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Visionen, Erkenntnisse und Grenzgänge im Spiegel populärer
Themenhefte
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Vor knapp
100 Jahren entstanden die Relativitäts- und die Quantentheorie. Sie
beschäftigen die Naturwissenschaftler nicht nur bis heute, sondern
nahmen wegen ihrer praktischen Anwendbarkeit einen erheblichen Einfluss
auf die wirtschaftliche Produktion, Gesellschaft und Kommunikation.
Sie ließen auch neue Vorstellungswelten für die Literatur entstehen
und erweiterten die ingenieurswissenschaftlichen Perspektiven von Jules Verne
oder Hans Dominik um neue Spielarten, vor allem im Hinblick auf die
Raumfahrt, die Kosmologie und die Elektronik. Das gilt besonders für die zweite Hälfte
des vergangenen Jahrhunderts und wird in dem Portrait über
Stephen
Baxter besonders deutlich.
Naturwissenschaftliche Theorien und ihre Fortentwicklung führen immer
wieder auch zu spekulativen Vorstellungen, die später verworfen werden
oder sich hartnäckig behaupten. Beispiele dafür sind Schwarze Löcher und
andere kosmische Befunde ebenso wie die Quantentunnelung, ohne die die
Mikroelektronik und schließlich das Internet nicht möglich wären.
Einen spannenden Spiegel für neue Visionen und Erkenntnisse liefern
deshalb die Themenhefte verschiedener Herausgeber, die sich auf die Gradwanderung
zwischen gesicherter Erkenntnis und phantasievoller Vision begeben.
Etwas Ähnliches kennt man bislang nur aus den Jahrbüchern für Jungen,
die nach meiner Wahrnehmung vom Markt verschwunden sind.
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populäre Themenhefte |
1986. P.M. Perspektive |
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Anfang 2009
erschienen fast gleichzeitig zwei neue Hefte von Spektrum und Telepolis,
die sich mit naturwissenschaftlichen und futurologischen Fragen
beschäftigen. Sie haben mich dazu bewegt, auch die alten Ausgaben im
Hinblick auf ihre Visionen, Hoffnungen und Vorbehalte durchzusehen. Das
hat zwei Monate lang gedauert.
Meine
keineswegs repräsentative oder gar vollständige
Sammlung reicht bis 1985
zurück und hat die Schwerpunkte Physik, Raumfahrt, Astronomie und
Kosmologie. In zwei Fällen musste ich das Erscheinungsjahr schätzen.
Die Hefte
zeigen natürlich einen ständigen Fortschritt des Wissens, aber auch
Moden, die in der Zeitgeschichte wurzeln.
Nicht ohne Grund behandelt die P.M. Perspektive von 1986 vor allem
Raumfahrtthemen (siehe
rechts). Einerseits zehrt sie noch von der Mondflug-Euphorie und
andererseits trauten sich die Verlage noch nicht, exotische
Vorstellungen einer breiten Öffentlichkeit geballt vorzusetzen.
Das leistete sich nur Spektrum mit seinen
Broschüren, die sich allein wegen ihres Preises nur an ein
ausgesuchtes und begrenztes Publikum richteten. Erst später wurden die
spannenden Visionen der Öffentlichkeit zugemutet oder in den
Herausgeberetagen überhaupt erst bekannt.
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Das älteste
Themenheft in meiner Sammlung ist von P.M., die
Perspektive Weltraum vom April 1986. Wie das Monatsmagazin selber
ist die "Perspektive" populär gehalten und leicht verständlich. Ein
beherrschendes Thema sind die seinerzeit jüngsten Erkenntnisse aus den
Satellitenbeobachtungen mit Bildern von den äußeren Planeten unseres
Sonnensystems und den vielen neu entdeckten Monden um Jupiter, Saturn
und Uranus.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Perspektiven der Raumfahrt. Von
der Internationalen Raumstation
(1)
ist noch keine Rede, aber von der sowjetischen MIR
(2)
und den Gedankenspielen bei der Nasa über eine Stadt auf dem Mond.
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1995. P.M. Perspektive |
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"Fast sicher" ist 1986 die Erkenntnis, dass sich im Zentrum unserer
Milchstraße ein riesiges Schwarzes Loch
(3)
befindet. Die Kosmologen verfügten über gesicherte Erkenntnisse aus der
Zeit der ersten Sekunde unseres Universums
(4).
Politisch beherrschend waren die Pläne der Reagan-Regierung zur
Aufrüstung im Weltall
(5).
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Ein Artikel in dem Themenheft aus 1986 ist mir nachhaltig in Erinnerung
geblieben. Er beschreibt die großräumige Struktur des Universums als blasenförmig,
wobei sich die Materie offenbar auf der Oberfläche von imaginären Blasen
sammelt (Bildausschnitt),
deren Inneres frei von Sternen und anderer Materie ist
(6).
Soweit zur Bestandsaufnahme. Erst 1990 erfolgte eine theoretische
Erklärung dafür in
Kosmologie und Teilchenphysik.
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Knapp 10
Jahre später, wahrscheinlich 1995, erschien unter dem Titel "Das
geheimnisvolle Universum" eine zweite Ausgabe. Die astronomischen
Kenntnisse hatten sich verfeinert, aber die spektakulären Gedanken aus
dem ersten Themenheft fehlten. Man spekulierte über eine Marsmission und
die Zukunft der Raumfahrt. Noch immer stellte man die (eigentlich schon
geklärte) Frage, ob es Schwarze Löcher
(7)
gibt, noch immer nach den Neutrinos
(8)
und erstmals nach der dunklen Materie
(9).
