Soweit das Landgericht hier fehlerhaft
zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, die Taten seien in Einzelfällen
dadurch erleichtert worden, dass von Seiten der Banken und Sparkassen
keine hinreichenden Sicherungen gegen Einbrüche
und Diebstähle vorgesehen gewesen und die Taten dem Angeklagten und
seinen Mittätern daher sehr leicht gemacht worden seien, beschwert dies
den Angeklagten nicht.
(4) |
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Die
Schlagzahl der Veröffentlichungen des BGH in Strafsachen hat merklich
nachgelassen. Mit einem heute veröffentlichten Beschluss widmet sich der
2. Senat besonders dem Kontoeröffnungsbetrug
(1),
der keine Überraschungen birgt, aber erfreulich gradlinig ist.
Dieser
Senat hält jedenfalls an der schadensgleichen Vermögensgefährdung
fest
(2).
Der 1. und der 3. Senat wenden sich seit 2009 von dieser Konstruktion ab
und ersetzen sie durch eine kaufmännisch ausgerichtete
Schadensdefinition, die auch kalkulatorische Realisierungskosten,
Rückstellungen und anerkannte kaufmännische Risikobewertungen zulässt.
Das geht in die Richtung, die im Sommer 2010 auch das BVerfG
eingeschlagen hat
(3).
Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung kann
schon dann vorliegen, wenn der Täter unter Vorlage eines
gefälschten
Ausweises und Täuschung über seine Zahlungswilligkeit bei einer Bank
Konten eröffnet und ihm antragsgemäß Kreditkarten (
BGHSt 33, 244 ff.) oder EC-Karten (
BGHSt 47, 160 ff.) ausgehändigt werden bzw. wenn ihm ein
Überziehungskredit eingeräumt wird. <Rn 3>
Mit Kredit- und anderen Zahlungskarten übernimmt die Bank
Garantiefunktionen und mit dem Überziehungskredit eröffnet sie
Sollbuchungen ohne Guthaben zu ihrem Lasten. Das passt zu der
wirtschaftlich ausgerichteten Rechtsprechung im Übrigen.
Konten auf Guthabenbasis können hingegen nicht zu einer
Vermögensgefährdung führen.
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Wegen eines
"Überweisungsbetruges" kommt nur dann ein vollendeter Betrug in
Betracht, wenn die Transaktion auch ausgeführt wird. Zuvor ist es nur
ein versuchter Betrug, allerdings in aller Regel in Tateinheit mit einer
vollendeten Urkundenfälschung.
Warum das überhaupt der Erörterung bedarf, mag man die erkennenden
Kollegen vom Landgericht Aachen fragen.
Beim
klassischen Überweisungsbetrug späht der Täter zunächst die
Bankverbindung des Opfers aus und versucht, ein Abbild von dessen
Unterschrift zu bekommen. Damit füllt der Täter einen Überweisungsträger
aus, reicht ihn ein und hofft, dass die Überweisung ausgeführt wird.
An die
Stelle des papiernen Überweisungsbetruges sind das Phishing und andere
Formen des Identitätsdiebstahls im Zusammenhang mit dem Waren- und
Zahlungsverkehr getreten.
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Aus meiner
"persönlichen Kriminalitäts-Sicht" nehmen die Formen der
Identitätstäuschung im Rechtsverkehr erschreckend zu. Gefälschte
Ausweispapiere und Führerscheine sind massenhaft im Umlauf und billig zu
haben. Das gilt auch für andere Wertpapiere, weniger für Geld, aber für
Fahrkarten oder andere verbürgte Bezugsrechte. Für eine rumänische
Identitätskarte, passenden Pass und Führerschein muss man vielleicht
1.500 € auf den Tisch legen. Damit schließt man einen Mietvertrag, legt
alles beim Einwohnermeldeamt vor - und schon lebt (und fährt) man unter
einer neuen Identität, die nicht bei der Schufa oder einem anderen
Register bemakelt ist.
Unter einer solchen permanenten Alias-Existenz begeht man aber keine
anderen Straftaten, sondern erleichtert sich nur den Zugang zur
Warengesellschaft, der Dank Schufa, Creditreform und anderen
Meldestellen behindert sein könnte. Für die Eröffnung von Bankkonten für
krumme Geschäfte braucht man weitere Alias-Existenzen. Dafür reichen
aber ein falscher Ausweis, drei gefälschte Gehaltsnachweise und eine
erschlichene Meldebescheinigung - für vielleicht 500 €. Damit lassen
sich vier, fünf Bankkonten einrichten, die jeweils 2.000 € bringen
könnten, oder hochwertige Autos finanzieren.
Urkundenfälschung als Anwendungsdelikt ist lange belächelt worden und
unbeachtet geblieben. In der allseits akzeptierten Globalwelt sind aber die
sozialen Kontrollmechanismen auf Null gefahren. All is usual. Das sind
die besten Voraussetzungen für Betrug und Missbrauch.
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Hinzu kommt
die Cybercrime mit dem Identitätsdiebstahl und dem Carding, von dem
Phishing und Skimming nur besondere Erscheinungsformen sind.
Nennen wir das Ganze "Identitätsglibber". Unter seiner Regie fällt es
leicht, andere Identitäten vorzugaukeln, und ist es unbeschwert möglich,
fremde oder falsche Identitäten anzunehmen, weil die soziale Kontinuität
und Kontrolle aufgegeben wurden.
Ein
untergetauchter Mensch, der seine Identität ändert und unter ihr ein
neues Leben beginnt, integriert sich in seine neue Umgebung und wird -
ungeachtet seiner Motive und seiner möglicherweise dunklen Vergangenheit
- ein aktiver Teil von ihr. Das gilt nicht für den Glibberer nach den
klassischen Vorbildern von Zorro oder Batman, der kurzfristig in eine
ungreifbare Tarnexistenz taucht. In ihr ist er frei - nicht im
philosophischen, sondern im egoistischen Sinne. Er kann ungestraft von
Moral, Sitte und Recht alles tun, was ihm als gutmenschliches und
böswilliges Tun einfällt.
Dabei verliert seine Umgebung jede Kontrolle über ihn.
Da sind wir jetzt. Die klassische Politökonomie würde die Glibberei als
Anarchie bezeichnen, die als Gegenkonzept zur Feudalgewalt ihre
Berechtigung hatte. In einem interessenausgependelten demokratischen
Rechtsstaat hat sie hingegen nichts zu suchen.
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