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Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur
verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des
Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies
einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren
Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben
der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher
Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines
Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.
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Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften
durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von
Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden
Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung,
Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben
zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche
Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem
Gewicht erlaubt werden.
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Das
Bundesverfassungsgericht hat am 02.03.2010 die geltenden Regelungen zur
Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig aufgehoben . Eine
eingehende Auseinandersetzung mit der Entscheidung wäre übereilt.
links werden die beiden letzten der 6 offiziellen Leitsätze zitiert.
Fangen wir
unten an:
Eine mittelbare Nutzung von Verkehrsdaten liegt dann vor, wenn sie
zur Auflösung von dynamischen IP-Adressen genutzt werden. Das
Bundesverfassungsgericht betrachtet ihre Erhebung und Verwendung im
Einzelfall für die Identifizierung der Teilnehmer der Telekommunikation
und im Internet als zulässig. Allenfalls im Zusammenhang mit der
Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sieht es Verwendungsbeschränkungen.
Das ist eine klare Aussage darüber, dass Verwendungsbeschränkungen
eingerichtet werden müssen und dass jedenfalls wegen der Verwertung
einzelner Verkehrsdaten keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
Auch die
systematische Auswertung einer Vielzahl von Verkehrsdaten ist dann
zulässig, wenn sie zur Aufklärung schwerer Straftaten oder
vergleichbarer Gefahren dienen (
links oben).
Das eröffnet die Frage danach, was schwere Straftaten sind.
Besonders schwere
Straftaten bezeichnet das Gericht solche, die mit einer Freiheitsstrafe
von mehr als 5 Jahren bedroht sind
(2).
Nach der bisherigen Spruchpraxis gehören dazu alle Tatbestände, die im
Straftatenkatalog des
§
100a Abs. 2 StPO genannt werden.
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Dass derartige Verwendungsbeschränkungen angeordnet werden,
habe ich vermutet. Gegen sie habe ich auch keine durchgreifenden
Bedenken.
Mit der Außerkraftsetzung der Speicherpflichten habe ich hingegen
nicht gerechnet, weil damit die Strafverfolgung insgesamt verhindert
wird, soweit TK-Daten betroffen und zwingend nötig sind.
Das verursacht andererseits einen immensen Druck auf den Gesetzgeber,
der jetzt neue Regeln schaffen muss. Der Druck wird vor allem von allen
Lobbyisten und Aktivisten ausgehen, die jetzt ihre Abmahnungen und
sonstigen Forderungen im Zusammenhang mit Straftaten und
Rechtsverletzungen im Internet nicht mehr verfolgen können.
Auf diesem Hintergrund könnte sich die brachiale Entscheidung des
BVerfG als sehr konstruktiv herausstellen: Der Gesetzgeber und vor allem
das federführende Bundesjustizministerium wird dadurch zu schnellem
Handeln gezwungen.
Ein
weiteres Gutes hat die Entscheidung: Die leidigen und unsinnigen
Sonderberichtspflichten haben ein Ende!
03.03.2010: Einen differenzierten Blick wirft jetzt Twister auf die
Entscheidung und hebt die Passagen hervor, in denen das Gericht die
Vorratsdatenhalten unter Bedingungen als zulässig betrachtet
(3). |