Herausragend ist Peter Ripotas "Reise an die Grenzen des Universums". Er
führte uns zu Weißen Zwergen und anderen Sternen in der Nachbarschaft
der Sonne, zu markanten astronomischen Objekten in der Milchstraße,
durch die Lokale Gruppe
(10)
und schließlich über die Große Mauer
(11)
zum Großen Attraktor
(12).
Das war gut gemacht.
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Spektrum. Verständliche Forschung |
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Richtig
teuer waren die von "Spektrum der Wissenschaft" herausgegebenen
Themenbroschüren. Sie enthielten Aufsätze aus dem Monatsmagazin, ihre
Autoren waren durchweg von hohem Rang.
1985 erschien "Teilchen, Felder und Symmetrien" mit Aufsätzen, die bis
1975 zurück reichen. Das beherrschende Thema waren die
Elementarteilchen
(13)
und ihre innere Struktur, die aus Quarks
(14)
und Gluonen
(15)
gebildet wird. Gesucht wurde nach magnetischen Monopolen
(16)
und nach der Zerfallsdauer von Protonen
(17).
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1986
erschien "Elementare Materie, Vakuum und Felder" mit Aufsätzen, die
sogar bis 1953 zurück reichen. Ihr Blick ging noch tiefer in die innere
Struktur der Elementarteilchen und erstmals tauchten auch fundiert die
Fragen nach den Eigenschaften des Vakuums
(18)
und virtuellen Teilchen
(19)
auf. Dort, wo zunächst "Nichts" vermutet worden war, herrschten
plötzlich rege Kräfte. Die teilchenorientierte Elementarphysik zeigte
sich immer stärker an Feldern
(20),
ihren Wirkungen und Formen interessiert.
Schwere Kost.
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Verbindungen zwischen dem Kleinen und dem Großen |
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Ebenfalls
1985 erschien die Broschüre "Kosmologie. Struktur und Entwicklung des
Universums". Ihre Aufsätze reichen bis in das Jahr 1979 zurück und
betreffen die aktuellen Erkenntnisse über astronomische Objekte. Dazu
gehören das Zentrum der Milchstraße
(21),
Andromeda
(22)
und die Quasare
(23).
Mit der Entdeckung einer Gravitationslinse
(24)
wird eine der Vorhersagen von Einstein bestätigt. Tiefere kosmologische
Erwägungen werden im Zusammenhang mit Superhaufen
(25),
dem kosmischen Röntgenhintergrund
(26),
mit Raum und Zeit
(27)
und der Zukunft des Universums
(28)
angestellt.
"Die
Entstehung der Sterne" von 1986 führte diese Themen fort
(29),
wobei ursprüngliche Molekülwolken
(30),
die Prozesse ihrer Verdichtung
(31)
und schließlich Molekülstrahlungen
(32)
im Vordergrund standen. Solide und wenig spektakulär.
1990
erschien "Kosmologie und Teilchenphysik" mit neuen Aufsätzen aus der
Zeit seit dem Erscheinen der "Entstehung der Sterne". Die Aufsätze
kennzeichnen den Wandel der wissenschaftlichen Perspektive: Die Kosmologen hatten erkannt, dass sie ein komplettes Weltbild nur dann
erhalten, wenn sie die Erkenntnisse aus der Astronomie mit denen aus der
Teilchenforschung verbinden.
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Die große Aufgabe, die dahinter steckt, ist die
Vereinheitlichung
(33)
der Relativitätstheorie
(34)
für die großräumige Physik und der Quantentheorie
(35)
für die kleinräumige. Dazu werden die großen Strukturen im
Universum
(36)
(
Blasenstruktur), die Dunkle Materie
(37),
kosmologische Konstanten
(38)
und das Higgs-Boson
(39)
angesprochen. Recht neu war die Diskussion über das inflationäre
Universum
(40)
und bis heute haben sich die Themen über die verborgenen
Dimensionen (41)
der Raumzeit, über die Supersymmetrie
(42),
Superstrings
(43)
und die kosmischen Strings
(44)
gehalten.
Viele der
1990 noch spekulativ und ungesichert angesehenen Themen werden
heute als gesicherte Erkenntnisse behandelt, bis auch sie durch
wieder neue Entdeckungen relativiert oder ergänzt werden müssen.
"Kosmologie und Teilchenphysik" spiegelt die wichtigen
Diskussionen aus den Achtziger Jahren wider, ohne die zum
Beispiel das literarische Werk von
Stephen Baxter nicht denkbar gewesen wäre.
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Popularisierung. Zurückhaltender Fortschritt |
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Die
Veröffentlichungspraxis des Spektrum-Verlages änderte sich in den
Neunziger Jahren. Anstatt der im Buchhandel vertriebenen
Broschüren richtete er sich auf den Zeitschriftenhandel aus und
veröffentlicht seither Themenhefte, die etwas preiswerter sind, sich
erheblich leichter lesen lassen und leichte Abstriche an der inhaltlichen
Qualität vornehmen. Dafür erscheinen sie häufiger und können besser auf
aktuelle Entwicklungen eingehen.
Den Auftakt
machte 1994 oder 1995 ein "Spezial: Leben und Kosmos". Es behandelt die
Geschichte des Universums und der Erde und fragt nach der Entstehung
unseres Lebens, auf anderen Planeten sowie nach der Intelligenz.
Beeindruckend waren die erdgeschichtlichen Fakten, wonach die
ursprüngliche Stickstoff-Atmosphäre durch Mikroorganismen zunächst (vor
3 Milliarden Jahren) von Methan und Ammoniak befreit und dann (vor 2,5
Milliarden Jahren) mit Sauerstoff vergiftet wurde.
