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Ausschnitt,
Global Traffic Map, TeleGeography
|
Gezielte Panikmache übertitelt Holger Bleich in der
jüngsten seinen
Bericht über die Stabilität und Kapazität der internationalen
Kabel
und Netze
(1).
Er bezieht sich dabei vor allem auf eine (teure) Studie und die Zahlenwerte bei
TeleGeography Research
(2).
Frühere Warnmeldungen hatten
internationale Carrier und Tiers zu aufwändigen Netzausbauten
getrieben, ohne dass die Prognosezahlen wirklich eintraten. Das trieb
zum Beispiel die niederländische KPNQuest in den Ruin
(3).
Schwachpunkte sieht Bleich nicht in der
Bandbreite (Netze und Kabel), sondern in den Austauschknoten für
das
Peering,
also an den
Gateways
zwischen den Netzen. Hier kann es
zu
Paketverlusten und Latenzen kommen,
die
insbesondere bei Echtzeitanwendungen wie Spielen oder Internet-Telefonie
für Qualitätseinbußen sorgen (S. 89). Entsprechend lobt Bleich:
Der
deutsche eco-Verband etwa baut seinen Frankfurter
De-CIX
quasi ununterbrochen aus. Der auf sechs Orte verteilte Knoten verbindet
in seinen Switches die Netze von rund 250 Carriern kostenneutral
miteinander und gehört damit zu den weltweit größten seiner Art. Zu
Spitzenzeiten schaufelt er pro Sekunde 50 Gigabyte Nutzerdaten zwischen
den Teilsystemen hin und her
(4).
Beachtlich ist die Art der Daten, die über das Internet transportiert
werden (2007). Die wenigsten davon entfallen auf das "echte" Internet (HyperText
Transfer Protocol - HTTP).
P2P, Filesharing |
69 % |
HTTP |
10 % |
Mediadaten, z.B. Youtube |
8 % |
VoIP |
1 % |
|
Diese Zahlen stehen nicht im Einklang mit meinen Befürchtungen
(5),
dass das
Lifestyle-Internet die Bandbreite fordere. Statt dessen sind es die
Tauschbörsen und dort besonders die Privatanwender (S. 90), die mehr als
zwei Drittel der Kapazität beanspruchen. Einzelne Provider setzen
deshalb bereits die Deep Packet Inspection - DPI - ein, mit der sie
gezielt
Daten bestimmter Anwendungen bevorzugt durchleiten und andere ausbremsen
können (S. 89).
Solange Netzbetreiber das Routing selber steuern, können sie
es auch strategisch und kostenorientiert einsetzen
(6).
Darum scheren sich die Peer-to-Peer-Anwendungen nicht und suchen sich
die Downloadquellen irgendwo und keineswegs unter Beachtung der
Netzökonomie.
Eine Lösung besteht könnte die Initiative von Proactive network
Provider Participation for P2P - P4P
(7)
- bieten. Das vorgeschlagene Protokoll soll es ermöglichen,
den
nächstgelegenen Peer möglichst im selben Carrier-Netz zu finden. Für den
Nutzer hätte das den Vorteil, dass er schneller saugen kann, für den
Provider, dass weniger Transportkosten pro Datenpaket anfallen (S.
91).
Eine Alternative dazu besteht in der Überlegung, dass der Provider
eine Datenbank einrichtet, an die der Peer-Client seine Anfrage richtet.
Dadurch hat der Provider die Möglichkeit, die Netznutzung zu steuern und
eine Quelle aus seinem eigenen Netz auszuwählen. Dadurch könnten bis zu
80 % der Filesharing-Verbindungen im eigenen Netz gehalten werden (S.
92).
Fazit
Der Kollaps ist nicht zu erwarten. Der große Bandbreitenfresser, das
Filesharing, wird sich wandeln müssen. Entweder verliert es an
Attraktivität, weil die Provider es konsequent ausbremsen werden, oder
seine Protokolle werden mehr Rücksicht auf die (technische) Netzökonomie
nehmen müssen.
Das gilt gleichermaßen für die Internet-Telefonie, die zwar jetzt
noch unbeachtlich ist, aber bald einen erheblichen Anstieg erfahren
wird.
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(1)
Holger
Bleich, Gezielte Panikmache. Wer mit dem Internet-Kollaps droht
und warum dieser wohl ausbleibt, c't 20/2008, S. 88
(2)
Die beiden oberen Grafiken sind verkleinerte Abbilder von der
Global Traffic Map und der
Global Internet Map, beide von
TeleGeography. Das
untere Schaubild zeigt als grobe Darstellung die Datenmengen, die
zwischen den Kontinenten ausgetauscht werden. Die dazu verwendeten
Zahlen ergeben sich aus Bleichs Artikel (S. 91).
(3)
KPN
(4)
Wichtige Ausnahme: Die
DTAG
(Schaubild links) verfügt ausschließlich über Direktverbindungen zu fünf
internationalen Tiers-1. Dessen ungeachtet hat sich De-CIX hat zu einem
der wichtigsten Verbindungspunkten für den Mittleren Osten und nach
Osteuropa entwickelt (
Anmerkung 10b).
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