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Die
EU-Justiz- und Innenminister haben bereits Ende November 2008 einen
von der
EU-Kommission vorgeschlagene(n) Plan zu einer umfassenden und
gemeinsamen Bekämpfung der Cyberkriminalität beschlossen
(1).
Neben dem Ausbau von Informationssystemen sieht er auch die Bildung
gemeinsamer Ermittlungsgruppen und die grenzüberschreitende
Onlinedurchsuchung vor.
Sprechen wir von dem Zugriff auf im Ausland gespeicherten Daten für
die Zwecke der Strafverfolgung. Allgemein anerkannt ist, dass öffentlich
zugängliche Daten ohne alle Einschränkungen erhoben und verwertet werden
dürfen. Das hat auch das BVerfG im Zusammenhang mit der
Onlinedurchsuchung so gesehen
(2).
Die Nutzung von Zugangsdaten zu geschlossenen Informations- und
Kommunikationsangeboten im Internet sieht das BVerfG - jedenfalls unter
Betrachtung von Grundrechtseingriffen - dann als unproblematisch an,
wenn sie offen erhoben werden können oder mit dem Willen von
Berechtigten (Informanten, Beteiligten) genutzt werden
(3).
Die Grundrechte sind erst berührt - und gegenüber anderen abzuwägen -
wenn die Strafverfolgungsbehörde
Zugangsschlüssel nutzt, die sie ohne oder gegen den Willen der
Kommunikationsbeteiligten erhoben hat
(4).
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Das ist vor allem dann der Fall, wenn dazu technische Einrichtungen
verwendet werden, mit deren Einsatz der Berechtigte nicht rechnen muss.
Etwas anderes gilt in Bezug auf die Rechtshilfe. Sie greift immer
dann, wenn hoheitliche Zwangs- und Eingriffsmaßnahmen im Ausland
durchgeführt werden müssen. Öffentlich zugängliche Quellen sind davon
nicht betroffen, wohl aber solche Quellen, die zugangsgeschützt sind und
deren Zugang durch hoheitliche Maßnahmen vorbereitet wird.
Das ist nicht der Fall, wenn ein Kommunikationsbeteiligter - als
Anzeigeerstatter oder Informant - seine Zugangsdaten freiwillig und
bewusst offenbart, wohl aber dann, wenn er als Beteiligter unter dem
Eindruck, dass er Beschuldigter in einem strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren ist, durch seine Mitwirkung Wohlwollen erreichen
will
(5).
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Die
Kriminellen im Internet kümmern sich nicht um nationalstaatliche Grenzen
und können sie ohne Zeitverzug überschreiten. Ihre Verfolger hingegen
sind an sie gebunden und müssen langwierige Wege beschreiten, um
Informationen aus dem Ausland zu erhalten. Das hat sich durch die
Schengen-Übereinkommen gebessert
(6),
bleibt aber als grundlegendes Problem bestehen.
Kritisiert
wird jetzt, dass die europäischen Staaten über Vereinfachungen beim
Rechtsverkehr nachdenken
(7).
Das ist jedoch dringend nötig. Im Zusammenhang mit nationalen
Haftbefehlen - auch gegen eigene Bürger - und der Vollstreckung von
Urteilen im Heimatland des Verurteilten wird in der EU längst nicht mehr
danach gefragt, ob die zugrunde liegende Sachentscheidung in allen
Einzelheiten richtig ist.
Dringend benötigt wird die Durchsetzung ausländischer
Eingriffsentscheidungen ohne ein weiteres Überprüfungsverfahren, wenn die
Formalien des anderen Staates für ihre Durchführung eingehalten wurden
und nicht im krassen Widerspruch zu denen im vollstreckenden Staat
stehen. Das gilt besonders für Auskünfte, Durchsuchungen, Beschlagnahmen
und geheime Ermittlungen (TKÜ, Verkehrsdaten, Observation usw.). Es
macht keinen Sinn, wenn die gerichtliche Entscheidung aus dem einen
Staat noch einmal von einem Gericht aus dem anderen Staat überprüft und
im einzelnen gewürdigt werden muss. Jedenfalls nicht in einem Verbund wie der EU,
deren Rechtssysteme schon jetzt weitgehend miteinander harmonisiert
sind.
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Die
"Ferndurchsuchung" anlässlich einer offenen Durchsuchung ist seit einem
Jahr in
§
110 Abs. 3 StPO vorgesehen
(8).
Sie ist ein Ergebnis der europaweiten Rechtsharmonisierung. Es gibt
keinen Grund dafür, dass sie an EU-Schranken enden muss. Man mag sie als
Ermittlungsinstrument ablehnen; das ist aber kein Grund dagegen, dass
die EU-Staaten auch den Zugriff aus dem EU-Ausland in das eigene
Territorium zulassen.
Ein anderes
Thema ist die Onlinedurchsuchung, soweit es um die Online-Durchsicht und
die laufende Überwachung der Aktivitäten der Zielperson an ihrem
Computer geht
(9).
Ich bin der Überzeugung, dass die Strafverfolgung dieses Instrument zur
Bekämpfung der besonders schweren Cybercrime braucht. Dass sie es
bekommt, steht in weiter Ferne.
Eine
schrankenlose Remote Search, also einen durch Verfahrensrechte
unkontrollierten Zugriff auf Hostdienste und Endgeräte, werden weder der
EuGH noch das BVerfG zulassen - und das ist gut so. Den von
Verhältnismäßigkeitserwägungen getragenen und zielgerichteten Zugriff
auf flüchtige Daten hingegen schon.
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