Das
Themenheft "Astrophysik" von 1996 schließt an "Die
Entstehung der Sterne" an und behandelt die jüngeren astronomischen
Beobachtungen und Erkenntnisse. Dabei stellen Doppel- und
Mehrfachsternensysteme
(45),
der kosmische Staub
(46),
die Entstehung des Milchstraßensystems
(47)
und sein Zentrum
(48)
sowie die Aktivitäten in anderen Galaxienzentren
(49)
die Schwerpunkte. Es schließt ab mit der Frage nach der
Expansionsgeschwindigkeit des Universums
(50).
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1998 erschien das "Dossier: Planeten Sterne und Weltraum" mit nur wenig
gewandelten Themen. Es behandelt die Suche nach außerirdischem Leben
und nach Planeten
(51) in anderen Sonnensystemen. Neben Satellitenmissionen
werden die Galaxien im frühen Universum und schließlich das
"selbstreproduzierende inflationäre Universum"
(52) angesprochen.
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Ein Jahr später, 1999, kam das "Dossier: Raumfahrt" heraus. Seine
Bestandsaufnahme betrifft die erfolgreichen Satelliten Galileo
(53),
Near
(54),
Cassini
(55),
Lunar Prospector
(56),
Stardust
(57)
und Chandra
(58)
sowie natürlich die Internationale Raumstation
(59),
das Prestigeprojekt der internationalen Zusammenarbeit in der bemannten
Raumfahrt.
Neben den schon klassischen Visionen über den Mars
(60)
[Mission
(61),
Kolonie
(62),
Terraformung
(63)]
beschäftigt sich das Themenheft mit den Raumfahrzeugen der Zukunft und
den nächsten Reisezielen im Sonnensystem.
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Zeit der Ruhe |
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Das
spektakulärste Weltraumprojekt war die Apollo-Mission
(64)
zum Mond mit seinem ersten Höhepunkt am 20.07.1969, als Neil Armstrong
als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte.
1971 landete die erste sowjetische Sonde Venera 7 weich auf der Venus
(65).
1981 wurde das erste US-amerikanische Space Shuttle in Betrieb genommen
(66),
1986 die russische Raumstation Mir
(67).
1998 begann der Aufbau der Internationalen Raumstation - ISS
(68).
Faszinierend sind vor allem auch die 1977 gestarteten
Fernerkundungssatelliten Voyager 1 und Voyager 2. Voyager 1
(69)
flog 1979 am Jupiter vorbei, 1980 am Saturn und verließ 1990 den
planetaren Bereich des Sonnensystems. Sie sendet noch heute Signale aus
16 Milliarden Kilometer Entfernung [das sind rund 1.066 astronomische
Einheiten
(70)]
und ist damit das entfernteste technische Gerät der Menschen.
Voyager 2
(71) passierte ebenfalls 1979 den Jupiter und 1981 den Saturn.
1986 erreichte sie Uranus und 1989 sogar Neptun. Sie lieferte Bilder und
Messwerte aller Gasriesen und vieler ihrer Monde in unserem
Sonnensystem. 2007 hat Voyager 2 eine Entfernung von 84 AE erreicht
gehabt.
Das erfolgreichste Satellitenprojekt ist nach meinem Eindruck das
Hubble-Weltraumteleskop
(72).
Seit 1990 liefert es interessante und aussagefähige Bilder.
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Der
wichtigste Aspekt der Raumfahrt dürfte seine kommerzielle Nutzung sein.
Die erfolgreichsten Aufgabenfelder sind sicherlich die Erderkundung
(73)
einschließlich dem Wetterdienst
(74),
die Positionsbestimmung [GPS
(75)]
und nicht zuletzt die Telekommunikation
(76)
und das Satellitenfernsehen
(77).
Die
Weltraumtechnik hat dadurch einen schleichenden Einzug in das
Alltagsleben gehalten, ohne dass sie mit spektakulären Ereignissen die große öffentliche Aufmerksamkeit erregen konnte. Selbst die
Internationale Raumstation findet - trotz aller Ambitionen - nur dann
Erwähnung in den Medien, wenn eines der betagten Space Shuttles wegen
technischer Fehler nicht wie geplant starten oder landen kann.
Für die
Raumfahrt und die kosmologische Forschung scheint tendenziell dasselbe
zu gelten. Nach den Aufbruchstimmungen in den Siebziger und Achtziger
Jahren erfolgte seither eine mehr geschäftsmäßige Abarbeit und
Fortentwicklung ohne spektakuläre Wirkungen in der Öffentlichkeit.
Diese
Tendenz hat sich auch bei der Betrachtung des schriftstellerischen
Werkes von
Stephen
Baxter gezeigt. Seine grundlegenden naturwissenschaftlichen Ideen und
Visionen stammen aus den Siebziger und Achtziger Jahren und wurden bis
in die tiefen Neunziger dem breiten Publikum vorgestellt. Damit begann
der Autor auch, sie in seinen Geschichten und Romanen zu verwerten.
Ganz neue Theorien sind nicht darunter.
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Jahrtausendwechsel und Sonnenfinsternis |
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Bereits
1995 brachte GEO ein "Extra" heraus: "Das 21. Jahrhundert. Faszination
Zukunft".
Dieses Themenheft zeigt Visionen im Hochglanz und enthält vor allem
schöne Bilder. In Bezug auf künftige Raumfahrtprojekte präsentiert es
eine Geschichte von Reinhard Breuer
(78)
über die "Meuterei auf der »Tharsos«", die im ausgehenden 21.
Jahrhundert spielt und eine Sternenreise in die Nachbarschaft der Sonne
beschreibt.
