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neue SF-Literatur |
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jüngere Fundstücke in der SF-Literatur. Teil 1 |
Jeschke, Cusanus Spiel Lukianenko, Spektrum Palmer, Zone John Scalzi Cory Doctorow |
Den Anfang widme ich jedoch dem Altmeister Jeschke (1) und seinem genialen Alterswerk: Das Cusanus Spiel (2). Die Stimmen bei teilen meine Begeisterung nicht und finden das Buch zu langatmig und detailversessen. In der Tat verknüpft Jeschke mit dem Hauptstrang einige Kurzgeschichten, die selbständig erscheinen könnten, hier aber das Stimmungsbild abrunden und ergänzen. Im Hauptstrang geht es darum, dass Leute in die Vergangenheit reisen, um die Erbanlagen von Pflanzen zu sammeln, die in der Gegenwart der Erzählung einer Katastrophe anheim gefallen sind. Sie leben in der Vergangenheit und müssen mit deren Umständen und Gefahren klarkommen, wobei ich mich nicht abschließend entschlossen habe, ob Jeschkes Vergangenheit oder Gegenwart gefährlicher ist. Seine Hauptfigur erlangt jedenfalls am Ende eine Bewegungsfreiheit, die sie ohne technische Unterstützung entlang den Solitonen reisen lässt. Solitonen sind Zeitwellen (S. 250, 252), die von den Menschen zwar
nicht gesteuert, wohl aber als Trittbrettfahrer genutzt werden können.
Sie führen in die Vergangenheit und in die Zukunft, in die es den
Menschen jedoch verwehrt ist, zu reisen. Interessant ist, dass Jeschke
zwar Veränderungen und alternative Welten zulässt, nicht aber ein
ausuferndes Multiversum
(3). |
Zeitreisen sind ein heikles literarisches Thema, mit dem sich Jeschke immer wieder befasst hat. Die Everett-Interpretation ist ein Gedankenmodell, das Reisen in die Vergangenheit nicht ausschließt. Ein zweites stammt von dem Mathematiker Kurt Gödel, der die mathematischen Beschreibungen nach den Gravitationsfeldgleichungen von Einstein entwickelte (5). Wenn sich das Universum insgesamt dreht, dann ermöglichen seine Lösungen, dass man sich dadurch, dass man sich mit annähernder Lichtgeschwindigkeit in die Zukunft bewegt, in der Vergangenheit wieder findet - und sie natürlich auch verändern kann. Mehrere Romane von Baxter (6) gründen auf diesem Modell. Das dritte, jedenfalls nicht ganz und gar versponnene Gedankenmodell
für Zeitreisen basiert auf Wurmlöchern
(11). |
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Lukianenko, Spektrum | Palmer, Zone | ||||||||
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Das Buch im übrigen ist sehr "russisch", tiefsinnig und
philosophisch, erreicht aber nicht die Tiefe der
jüngsten Werke von Boris Strugatzki. Dafür baut es mehr auf
Handlungen und wohl dosierten Überraschungen auf. |
Als Schüler hat man mich wegen der "gebrochenen Perspektive im modernen Roman" mit den Romanen von Alfred Döblin (15) und Heinrich Böll gequält (16). Dabei geht es um nichts anderes, als dass die Erzählerperspektive ständig wechselt. Das verlangt vom Leser einen hohen Grad an Konzentration, weil er immer wieder die Protagonisten mischen und zuordnen muss. Palmer geht einen ähnlichen, aber weniger anstrengenden Weg. Er ordnet seine Protagonisten und lässt sie - teilweise in der Tat langatmig - zu Wort kommen. Ich mag das nicht, wenn ein Autor nicht auf den Punkt kommt. Bei Palmer hat mich das aber nicht dermaßen gestört, wie die -Rezensenten. Er entfaltet immer wieder Ideen-Feuerwerke, die einen unbändigen Spaß bringen (17), und das in einer meistens düsteren und wenig hoffnungsfrohen Umgebung. Palmer muss beobachtet werden! |
