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1997 hat
das BVerfG die richterrechtliche Konstruktion der
"prozessualen Überholung" jedenfalls im Zusammenhang mit
Durchsuchungsbeschlüssen aufgehoben
(2),
die ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs ergingen (
§ 33 Abs. 4 StPO). Seither kann die Eingriffsmaßnahme auf die
Beschwerde des Betroffenen auch dann noch auf ihre Rechtmäßigkeit
überprüft werden, wenn sie als solche abgeschlossen ist. Der Grundsatz
des effektiven Rechtsschutzes (
Art. 19 Abs. 4 GG) eröffnet damit dem Betroffenen
den
ersten Zugang mit seinem Vorbringen zum Gericht
(3).
Bei der rückblickenden Überprüfung sind nur die Kenntnisse, Fakten
und Beurteilungen zugrunde zu legen, die zum Zeitpunkt der
Eingriffsentscheidung bekannt und leitend gewesen sind. Neuere
Erkenntnisse bleiben dabei unberücksichtigt
(4).
Das Gericht muss
nicht
jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung
ausdrücklich ... bescheiden. Der wesentliche, der Rechtsverfolgung und
Rechtsverteidigung dienende Vortrag muss aber in den
Entscheidungsgründen verarbeitet werden
(5).
Einen weniger strengen Prüfungsmaßstab verlangt das BVerfG, wenn es
um eilige Entscheidungen geht [
Zitat links,
(6)].
Wenn eine Eilbedürftigkeit
keineswegs auf der Hand lag, muss sich das Beschwerdegericht jedoch
ausdrücklich mit ihr auseinander setzen.
Das ist eine vernünftige Entscheidung, die auch auf die
Gefahr
im Verzug anzuwenden ist. Sie entbindet den Entscheider keineswegs
von seiner
Verantwortung und seinem
Dokumentationszwang, schränkt aber den Umfang der Prüfung je nach
der zur Verfügung stehenden Entscheidungszeit ein. Wenn schnell
entschieden werden muss, dann muss das auch möglich sein, so auch das
BVerfG. Hinterher weiß man es sowieso immer besser - auch das will das
BVerfG verhindern.
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§
353d StGB schützt vertrauliche Inhalte aus Gerichtsverhandlungen.
Die
Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung
der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich (
§ 169 Abs. 1 GVG). Unter besonderen Voraussetzungen kann jedoch die
Öffentlichkeit ausgeschlossen werden (
§§ 171a ff. GVG). Erfolgt der Ausschluss fehlerhaft, besteht ein
absoluter Revisionsgrund (
§ 338 Nr. 6 StPO), wobei das Verfahren über den Ausschluss der
Öffentlichkeit äußerst kompliziert ist.
Nicht jedes Detail aus der nichtöffentlichen Verhandlung ist
strafrechtlich geschützt, sondern nur die Tatsachen und Schriftstücke,
deren Geheimhaltung das Gericht den anwesenden Personen zur Pflicht
macht (
§ 174 Abs. 3 GVG).
§
353d Nr. 3 StGB verbietet die Veröffentlichung von Anklageschriften
und amtlichen Schriftstücken, solange sie nicht in öffentlicher
Verhandlung verlesen oder erörtert worden sind. Damit soll nicht nur die
Privatsphäre der Beteiligten geschützt, sondern auch eine
Vorverurteilung verhindert werden
(7).
Die Strafbarkeit entfällt nach Abschluss des Verfahrens, wenn keine
besondere Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht.
Amtliche Schriftstücke stammen von Behörden (
§ 161 Abs. 1 S. 1 StPO) oder Amtspersonen (z.B. Notare). Dazu
gehören aber auch Vermerke und Protokolle der Polizei, der beteiligten
Gerichte und der Staatsanwaltschaft, die das Gesetz als "Verhandlungen"
bezeichnet (
§ 163 Abs. 2 StPO).
Gelegentlich stellt sich mir das Problem, ob ich solche Texte zitieren
darf, die sich von allen personenbezogenen Fakten abheben und allein auf
Rechtsfragen beschränken. Rechtsfragen sind einer Beweiserhebung nicht
zugänglich, weil sie sich auf
Tatsachen
und Beweismittel beschränken (
§§ 244 Abs. 2,
94
Abs. 1 StPO). Das gilt besonders auch für verlesbare Schriftstücke (
§ 256 Abs. 1 StPO), die immer nur Tatsachen und ihre
erkenntnisorientierte Bewertung zum Gegenstand haben.
Daraus schließe ich, dass unpersönliche und abstrakt gehaltene
Rechtsausführungen nicht nur kein Gegenstand der Beweisaufnahme sind,
sondern auch nicht der Strafdrohung des
§
353d Nr. 3 StGB unterliegen. Warum auch?
(8)
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(1)
BVerfG, Beschluss vom 05.02.2004 -2 BvR 1621/03
(2)
BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90,
728/92, 802 und 1065/95
(3)
BVerfG, Beschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1910/ 02,
Rn. 17 am Ende
(4)
(1), Rn. 17
(5)
(1), Rn. 14
(6)
(1), Rn. 19
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(7)
§
353d Nr. 3 StGB ist mit einer amtlichen Anmerkung versehen und ist
nach
Maßgabe der Entscheidungsformel mit dem GG vereinbar, BVerfGE v.
3.12.1985; 1986 I 329 - 1 BvL 15/84. Die zugrunde liegende
Entscheidung ist jedoch im Internet nicht verfügbar. Ich habe jedenfalls
irgendwann die Suche ergebnislos abgebrochen.
(8)
Persönlichkeitsrechte können nur betroffen sein, wenn sie Bezug zu
einer bestimmbaren Person oder Personengruppe haben. Handwerkliche
Rechtsausführungen gehören im Rahmen der
Subsumtion zur Präzisierung des abstrakten Obersatzes, dessen
Einzelheiten erst im zweiten Schritt mit dem Lebenssachverhalt
verglichen werden.
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