Ein neues Thema spricht das Themenheft mit den "Piraten in den
Netzen" an. Der Aufsatz befasst sich mit den frühen Formen der
Cybercrime, zum Beispiel mit dem Sniffing nach Passwörtern und dem
Spoofing, also dem Missbrauch gefälschter Computer-Identitäten, sowie
mit dem Hacking überhaupt. Als ganz besonders gefährlich betrachtet er
den umfänglichen Missbrauch urheberrechtlich geschützter Werke.
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Visionär sind tatsächlich einige Ideen, die der Autor, Dieter Brehde,
entwickelt, wenn er von manipulierter Kraftfahrzeug-Elektronik spricht,
mit der Krankenhäuser oder die Steuerungen von Fahrstühlen
angegriffen werden. Er zeichnet das Bild von der allmählichen
Durchdringung des Alltags mit Computersteuerungen und ihren potenziellen Anfälligkeiten gegen Sabotage. Über seine Warnungen sind die
Entwicklungen schnell hinweg gegangen.
19.06.2009: Inzwischen werden die Sicherheitsmängel der Autoelektronik
und der Verkehrsleittechnik offen diskutiert
(78a).
Ein anderes
Großereignis veranlasste Bild der Wissenschaft 1999 zu einem "special":
Die totale Sonnenfinsternis am 11.08.1999. Auch ich war mit meiner
Familie im verregneten München. Durch die dicken Wolken hindurch haben
wir nicht viel von dem Himmelsspektakel gesehen. Immerhin erlebten wir,
wie am Mittag plötzlich nächtliche Dunkelheit eintrat.
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sonstige Themen |
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Die Auswahl der hier präsentierten Themenhefte ist natürlich beschränkt
und lässt viele andere Wissensgebiete unberührt.
Im Grenzbereich meiner Themeninteressen sind die "großen Physiker"
angesiedelt. Das Themenheft widmet sich den verstorbenen Größen der
klassischen und schließlich der Relativitätstheorie und Quantenmechanik.
Nett zu lesen.
1997
stellte Spektrum die Frage nach "Kopf oder Computer"? Das Dossier
stellte die aktuellen Erkenntnisse der Hirnforschung dar und verband sie
mit denen zur künstlichen Intelligenz. Dahinter steckt die Frage, ob die
künstliche Intelligenz je ein Verständnis für Kultur und Ästhetik
entwickeln kann, also nicht nur rechnerische Leistungsfähigkeit hat,
sondern auch soziale und kulturelle Intelligenz.
Mit Stephen Hawking mag man fragen
(79):
Warum eigentlich nicht?
Die jüngere Hirnforschung stellt viel mehr in Frage, zum
Beispiel auch, ob der Mensch einen freien Willen hat
(80).
Das Themenumfeld "Intelligenz und Entscheidungsfreiheit" wird uns noch
lange begleiten.
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Solche
Fragen interessieren das "Dossier: Supercomputing" aus 2007 nicht. Ihm
geht es um Rechenleistung, Miniaturisierung und Quantencomputer.
Männerthemen, um es mit Tim Taylor auszudrücken, dem Heimwerkerkönig
(81).
Interessant an dem Thema "Supercomputing" ist die nur angerissene
Frage, wofür diese Technik überhaupt benötigt wird. Der erste
vollständig digitale Großrechner, Eniac
(82),
wurde vom US-Militär für ballistische Berechnungen gebraucht. Schon für
die Volkszählung 1890/1891 kamen in den USA mechanische
Tabelliermaschinen und Lochkarten zum Einsatz
(83).
Allein diese Beispiele zeigen, dass für rechenintensive Aufgaben
die zunächst mechanische und dann elektronische Unterstützung gesucht
wurde. Das gilt heute vor allem für Simulationen, also die Berechnung von
Wetter und Klima
(84),
für die industrielle Konstruktion (Fahrzeug-, Flugzeug-, Anlagenbau und
Architektur), für die Folgenabschätzung (Asteroideneinschläge) und für
gesellschaftliche Prozesse.
Ob sich ihr Einsatz lohnt ist nicht zuletzt die Frage danach, ob die
zusammenwirkenden Prozesse hinreichend verstanden werden.
Aber das ist eine andere Geschichte
(85).
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Quantenwelten |
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Bei "Schrödingers
Katze"
(86)
weiß man nicht, ob sie noch lebt oder nicht. Sie steckt in einer Kiste
mit einer Strahlenquelle, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit
ein tötendes Gift freigesetzt hat oder auch nicht. Solange man sie nicht
beobachten kann, existiert die Katze gleichzeitig in einem toten und in
einem lebendigen Zustand. Erst wenn der Beobachter die Kiste öffnet,
realisiert sich der Zustand des armen Viechs.
Schrödingers Gedankenexperiment ist grundlegend für die
Quantenmechanik, die dem Eingriff des Beobachters einen besonderen
Stellenwert einräumt. Eigentlich wollte er damit demonstrieren, dass die
Theorie unvollständig ist. Seine Kritik wurde zum konstruktiven Prinzip.
Dasselbe erlitt Einstein wegen der miteinander verschränkten
Quantenteilchen. Damit meine ich den EPR-Effekt
(87).
Die Quantenmechanik verlangt, dass sich die Eigenschaften paarweise
miteinander verbundener Elementarteilchen solange in einem Waagezustand
befinden bis eines von ihnen an einen Beobachter gerät. Durch die
Beobachtung wandelt zum Beispiel ein Lichtteilchen (Photon) seine
Eigenschaft als Welle um in die eines Teilchens - sein Partnerteilchen hingegen
auch, egal wie weit weg es sich befindet.
Gegen diese Durchbrechung der durch die Lichtgeschwindigkeit
begrenzten Kausalität hat sich Einstein Zeit seines Lebens gewendet,
ohne allerdings eine Erklärung für die Beobachtungen der Quantenforscher
zu finden.
