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Juli 2012

10.07.2012 Rechtsprechung
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Gerechtigkeitsgründe
 

 
 Schon 2008 habe ich auf die wichtigsten Begründungsfloskeln im Zusammenhang mit Verwaltungsentscheidungen hingewiesen ( Allgemeinplätze für Verschwörungstheoretiker, 21.04.2008) und eine stammte vom BGH: Das wäre ... aus Gerechtigkeitsgründen unangemessen.

Das musste mal wieder hervor geholt werden.

BGH, Urteil vom 18.11.1999 - 1 StR 221/99, Rn 42

 
Nationalsozialistischer Untergrund
genetischer Fingerabdruck
 
kriminelle Auslandsvereinigung
 
individuelle Tatanteile des einzelnen Beteiligten und andere Belehrungen
minder schwerer Fall
Gesamtstrafenbildung
Gliederung
 
Abkehr von der Interessentheorie
 

Der Rechtsprechungsreport ist dieses Mal eher ein Update, das viele schon bekannte Themen aktualisiert.

 

Im Anschluss an zwei unlängst veröffentlichten Beschlüssen ( rechtsradikale Zeitgeschichte [NSU], 26.06.2012) beschäftigt sich jetzt ein weiterer Beschluss des BGH mit der Geschichte des Nationalsozialistischen Untergrundes:

BGH, Beschluss vom 14.06.2012 - AK 18/12 StB 7/12.

 


Der 3. Strafsenat nörgelt einmal wieder gegen unzureichende Feststellungen bei den Erhebungs- und Bewertungsgrundlagen im Zusammenhang mit einem DNA-Gutachten
( BGH, Urteil vom 03.05.2012 - 3 StR 46/12).

Siehe auch: Beweiswert einer DNA-Spur, 14.04.2012.

Dass ihm die Beweiswürdigung auch aus einem anderen Grund nicht passt, sagt das Gericht abschließend auch noch. Das Ganze wirkt etwas kleinlich.
 

zurück zum Verweis Diebe im Gesetz

 

 
 Zur kriminellen Auslandsvereinigung ( kriminelle Vereinigungen unter Dieben im Gesetz, 06.01.2012) hat sich der BGH erneut geäußert: und gibt damit einen tieferen Einblick in ihre Strukturen ( BGH, Beschluss vom 29.05.2012 - 3 StR 95/12, Rn 3):

Spätestens im Juni 2005 begründeten die "Diebe im Gesetz" Ka. und L. Sh. eine nach den dargelegten Regeln agierende Gruppierung aus georgischstämmigen Mitgliedern, die Diebstähle organisierte und die Beute an Hehler weiterverkaufte. Die Organisation existierte in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Österreich und der Schweiz, wobei der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen sowie des Tätigkeitsfeldes in den fünf erstgenannten Ländern lag. Auf der untersten Ebene standen die tatausführenden Diebe, die ihren Unterhalt aus organisierten, von mehreren Mitgliedern durchgeführten gemeinsamen Ladendiebstählen bestritten. Diebesbeute waren hochwertige Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Zigaretten, Drogerieartikel, Designerkleidung und elektronische Geräte. Die erbeuteten Gegenstände wurden organisiert und gemeinschaftlich an Hehler abgegeben. Die Mitglieder hatten in der Regel monatlich 50 Euro in den "Abschtschjak" zu zahlen. Die Vereinigung, die "Diebesregeln" und der "Abschtschjak" waren oberste Maximen des Handelns des Einzelnen. In verschiedenen deutschen Städten waren regionale Kassenhalter eingesetzt. Darüber gab es zunächst drei regionale Hauptkassen, später wurden sämtlich deutschen Kassen von dem "Deutschlandchef" M. vereinigt. Die an die Gemeinschaftskasse abgeführten Gelder und die darüber geführten Einzahlungslisten wurden letztlich zu Ka. Sh. nach Spanien gebracht. Die Vereinigung in Deutschland war grundsätzlich autonom, bei Konflikten oder bei groben Regelverstößen griffen allerdings die Brüder Sh. ein.

