob es sich dabei um Kontoauszüge von Banken, Telefonrechnungen
oder andere mehr oder weniger aussagekräftige Drucke handelt.
Ich bin das Opfer eines Skimming-Angriffs, stellt sich der
Mann vor. Hier, sehen sie, mein Kontoauszug. 600 Euro sind an
einem Geldautomaten in Bayreuth abgehoben worden. Ich war noch
nie in Bayreuth und habe dort auch kein Geld abgehoben. Und hier,
sehen sie, ist meine Maestro-Karte. Ihre Daten müssen gestohlen
worden sein. Also: Skimming. |
Skimming
(1) ist
ein mehraktiges Delikt, bei dem zunächst die auf der Zahlungskarte
gespeicherten Daten und die Persönliche Identifikationsnummer - PIN -
ausgespäht werden. Die Gelegenheit dafür gibt es an Geldausgabeautomaten
von Banken, an den handlichen POS-Terminals (Point of Sale) im
Einzelhandel, an Fahrkartenautomaten und an allen anderen Stellen, wo
mit der Zahlungskarte und Eingabe der PIN Zahlungen autorisiert werden
können, zum Beispiel an Tankstellen
(2).
Im zweiten Schritt werden die ausgespähten Kartendaten auf Dubletten
kopiert. Das bewertet der Gesetzgeber grundsätzlich als Verbrechen und
stellt das Delikt der Fälschung von Geld gleich: Fälschung von
Zahlungskarten mit Garantiefunktion;
§
152b StGB. Das finale Ziel der Täter ist der Gebrauch der
gefälschten Zahlungskarten, um damit aus Geldausgabeautomaten Geld zu
ziehen (Cashing). Das ist der Gebrauch gefälschter Zahlungskarten mit
Garantiefunktion und ebenfalls als Verbrechen strafbar gemäß
§
152b StGB. Gleichzeitig ist das ein Computerbetrug gemäß
§
263a StGB, weil ein Datenverarbeitungsvorgang durch unbefugte
Verwendung von Daten beeinflusst wird.
So, wie sie sich das vorstellen,
funktioniert das nicht mit dem Skimming, entgegnet Bull.
Der Mann ihm gegenüber möchte am liebsten laut aus der Haut
fahren, stockt aber wegen Bulls schnell nachgeschobener Frage:
Haben sie schon mal etwas
von dem maschinenlesbaren Merkmal gehört? |
Mit Fragen
eröffnet man kein Gespräch zwischen Polizei und Bürger, lernt man in der
Klippklasse der Polizeischule. Das gilt besonders für das "Verkehrsquiz",
bei dem der Beamte den aus dem Straßenverkehr gewunkenen Autofahrer
einleitend fragt: "Wissen sie, was sie falsch gemacht haben?" Taktisch
war Bulls Frage hingegen geschickt.
Über das maschinenlesbare Merkmal - MM - verfügen alle in Deutschland von den Banken
herausgegebenen Zahlungskarten. Es handelt sich um kodierte
Merkmalsstoffe im Körper der Karte, deren Code verschlüsselt auch
auf dem Magnetstreifen und dem EMV-Chip abgelegt ist
(3).
In allen deutschen Banken werden die Kodierungen im Kartenkörper und auf
dem Datenträger gegeneinander abgeglichen. Mit dem Ergebnis: An
Geldausgabeautomaten in Deutschland lassen sich keine gefälschten
Zahlungskarten verwenden, deren Original von einer deutschen Bank
herausgegeben wurde. Bislang haben die Skimmingtäter das MM nicht
fälschen können.
Ein gefälschtes Exemplar ihrer Karte kann an einem
Geldautomaten in Bayreuth nicht verwendet worden sein,
fährt Bull fort und erklärt die Eigenschaften des MM.
Entweder sie haben das Geld selber abgehoben oder ihre Karte
jemand anderem gegeben. Nach kurzer Pause sagt Bull: Na
ja, eine Möglichkeit gibt es noch! |
Wenn der
Anzeigeerstatter tatsächlich das Geld selber abgehoben hätte, würde er
gerade eine Straftat vortäuschen und könnte dafür bestraft werden (
§ 145d StGB). Wenn er bei der Abhebung gewusst hätte, dass sein
Konto ungedeckt ist, könnte er sich auch wegen des Missbrauchs einer
Scheckkarte strafbar gemacht haben, wenn er den Geldautomaten einer
anderen Bank als seiner Hausbank genutzt hätte (
§ 266b StGB)
(4), nicht aber wegen eines Betruges oder Computerbetruges
( §§
263,
263a StGB).
Haben sie ihre Karte schon einmal aus der Hand gegeben
oder irgendwo verwahrt, wo jemand anderes sie hätte wegnehmen
können?,
fragt Bull weiter. Nein, erklärt der Mann, er habe die Karte
in seinem Portemonnaie und das trage er immer bei sich. |
Bull fragt
nicht ohne Bedacht, weil es häufiger vorkommt, dass ein nach Freiheit
drängendes
Kind die Zahlungskarte der Eltern "ausleiht", um am Automaten Zigaretten
zu
ziehen oder das knappe Taschengeld aufzubessern. Das
vorübergehende "Ausleihen" der Karte ist eine straflose
Gebrauchsentwendung
(5).
Hebt es ohne Wissen und Billigung der Eltern Geld am Geldausgabeautomaten
ab, dann
begeht es einen Computerbetrug zum Nachteil der Bank
(
§ 263a StGB)
(6).
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