Das
Themenheft "Schrödingers Katze. Quantenphänomene" griff 1999 die
klassischen Postulate der Quantenmechanik wieder auf und berichtete über die
aktuellen Forschungsergebnisse.
|
Neben klassischen Themen wie die Unbestimmtheit
(88)
und der Welle-Teilchen-Dualismus (89)
werden Riesenatome
(90),
Supraleiter
(91)
und die Bose-Einstein-Kondensation
(92)
angesprochen, wobei es sich um eine schon von Einstein vorhergesagte
Verklumpung von Atomen bei extrem tiefen Temperaturen handelt.
Erstmals tauchen auch die Themen Quantencomputer
(93)
und Quanten-Kryptographie
(94)
auf, über die noch heute intensiv geforscht und experimentiert wird.
Sieben
Jahre später (2006) erschien "Vom Quant zum Kosmos". Wegen alter Themen
- zum Beispiel wegen der Masse des Neutrinos
(95),
der Vereinheitlichenden Theorie
(96)
und der Dunklen Materie
(97)
- werden die neueren Erkenntnisse und Theorien dargestellt. Sie haben
durchweg einen spekulativen und visionären Charakter und lassen einen
frischen Wind erkennen.
Das wird besonders deutlich wegen der jüngsten Durchmessung der
kosmischen Hintergrundstrahlung
(98),
deren feine Unterschiede erstmals Rückschüsse auf die Strukturen und
Prozesse bei der Inflation
(99)
in der ganz frühen Phase des Universums zulassen.
Noch spekulativ sind die Ausführungen über die Dunkle Energie
(100),
die sich als "abstoßende Schwerkraft" bemerkbar machen könnte, und die
erweiterten Überlegungen über die unsichtbaren Dimensionen des
Universums
(101).
Einen wissenschaftlich untermauerten Brückenschlag zur SF-Literatur
unternimmt schließlich Anton Zeilinger
(102),
indem er die Quanten-Teleportation
(103)
beschreibt und daraus ableitet, dass das aus dem Star Trek-Universum
(104)
bekannte Beamen
(105)
jedenfalls vom Denkmodell her möglich sein könnte.
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Science 'n' Fiktion |
Parallelwelten |
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Zeilingers Spekulationen hätten ihn vor nicht allzu langer Zeit in
seinem wissenschaftlichen Umfeld unmöglich gemacht und ausgeschlossen.
Solche Eskapaden, Wissenschaft und spekulative Literatur miteinander zu
verbinden, wurde nur solchen Exoten wie
Asimov
oder Wissenschaftsjournalisten wie
Breuer zugestanden. Erst
Thorne
und
Halpern
wagten es, sich mit Wurmlöchern und Weltraumreisen zu befassen.
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Die Fernsehserie
Star Trek hat eine riesige Fan-Gemeinde und nicht zuletzt die
Kinofilme
(106)
haben immer wieder begeistert.
Lawrence M. Krauss hat 1996 "Die Physik von Star Trek"
(108)
untersucht und nach der Wahrscheinlichkeit gefragt, mit der die
literarischen Annahmen der Serie mit dem naturwissenschaftlichen Wissen
in Einklang zu bringen sind. Vieles hält er gar nicht 'mal
für unwahrscheinlich. Nur für das Beamen findet er keine rechte Erklärung.

In seinem zweiten Band, der bereits 1997 geschrieben, hier aber erst
viel später veröffentlicht wurde
(109),
widmet sich Krauss allgemeineren Fragen nach Aliens, Raumreisen und
Dunkler Materie. Der Spaß, den sein Erstling ausgelöst hat, bleibt dabei
etwas auf der Strecke. Dennoch schreibt er unterhaltsam und lesenswert.
|

2009 erschien das Themenheft "Parallelwelten" und nimmt viele bereits
bekannte Fragen wieder auf: Vereinheitlichung
(110),
Higgs-Teilchen
(111),
Strings
(112),
Dunkle Energie
(113)
und Materie
(114)
- nicht ohne ihnen neue Erkenntnisse und Facetten abzugewinnen.
Als neue Themen sind bedeutsam das Multiversum
(115),
die Schleifen-Quantengravitation
(116)
(körnige Raumzeit), der Zeitpfeil
(117)
und schließlich die spekulative gegenseitige Beeinflussung von
Parallelwelten
(118),
die bereits Everett
(119)
in den Fünfziger Jahren postuliert hat.
Beim Zeitpfeil geht es um die Erkenntnis, dass in unserer
Erfahrungswelt die Zeit nur eine Richtung von der Vergangenheit in die
Zukunft kennt. In einem Multiversum, in dem verschiedene Universen
nebeneinander bestehen, könnten auch andere mit einem umgekehrten
Zeitpfeil bestehen. Die recht spekulativen Ansätze in diesem Themenheft
fragen auch danach, ob die Universen tatsächlich voneinander getrennt
sind und nicht doch teilweise interagieren. So könnte es sein, dass ihre
Grenzen für die Gravitation durchlässig sind, so dass sich die Dunkle
Materie und Energie daraus erklären ließen.
Solche Visionen beleben die Diskussion und schließen an das Feuerwerk
von Ideen an, das die Siebziger und Achtziger Jahre bestimmt haben.
