Die Sonderstellung des Bundeskriminalamtes als die Zentralstelle der
deutschen Polizei leidet unter der fortschreitenden Verselbständigung
der anderen Sicherheitsbehörden des Bundes.
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Die vom BMI
eingesetzte Werthebach-Kommission schlägt unter dem Namen
Bundespolizei
(neu) eine Zusammenführung des Bundeskriminalamtes und der 2005 aus dem
Bundesgrenzschutz und der Einbeziehung der Bahnpolizei entstandenen
Bundespolizei (alt) vor
(2).
Ungeschoren bleibt auch nicht das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik. Alle drei Bundesbehörden sollen zusammen ein
Strategiezentrum IT-Sicherheit
bilden
(3).
Ungleicher könnten die Beteiligten nicht sein.
Das
BKA hat seine
Stärken in den Bereichen der Kriminalwissenschaften, der internationalen
Zusammenarbeit und der strategischen Analyse der Kriminalität. Es führt
Informationen und Kontakte zusammen und ist dadurch in der Lage,
kriminalistische Frühwarnung und Prävention auf mehr abstrakter Ebene zu
leisten. Hinzu kommt die Vermittlung exklusiver Informationen aus
anderen Bundesländern und dem Ausland.
Ich habe den Eindruck, dass sich diese Aufgabenwahrnehmung, so gut
sie wirklich geleistet wird, manchmal etwas geheimdienstlich
verselbständigt hat. Das zeigt sich mitunter an der unbedachten
Kennzeichnung gestreuter Informationen mit dem Siegel "nur für den
Dienstbedarf - Verschlusssache" (NfD-VS). Was soll eine
präventiv-polizeiliche Landesbehörde oder gar eine dem Legalitätsprinzip
unterworfene Ermittlungsbehörde damit anfangen? Entweder kann sie eine
Information gerichtsfest verwerten oder eben nicht. Dann kommt sie in
den Konflikt mit dem Legalitätsprinzip und könnte Strafvereitelung
betreiben
(4).
Man mag es mir nachsehen und als begrenzte private Erfahrung
bewerten: Bei der praktischen Ermittlungsarbeit zeigt das BKA Lücken. Es
ist meisterlich in spezialisierten Ermittlungsmethoden, zeigt aber wenig
ermittlerische Kreativität, um alternative und vor Allem
eingriffsschwächere Ermittlungshandlungen zu wählen und in Betracht zu
ziehen. Böse gesagt: Die Marschroute des BKA ist es eher, eine
Vertrauensperson oder einen Verdeckten Ermittler auf eine Zielperson
zugehen zu lassen als einen charmanten oder aggressiven Ermittler
selber, der sich zu seiner Aufgabe bekennt.
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Alle hier
gestreiften Ermittlungsmethoden haben ihre Berechtigung und müssen auf
den Einzelfall bezogen angewandt werden. Wogegen ich mich wende, ist die
scheuklappige Beschränkung auf bestimmte HighTech-Methoden ohne
Bodenhaftung.
Das ist bei
der Bundespolizei
(alt) anders. Eines ihrer Standbeine sind die Grenzkontrolle, die Ein-
und Ausfuhr und die Flugabfertigung, worin sie viel praktisches
Polizeiwissen bündelt. Hier ist sie unschlagbar.
Weniger
spektakulär ist die Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei, in der
sie wahrscheinlich neun Mal so viele Beamte einsetzt als das BKA. Sie
kümmern sich vor Allem um Schleusungsdelikte und den Schutz der früher
dem Bund unterstandenen Infrastrukturen (Eisenbahn, Kommunikation,
Grenzen). So wie ich es erlebt habe, machen sie das sehr gut. Sie sind
zudem auf einem technischen Stand, der allen anderen Ermittlungsbehörden
nur Neid abverlangen kann.
Nach den
Vorschlägen der Werthebach-Kommission soll die kleine und mittlere
Kriminalität wie bisher von der BuPol in ihren gewohnten Strukturen
verfolgt werden. Die Kriminalitätsbekämpfung im schweren Bereich soll
hingegen mit dem BKA zusammen wachsen.
Das ist
nicht falsch. Beide können voneinander nur profitieren. Die BuPol
erlangt mehr strategische Kompetenz und internationale Einbindung und
das BKA mehr ermittlerische Bodenhaftung, auch wenn es sich schon wieder
dagegen wehrt
(5).
Das
BSI ist der Brain
Tank in der Geschichte, hoch spezialisiert, unangefochten und höchst
geachtet in Fragen der IT-Sicherheit, aber unbedarft in allgemeinen
Kriminalitätsfragen. Die Zusammenführung kann böse Reibungsverluste
verursachen, ist von der Sache her aber völlig logisch, konsequent und
richtig. Das Wissen, das das BSI hat, brauchen BKA und BuPol unbedingt.
Umgekehrt kann das BSI sehr gut die praktischen Erfahrungen der beiden
anderen Bundesbehörden ohne die gegenwärtigen Reibungsverluste
gebrauchen.
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Auch der
Zoll soll integriert werden. Er führt sowieso ein merkwürdiges
Eigenleben zwischen Steuerfahndung einerseits und Bundesgrenzschutz in
alter Form andererseits. Der Kollege Thelen karikiert seine Beamten
gerne damit, dass ihre Hände nervös am Pistolenhalfter reiben.
Diese Erfahrungen habe ich nicht und Thelens Darstellung mag der
Vortragsdramatik geschuldet sein.
Auf dem ersten Blick scheint es jedoch charmant zu sein, die
Zollverwaltung als eigenständigen Polizeizweig aufzugeben. Sie ist eine
Art kupierte Bundessteuerpolizei und darin liegt ihr Dilemma: Eigentlich
wäre sie (gerne) eine Bundessteuerfahndung, aber das darf sie im
föderalen Bundesstaat nicht sein. Insoweit scheint mir eine
Grundgesetzänderung tatsächlich angezeigt zu sein: Die bundesrechtlichen
Eingriffe in die Steuerstruktur scheinen die landesrechtlichen
Gestaltungsmöglichkeiten immer mehr einzuschränken, so dass eine unter
Bundesaufsicht stehende Steuerfahndung unter Einbeziehung der
Zollverwaltung nahe liegend ist.
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Wegen ihrer
Cybercrime-Kompetenz schätze ich vor Allem das BKA und das BSI. Ihre
Zusammenführung und das noch angereichert mit der Neugierde,
Blickklarheit und Ermittlungskompetenz der Kriminalitätsbekämpfung aus
der BuPol, das ist eine geniale Mischung.
Genau das brauchen wir.
Ich hoffe nur, dass bei der zu erwartenden Zusammenführung nicht nur
Leitungsfunktionen vereinheitlicht und gestrichen werden, sondern auch
die Basisstränge fair und zielführend verwoben werden. Alle beteiligten
Bundesbehörden haben es verdient, mit ihren Leistungen und Stärken
anerkannt, gefördert und erhalten zu werden. Ihre Zusammenführung muss
der Synergie dienen, also vor Allem dem Abbau von Schranken,
Unkenntnissen und Vorbehalten.
Alles in
Allem: Die Initiative der Werthebach-Kommission ist gut und richtig.
Hoffen wir nur, dass ihre Vorschläge gut umgesetzt werden, ohne dass es
zu lähmenden Grabenkämpfen kommt!
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