04./24.03.2012
Die
Spezialität ist eine völkerrechtliche Geflogenheit und betrifft die
Auslieferung von Verdächtigen zur Strafverfolgung. Sie setzt einen
inländischen Haftbefehl voraus und je nach Ausland überprüfen die
dortigen Justizbehörden die formelle oder auch materielle Berechtigung
des Auslieferungsersuchens. Im Bereich des Schengener Übereinkommens
genügt in aller Regel der Bestand eines Europäischen Haftbefehls (
Schengener Informationssystem - SIS). Andere Staaten, zum Beispiel
die USA, verlangen nach einem ausführlichen "Case Summary", das mehr als
eine Anklageschrift alle Beweismittel und ihre Bewertung aufführt.
Die Spezialität bedeutet, dass der Betroffene
nur wegen der Straftaten verurteilt werden darf, wegen der die
Auslieferung betrieben wurden. Das sind nur die, die in dem Haftbefehl
benannt werden. Eine gesetzliche Form hat das in dem
Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen -
§ 83h IRG - und in dem
Europäischen Auslieferungsübereinkommens - Art 14 EuAlÜbk - gefunden.
Der
völkerrechtliche Schutz gilt dem inhaftierten, also in seiner
Freizügigkeit eingeschränkten Angeklagten.
Art
14 Nr. 1 S. 1 b) EuAlÜbk bestimmt ausdrücklich, dass die Bindung der
Spezialität entfällt, wenn der Betroffene das Land nicht binnen 45 Tage
verlassen hat oder wieder zurückkehrt. Die Spezialität ist deshalb kein
absolutes, sondern ein relatives Recht des Betroffenen. Selbst wenn das
abgefochtene Urteil des Tatsachengerichts wegen eines Verstoßes gegen
den Spezialitätsvorbehalt hätte aufgehoben werden müssen, wird dieser
Fehler auch in der Revisionsinstanz wieder geheilt, wenn sich der
Betroffene länger als 45 Tage auf freiem Fuß befunden hat oder nach
Deutschland zurückgekehrt ist
(1).
Das materielle Strafrecht kennt einige Tatbestände, die die Strafbarkeit
wegen Gewerbsmäßigkeit und wegen bandenmäßiger Begehung besonders schwer
bestraft wissen wollen (siehe zum Beispiel die
Bandenliste). Dabei muss festgestellt werden, dass der Täter sich
über den Einzelfall hinaus eine kriminelle Erwerbsquelle (Gewerbsmäßigkeit)
oder zusammen mit mindestens zwei Komplizen die wiederholte Begehung
vergleichbarer Straftaten (Bandenmäßigkeit) gewollt hat.
In dem vom
BGH entschiedenen Fall war der Angeklagte aufgrund eines Europäischen
Haftbefehls aus Russland ausgeliefert worden. Das erkennende Gericht
führte eine Beweisaufnahme durch, die nicht nur die Zeugen und
Beweismittel der Straftat aus dem Haftbefehl betrafen, sondern noch eine
andere, wegen der der Angeklagte nicht ausgeliefert worden war. Im
Endeffekt verurteilte ihn das Gericht zwar nur wegen der im Haftbefehl
genannten Tat, aber auch wegen bandenmäßiger Begehung. Zur Begründung
nahm es auf die - wegen des Spezialitätsvorbehalts - straffreien, aber
in ihren Einzelheiten festgestellten anderen Tat Bezug.
Der BGH hat
das bestätigt
(2):
Darüber
hinaus schließt
Art. 14 Abs. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.
Dezember 1957 (EuAlÜbk) eine Verurteilung unter einem
anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus, sofern ihr derselbe
Sachverhalt zugrunde liegt und die Tatbestandsmerkmale der rechtlich
neu gewürdigten strafbaren Handlung die Auslieferung gestatten würden
... <Rn 16>
Der
Spezialitätsgrundsatz schließt nicht aus, Umstände, die eine Straftat
darstellen, auf die sich die Auslieferung nicht erstreckt, bei der
Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft der Auslieferungstat
als Indiz zu berücksichtigen <Rn 18>
Zwar darf
ein Sachverhalt, der nicht zu der Auslieferungstat im Sinne des
§ 264 StPO gehört, nicht bei der Bestimmung der Strafhöhe
zum Nachteil des Angeklagten Verwendung finden … Dies schließt jedoch
nicht aus, den Strafrahmen eines festgestellten
Qualifikationstatbestandes der Verurteilung wegen der Auslieferungstat
auch dann zu Grunde zu legen, wenn diese Feststellungen mittels
Beweiserhebungen zu einer verfahrensfremden Tat getroffen
wurden. <Rn 19>
(1)
BGH, Beschluss vom 09.02.2012 - 1 StR 148/11, Rn 9 ff.
(2)
BGH, Urteil vom 12.01.2012 - 4 StR 499/11
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