Natürlich blieben seinerzeit viele Annahmen auf der Strecke, doch andere
"schräg" angesehene haben sich erhalten und bestätigt. Das zeigt die
Stärke von Visionen, deren Elemente sich in Grenzen halten
(120).
|
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Screenshots aus dem
Trailer zum Film:
Star Trek (2009)
(107) |
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vor dem Beginn der Raumzeit |
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Stephen Hawking:
Deshalb versagen die Theorien angesichts der
Urknall-Singularität, wo die Krümmung der Raumzeit unendlich
ist. Also könnte man sich, selbst wenn es Ereignisse vor dem
Urknall gegeben hat, bei der Bestimmung dessen, was hinterher
geschehen ist, nicht auf sie beziehen, weil die
Voraussagefähigkeit am Urknall endet. Entsprechend können wir
keine Aussagen über das machen, was vorher war, wenn wir, wie es
der Fall ist, nur wissen, was seit dem Urknall geschehen ist.
Soweit es uns betrifft, können Ereignisse vor dem Urknall keine
Konsequenzen haben und sollten infolgedessen auch nicht zu
Bestandteilen eines wissenschaftlichen Modells des Universums
werden.
(123)
|
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15 Jahre
nach der ersten
Zusammenfassung kosmologischer Theorien und Arbeitsfelder erschien
2000 das neue Themenheft "Kosmologie". Es befasst sich mit der Struktur,
Ausdehnung und Zukunft des Universums und zeigt die Fortschritte der
Forschung auf. Das gilt unter anderem auch für die Quasare
(121),
von denen Dank dem
HST inzwischen hervorragende Fotos zu sehen sind
(122).
Neu ist die Frage danach, was vor dem Urknall geschah.
Die Frage danach, was vor dem Urknall war, ist lange Zeit ein Tabu
gewesen. Die Antwort lautete schlicht, dass mit dem Urknall erst Raum
und Zeit entstanden sind, so dass nach einer "Zeit" davor nicht
ernsthaft gefragt werden könne. Stellvertretend sei Stephen Hawking mit
seinen Worten aus 1988 zitiert [siehe
links,
(123)].
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Diesem
Dogma haben sich nicht alle Autoren unterworfen. Zum Beispiel nicht
Barrow und Silk, die bereits 1983 ein Mixmaster-Universum diskutiert
haben
(124),
in dem sich Ausdehnungen und Zusammenballungen zyklisch ablösen. Dem
Konzept der Zeit setzen sie eine universelle Eigenzeit entgegen, die in
eine Art Metazeit eingebettet sein könnte. Und dann stellen sie das
Konzept wieder in Frage, weil von den universellen Schwingungen Reste
verbleiben mü ssten, für die es jedenfalls keine Beobachtungen gibt.
Barrow
wurde später etwas kleinlaut und schließt mit (der vorläufigen)
Erkenntnis:
Doch die Ursprünge des Universums
können wir niemals kennen.
(125)
|
Ohne Zeit
und Raum herrscht Statik, nur sie lassen Bewegung, Entwicklung und
Prozesse zu. Auch der Urknall selber braucht zu seiner Erklärung ein
wenig Kausalität und Kausalität bedeutet, dass jedenfalls etwas Raum und
Zeit im Spiel sind und sei es auf einer abstrakten Metaebene. Insoweit
war es selbstverständlich, dass sich auch andere Wissenschaftler dem
Phänomen widmeten.
Genial ist
Atkins das Thema angegangen
(126).
Er vertrat eine Theorie nach dem Vorbild von der Quelle eines Rinnsals
bis zur Mündung eines Stromes: Alles fließt dort, wo es den geringsten
Widerstand überwinden muss.
Atkins wird nicht konkret. Er beschränkt sich auf eine
anthropologische Erklärung, wonach Kosmologie ein Prozess des Gefälles
ist: Die Welt hat sich aus sich selbst heraus erschaffen. Das mag sogar
stimmen, erklärt aber nichts.
Ich habe ihn mit Begeisterung gelesen, weil er das Thema der
Schöpfung völlig entmythologisiert hat.
|
 |
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 Ganz weit
aus dem Fenster gelehnt hat sich Pagels mit dem Titel "Die Zeit vor der
Zeit. Das Universum bis zum Urknall"
(127).
Er betreibt jedoch Etikettenschwindel, weil er sich nur mit der Inflation
und ihren Anfangsbedingungen nach der Planck-Zeit beschäftigt.
Hawking
hat gemeint, wir könnten nicht weiter zurück als bis zur Planck-Zeit
schauen, die das erste Quantum der Zeit ist
(128).
Die Inflation soll jedoch viel "später" stattgefunden haben, nämlich
erst nach 10-33 bis 10-30 Sekunden. Das sind
mindestens 10
Milliarden Zeitquanten später. Mit dieser Zeitspanne beschäftigte sich
Pagels, ohne die Planck-Zeit anzukratzen.
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Auch Rees beschäftigte sich noch 10 Jahre später im wesentlichen mit der
Inflationsphase und fragte halbherzig nach einer eigenen Zeitrechnung in
anderen Universen
(129).
Den Durchbruch gelang wieder einmal Hawking, indem er über
Baby-Universen spekulierte und seine Überlegungen später wieder
verwarf.
Die neue
Theorie aus dem
Spektrum-Dossier postuliert ein Inflaton-Feld, das zu einem
Blasenuniversum führt, in dem die inflationäre Phase nichts anderes ist
als ein Phasenübergang wie der, in dem sich Wasser bei Abkühlung zu Eis
verdichtet und ausdehnt.
|
Ich kann
dem nicht mehr als laienhafte Intuitionen beisteuern. Den Ausschlag gibt mir
Atkins, der schlicht und einfach postulierte, dass sich
physikalische Prozesse immer gegen den geringsten Widerstand entwickeln.
Wenn dem so ist, gibt es für das Ereignis des Urknalls am
Ereignishorizont der Planck-Zeit nur die Erklärung, dass das Universum
in eine Metasphäre eingebunden sein muss, weil er einen Prozess
darstellt, der jedenfalls einer rudimentären Raumzeit bedarf, um sich
entwickeln zu können. Das Ereignis selber wird nur erklärlich, wenn es
sich um eine Fluktuation nach dem Vorbild
virtueller Teilchen handelt oder eine verwobene Struktur nach
Maßgabe eines
Multiversums besteht, in dem reale Universen an die Oberfläche ihrer
eigenen Raumzeit geraten und je nach ihren Anfangsbedingungen wieder in
ihre Metastruktur zurückkehren, also verschwinden.
Darin ist viel Stoff für die SF-Literatur enthalten.
Die
wissenschaftliche Dimension der kosmologischen Forschung hat sich
erheblich erweitert.
Sie geht weg von der isolierten Betrachtung unserer Welt. Auch wenn
wir nur diese, unsere Weltumgebung wahrnehmen können, so ist es von
vornherein nicht ausgeschlossen, dass Wechselwirkungen auf einer
Metaebene stattfinden. Anlass zu diesen Überlegungen geben die Wirkungen
der bislang unerklärten Dunklen Energien und Schwerkraften.
Sollten sie intrauniversiell erklärt werden können, schwöre ich
wieder ab.
|
 |
Sonnensystem. Zwergplaneten |
Leben im All |
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 |
Eher
traditionellen Themen widmet sich das Themenheft über die "Trabanten der
Sonne" (2001). Es behandelt auch selten vertretene Themen wie die
Kleinplaneten
(130),
der Kuiper-Gürtel
(131) und die Oortsche Wolke
(132).
Zwergplaneten
Das Themenheft behandelt noch nicht die Entthronung des Plutos
(133).
Bis 2006 galt er als äußerer und neunter Planet der Sonne mit einer
exzentrischen Umlaufbahn, die streckenweise innerhalb des entferntesten
Gasriesen, dem Neptun
(134)
verläuft. Mit der Entdeckung weiterer kleiner Objekte jenseits Plutos
Bahn
(135)
[Quaoar, Sedna] richtete sich das Interesse auch auf Pluto und seinen
Partner Charon als Doppelplanet
(136).
Im August 2006 tagte die Internationale Astronomische Union in Prag und
beriet über die Definition des kleinen Planeten und der Neuentdeckungen
(137).
Das Ergebnis: Pluto und die neuen Objekten wurden zu Zwergplaneten
degradiert, die sich von den - nunmehr acht - "echten" Planeten dadurch
unterscheiden, dass sie keine nahezu kreisförmige Umlaufbahn um die
Sonne haben und nicht dazu beitragen, ihre Umgebungen von anderen
Objekten freizuräumen
(138).
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Nur ein
Jahr später folgte das Themenheft "Leben im All" (2002), dem es um die
Bausteine des Lebens und den Mechanismen seines Entstehens geht.
Dazu werden Extrembiotope auf der Erde beschrieben und vor allem die
Panspermien-Theorie aufgenommen.

Mit dieser Theorie haben sich 1978 die Astronomen Hoyle und
Wickramasinghe hervorgetan, indem sie behaupteten, das Leben sei nicht
auf der Erde entstanden, sondern zu ihr mit Meteoriten aus dem Weltraum
gelangt
(139).
Die Diskussion darüber hat nie ganz aufgehört und durch
neue Forschungsergebnisse immer wieder Nahrung erhalten
(140).
Damit wurde weniger das organische Leben als solches zum Modethema, sondern die Frage nach intelligentem Leben und außerirdischen
Zivilisationen. Die Astronomen, zum Beispiel Asimov
(141)
oder die Koautoren Trefil und Rood
(142),
vertraten eine eher optimistische und Erben
(143)
als Evolutionsbiologe eine eher pessimistische Position; andere äußerten
Unfug über lebende Galaxien
(144)
und UFOs
(145).
Ernüchternd ist schließlich auch das Fazit in dem Themenheft: Bis 2002
war im Zusammenhang mit SETI
(146)
ein Umkreis von 4.000 Lichtjahren durchmustert worden, ohne dass Signale
intelligenten Ursprungs entdeckt wurden.
Ist da draußen doch niemand?
|
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 |
Telepolis. Aliens |
Kosmologie |
 |
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Telepolis ist ein Online-Magazin des Heise Verlages. Seine Redaktion
wird auch als
Herausgeber einer Buchserie tätig und gelegentlich auch von
Themenheften.
2005 wagte sich Telepolis das erste Mal, die Themen Raumfahrt,
Exobiologie und
SETI zum Schwerpunkt zu machen: Wie Forscher und Raumfahrer Aliens
aufspüren wollen. Das Heft wurde wegen seiner gut lesbaren und
spannenden Beiträge ein Volltreffer. Alle drei hier angesprochenen
Themenhefte wurden von Harald Zaun herausgegeben.
Auch wenn in den drei zwischenzeitlich vergangenen Jahren noch immer
kein Signal erkannt worden war, beurteilen die in Wissenschaft und
Journalismus anerkannten Autoren die Suche nach anderen Intelligenzen in
der Galaxis hoffnungsvoller als noch die im
Spektrum-Dossier. Die SETI-Methoden und die damit verbundenen
Vorstellungen über die interstellare Kommunikation und (vor allem)
Verständigung sowie über die Vorstellungen der Exobiologen über die
Formen außerirdischen Lebens werden von ihnen anschaulich beschrieben.
Der Beitrag
über die möglichen Antriebe von Raumschiffen für interstellare Reisen
hat nicht viel Neues geboten
(147),
was ein Beleg für die Seriosität des Heftes ist.