Jetzt lag zwar die geforderte Ermächtigung des Bundesjustizministeriums zur Verfolgung einer ausländischen kriminellen Vereinigung vor, aber das erkennende Gericht hat dazu nichts ausgeführt und die Angeklagten hatten deshalb keine hinreichende Gelegenheit, sich auch gegen den auf das Ausland bezogenen Vorwurf zu wehren. Nun ja.
 

zurück zum Verweis individuelle Tatanteile des einzelnen Beteiligten


... und andere Belehrungen
 
Ein guter Ermittler muss bis Drei zählen können, weil er dann eine Bande zusammen hat. Ihnen und manchen Kollegen, die im Zusammenhang mit internen Zuständigkeitsstreiten auch genial bis Drei zählen können, sei mit dem BGH ins Stammbuch geschrieben:

Bei der Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten als Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl hat das Landgericht verkannt, dass Tatbeteiligte, die nicht selbst Bandenmitglieder sind, nur wegen Beteiligung am Grunddelikt bestraft werden können, da die Bandenmitgliedschaft besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist.

BGH, Beschluss vom 08.05.2012 - 3 StR 72/12, Rn 4

Daneben verwundert es immer wieder, zu welch allgemeinen und eigentlich bekannten Ausführungen sich der BGH immer wieder veranlasst sieht:

Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist ..., ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist daher eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwerungsgründe und die Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar ( BGH, Urteil vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 492/86 ...; BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03, ...).

 BGH, Urteil vom 21.06.2012 - 4 StR 77/12, Rn 3 

Auch die Bildung der Gesamtstrafen müsste eigentlich geläufig sein:

Bei der Zumessung der Gesamtstrafe hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel niedriger auszufallen, wenn zwischen gleichartigen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht. Kommt die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe, bedarf es einer eingehenden Darlegung, aus welchen Gründen der Tatrichter den durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB vorgesehenen Rahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausschöpft ( BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 71/10 ...).

BGH, Beschluss vom 08.05.2012 - 3 StR 72/12, Rn 14

Hinzu kommen ganz einfache handwerkliche Fragen:

Bei der Abfassung des Urteils ist durch ein Mindestmaß an Sorgfalt sicherzustellen, dass - anders als im angegriffenen Urteil - der tenorierte Schuldspruch mit den in der rechtlichen Würdigung der Urteilsgründe genannten Delikten übereinstimmt und dementsprechend jeder einzelnen Tat eine Einzelstrafe zugeordnet wird. Dazu bietet sich an, in den Urteilsgründen für die einzelnen Taten im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung einheitliche Ordnungsnummern zu vergeben und diese bei Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung sowie Strafzumessung weiterzuverwenden (s. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 3 StR 391/02 ...).

Bei mehrfacher Verwirklichung eines Straftatbestandes, der in wechselnden Kombinationen mit unterschiedlichen anderen Delikten tateinheitlich zusammentrifft, empfiehlt es sich, in der Entscheidungsformel jede Tat einzeln zu bezeichnen und nur dann unter Angabe der Zahl der tatmehrheitlichen Tatbegehungen zusammenzufassen, wenn die rechtliche Bezeichnung der Einzeltaten identisch ist (BGH aaO). Eine darüberhinausgehende Zusammenfassung kann die Verständlichkeit erheblich erschweren, was sich hier gerade daran zeigt, dass die erkennende Kammer selbst die Abweichungen zwischen der Urteilsformel und den Urteilsgründen nicht bemerkt hat.

BGH, Beschluss vom 16.03.2012 - 3 StR 33/12, Rn 22, 23
 

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Seit Hundert Jahren gilt die für das Wirtschaftsstrafrecht bedeutende Interessentheorie. Sie verlangt danach, bei einem Geschäftsführer einer GmbH und seinen vermögenswirksamen Handlungen genau darauf zu schauen, ob er im (mutmaßlichen) Interesse der Kapitalgesellschaft handelte oder aus schlichtem Eigeninteresse. Dann konnte er nämlich nicht wegen Bankrott ( § 283 StGB), sondern allenfalls wegen Untreue verurteilt werden ( § 266 StGB).

Diese vom Reischsgericht übernommene Rechtsprechung hat der BGH jetzt endlich aufgegeben:

BGH, Beschluss vom 15.05.2012 - 3 StR 118/11
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018