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John Scalzi | |||||||||
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Außerirdische sind bösartig, kriegerisch und unkalkulierbar, das ist Scalzis Grundannahme. Um mit ihnen fertig zu werden, brauchen die Raumkolonien - die Erde, ihre Bevölkerung und ihre Regierung sind außen vor - betagte Rekruten von der Heimatwelt, die körperlich und genetisch aufgerüstet werden. Scalzi macht daraus eine unvergleichliche Space-Opera mit großem Lesespaß. Eine Ausnahme sind die Geisterbrigaden. Sie bestehen aus dem Genmaterial von Schon-Gestorbenen, die dann extrem aufgerüstet und modifiziert werden. Das klingt sehr marchialisch und ist es auch. Dennoch schafft es
Scalzi, die Außerirdischen zu vermenscheln und mit ihren inneren
Widersprüchen zu beschreiben. |
Das ist echter Lesespaß. Die "Androidenträume" machen einen Szenenwechsel, wechseln aber nicht den grundlegenden Rahmen. Scalzis Protagonist beschützt eine Menschenfrau, deren Genmaterial zu einem Fünftel von einer besonderen irdischen Schafrasse stammt, die außerirdische Echsen exklusiv erworben haben und schlachten wollen. Auch das ist echter Lesespaß. |
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Cory Doctorow | |||||||||
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Wozu brauchen Sie einen Arzt, wenn Ihr (halbwegs) aktueller Körper- und Befindlichkeitszustand als Backup gespeichert ist und wieder hergestellt werden kann? Sie brauchen keine Therapie und keine Genesung. Ihr Körper wird in dem letzten gesicherten Zustand rekonstruiert und die unscharfen restlichen Erfahrungen können getrost vergessen bleiben. Sie behandelt ein medizinischer Handwerker, der keine Ahnung von Krankheiten und ihre Behandlung hat. Er stellt Sie wieder her. Das ist der Plot von Backup und Doctorow schreibt noch viel Handlung drum herum. Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen! |
Palmer dankt Doctorow im Abspann, also müssen beide beobachtet werden.
Die hier
angesprochenen Autoren haben mich in der jüngeren Zeit beschäftigt. Es
kommen noch einige andere hinzu ... später. |
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Anmerkungen | |||||||||
(2)
Wolfgang Jeschke, Das Cusanus Spiel, Droemer 2005
(4)
Hugh Everett (5) Paul Davies, Do-it-yourself-Zeitreise, special Kosmologie, 02/2007, S.124 (6) (7) und (8)
(7)
Stephen Baxter, Das Multiversum 1. Zeit, Heyne 2002
(8)
Stephen Baxter,Transzendenz, Heyne 2006
(9)
Carl Sagan, Contact, Droemer 1986
(10)
Kip S. Thorne, Gekrümmter Raum und verbogene Zeit. Einsteins
Vermächtnis, Droemer 1994
(11)
Literarisch hervorragend umgesetzt von Carl Sagan [
(9)] und wissenschaftlich entwickelt von Kip S. Thorne [
(10)] in seinem grandiosen Werk über Schwarze und Wurmlöcher. (12) Sergei Wassiljewitsch Lukjanenko
(13)
Sergej Lukianenko, Spektrum, Heyne 2007; Zitat von S.
686.
(14)
Philip Palmer, Zone. Irgendetwas ist nicht in Ordnung
mit dem Universum ..., Heyne 2008 |
(16)
Heinrich Böll,
Gruppenbild mit Dame (17) Damit erinnert Palmer an Douglas Adams' Anhalter-Serie. Eine Metapher, die der 42 gleich kommt, hat Palmer allerdings noch nicht geschaffen.
(19)
John Scalzi, Krieg der Klone, Heyne 2007
(20)
John Scalzi, Geisterbrigaden, Heyne 2007
(21)
John Scalzi, Die letzte Kolonie, Heyne 2008
(22)
John Scalzi, Androidenträume, Heyne 2008
(24)
Cory Doctorow, Backup, Heyne 2007
(25)
Cory Doctorow, Upload, Heyne 2008 |
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Cyberfahnder | |||||||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |