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April 2012
14.04.2012 Internet
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift arktische Seekabel
 

 
 Das arktische Eis geht zurück und öffnet dadurch die Nordwestpassage. Schon vor zwei Jahren wurden Überlegungen laut, in ihr ein Seekabel zu verlegen (1). Weniger aus dem Grund, die ansässigen Inuit-Stämme optimal an die weltweite Kommunikation und das Internet anzubinden.
 

 
arktische Kabeltrassen
für was? für wen?
 


Die Datenübertragungszeit zwischen Nordamerika und Tokio könnte sich dadurch von 140 auf 88 Millisekunden verkürzen (2), womit sich feine Gewinne im Blitz-Handel an den computergestützten Börsen machen ließen.

 Die Seekabel bilden das Gerüst für die transkontinentale Kommunikation (3). Sie werden grundsätzlich entlang den bekannten Schifffahrtswegen verlegt (4) und sind besonders häufig im Mittelmeer, im Atlantik für die Verbindungen zwischen Europa und Nordamerika sowie im Pazifik zwischen Ostasien und Nordamerika vertreten (5). Die Landkabelverbindungen innerhalb Nordamerikas und Europas lassen sich kaum schematisch, d.h. im Überblick darstellen. Erst 2009 entdeckte ich eine Darstellung des durch Russland führenden Landkabels (6), wodurch sich einige unerklärliche Effekte im Spam-Verkehr aufklärten.

 Überlegungen dahin, die nördlichen Küstenzonen für Seekabel zu nutzen, sind jetzt wieder aufgelebt (7).
 

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 Eine Nordtrasse gibt es bereits und das ist die von mir grün eingezeichnete, eurasische Landkabelverbindung zwischen London, Skandinavien, Baltikum und Russland - über St. Petersburg, Moskau und Ekaterinenburg - bis zur Ostküste Sibiriens und mit weiteren Trassen in die Mongolei und zu den Metropolen in China und Südostasien.

  Artic Fibre erwägt ein Seekabel durch die Nordwestpassage (8). 15.600 km wären dabei zwischen London und Tokio zu überbrücken und das sind 39 % des Erdumfangs und tatsächlich könnten damit 60.000 Menschen in Amerikas arktischen Regionen mit der modernen Telekommunikation verbunden werden. Das würde nur lächerliche 15.000 Euro pro Anwohner-Nase kosten, wenn man den Zahlen aus 2010 vertrauen darf.

Die geplanten Trassen habe ich rot eingezeichnet.

Als eleganter könnten sich die Überlegungen von PolarNet erweisen. Das Seekabel "Rotax" könnte, von London aus kommend, an Norwegen entlang geführt werden und dann weiter an der Nordküste Russland bis ins östliche Sibirien, also über Murmansk, Anadyr und Wladiwostok bis schließlich nach Tokio (blaue Linien).

 

 
 "Rotax" wäre im Endeffekt kürzer, würde mehrere bestehende Metropolen anbinden und hat aus westlicher Sicht gegenüber der Nordwestpassage nur einen elementaren Nachteil: Das Kabel würde weitgehend durch russische Küstengewässer laufen und nicht über nordamerikanischen Seeboden.
 

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52 Millisekunden kürzere Signallaufzeit sind das Hauptatgument für eine Investition von 850 Mio. Euro, wenn damit die "Nordweststrippe" gelegt würde. Das müsste der Blitzhandel im Börsenspiel erst wieder einspielen, damit es sich lohnt. Der Aspekt der Menschenfreundlichkeit gegenüber den arktischen Naturvölkern ist viel zu vordergründig und abgedroschen, als dass man ihn ernsthaft diskutieren könnte. Allenfalls die noch nicht erschlossenen Rohstoffe aus dem Norden Amerikas könnten für die Schaffung einer leistungsfähigen Kommunikations-Infrastruktur sprechen, wenn denn auch die industrielle Infrastruktur geplant wäre. Davon ist jedoch nicht die Rede.

Nicht ohne Gründe wurden die Seekabel entlang den Routen der Handelsschifffahrt verlegt. Einerseits handelt es sich um bekannte Gewässer und andererseits führen sie immer zu Handelszentren (in Deutschland: Norden und Sylt), die nicht nur einen Bedarf an Handelswaren haben und ihre Inländer mit tradierten Landhandelswegen erschließen, sondern auch einen zunehmenden Bedarf nach Telekommunikationsdienstleistungen. Diesen Prozess kann man auch umdrehen und man nennt das Wirtschaftsförderung: Erst schaffen wir die TK-Infrastruktur und bieten damit Anreiz für die industrielle Ansiedlung.

Rotax dagegen könnte schon erschlossene Regionen an der russischen Nordküste fördern und diese Strecke ist erheblich attraktiver. Dem ersten Anschein nach dürfte sie noch etwas kürzer sein und deshalb noch ein paar Millisekunden mehr rausschinden können für den Handel mit nichts anderem als sich selbst.

Kommunikationsnetze sind infrastrukturelle Großprojekte und nicht zuletzt die Seekabel und die großen Landverbindungen zeigen das. Sie sind ein knallhartes Geschäft. Das bewiesen zuletzt die Seekabel an der Ostküste Afrikas (9). Aus technologischer Sicht sind die arktischen Kabelprojekte faszinierend und dabei kommt der staunende
kleine Junge in  mir durch. Wenn das leitende Argument aber die Optimierung des Blitz-Handels ist, dann kommt kaltes Grausen in mir hoch, das der Lebenserfahrung und der politischen Verantwortung geschuldet ist.
 

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(1) Nordweststrippe, 12.07.2010

(2) Arctic Cable Company Home

(3) internationale Kabel und Netze, 2007

(4) Hohe Kosten, Heise Netze 11.04.2012

(5) internationales Kabelnetz (Schema), 08.07.2010

(6) eurasische Verbindungen, 06.12.2009

(7) Doreen Fiedler, Simone Humml, Klimawandel beflügelt Seekabel-Pläne für die Arktis, Heise Netze 11.04.2012

(8) Klimawandel beflügelt Seekabel-Pläne für die Arktis, Heise Netze 11.04.2012

(9)  Internet für Afrika, 27.12.2009; Kabelbruch, 08.07.2010.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018