Richtig begeistert hat mich schließlich der Aufsatz über die
besondere Feldtheorie des Burkhard Heim. Sie steht im Widerspruch zu
Einsteins Relativitätstheorie und wirkt etwas verschroben, kann
für sich jedoch auch in Anspruch nehmen, geschlossen und
widerspruchsfrei zu sein. Vorher habe ich von dieser bereits 60
Jahre alten Theorie nichts mitbekommen.
|
2007 folgte
das Themenheft "Kosmologie. Jenseits von Zeit und Raum", auf das ich
bereits
eingegangen bin.
Es behandelt die Themen, die man von ihm erwarten kann, mit frischem
Stil und Spannung: Zeitpfeil
(148),
Multiversum
(149),
Baby-Universen
(150),
die Prozesse vor dem Urknall
(151)
und schließlich Zeitreisen
(152).
Die Stärke der Autoren ist ihre Verständlichkeit. Das gilt in
wunderbarer Weise für den Beitrag von Rüdiger Vaas
(153),
der Gödels
(154)
Lösungen aus 1949 für ein
rotierendes, geschlossenes, stationäres
Universum darstellt, die auf eine kreisförmige Zeit hinaus laufen.
Er zitiert Gödel:
Wenn wir
nämlich mit einem Raumschiff eine Rundfahrt in einer genügend großen
Kurve machen, ist es in diesen Welten möglich, in eine beliebige Region
der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft und wieder zurück zu reisen,
genau so, wie es in anderen Welten möglich ist, in entfernte Teile des
Raums zu reisen.
Dazu sind jedoch Reisegeschwindigkeiten von mehr als 50 Prozent der
Lichtgeschwindigkeit erforderlich und viel Zeit: Für die
Wiederkehrzeit des Lichts zu einer Materieweltlinie erhält man einen
Wert von etwa 30 Milliarden Jahren. Dann ist ein Lichtstrahl also einmal
"um das Universum herum" gekreist.
Eine "schwache Zeitmaschine", wie Vaas meint [im Gegensatz zu
"starken", die im Zusammenhang mit Wurmlöchern diskutiert werden
(155)]. |
 |
Zukunft |
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 |
Das jüngste
Themenheft von Telepolis, "Zukunft. Die Welt in 1000 Jahren" (2009)
versucht, die Menschheitsentwicklung in den Vordergrund zu stellen und
Perspektiven zu entwickeln.
Das Heft schließt den Kreis, der mit
P.M. und der damals typischen Aufbruchsstimmung begann. Es stellt
die Fragen nach der künftigen Raumfahrt, der technologischen Entwicklung
und das Überleben der Menschheit.
Ein anspruchsvolles Unterfangen, das nicht gelingen kann, weil die
Parameter künftiger Schlüsselereignisse und die Prozesse, die sie
auslösen, nicht vorhergesehen werden können. Wer hätte die Wirkungen der
Dampfmaschine, des Verbrennungsmotors, der Telefonie, des Rundfunks, des
Computers oder des Internets voraussagen können?
Das sind nur technische Schlüsselereignisse aus den letzten 200
Jahren. Politische, wirtschaftliche und kulturelle müssen zusätzlich
betrachtet werden.
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 |
Fazit |
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Mehr als
150
Anmerkungen und 18 Verweise auf Sachbücher sprechen für sich: Die
Themenhefte reflektieren die Themen ihrer Zeit, bildeten zunächst eine
Avantgarde, fielen dann im
Interesse eines breiten Publikums zurück und bekamen einen neuen
Aufwind durch die
Hefte von Telepolis.
Sie sprechen alle jeweils aktuellen Themen an und widmen sich auch
spekulativen Visionen, soweit sie mit den Standards der
wissenschaftlichen Vorstellungswelt noch irgendwie in Einklang zu
bringen sind.
Das macht sie lesenswert und spannend, weil sie nicht kontinuierlich
über die kleinen Schritte des wissenschaftlichen Fortschritts und den
damit verbundenen Irrwegen berichten, sondern Zwischenergebnisse
zusammen fassen und daraus Perspektiven entwickeln.
Die
Themenhefte und die Sachbücher, auf die ich verwiesen habe, zeigen einen
wachsenden Mut der Naturwissenschaftler, auch dem Publikum außerhalb des
Wissenschaftsbetriebs ihre Vorstellungen und Visionen zu vermitteln. Das
ist gut so, weil sie inzwischen nicht mehr befürchten müssen, sich als
Wissenschaftler in ihrer Gemeinde auszusondern. Sie mögen belächelt,
aber nicht mehr ausgeschlossen werden.
Ihr Engagement vermittelt den Mut, auch unpopuläre Schlüsse ziehen zu
können, wenn man als denkender Mensch jedenfalls auch bereit ist, von
Fehlern wieder Abstand zu nehmen. Eines der positiven Beispiele dafür
ist Stephen Hawking.
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Die
subjektive Auswahl, die hier zum Tragen gekommen ist, zeigt
gleichzeitig, dass alle wesentlichen Visionen über das Begreifen der
Welt, also die Kosmologie, aufgenommen und popularisiert wurden.
Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert und wichtig:
Spätestens seit Einstein und die Forschergruppe um Planck und Heisenberg
hat sich erwiesen, dass Erfolg versprechende Gedankenmodelle über das
Funktionieren der Welt zunächst sehr visionär sind und spinnert wirken.
Die Experimente, zu denen sie Veranlassung gaben, haben jedenfalls viele
ältere Visionen bestätigt und bestehen lassen. Ihre jüngeren
Varianten in Bezug auf Superstrings, eingefaltete Dimensionen und
Wurmlöcher müssen sich erst noch behaupten. Sie können scheitern. Die
mehr als exotische Vorstellung von Schwarzen Löchern hat sich hingegen
bis zur Sicherheit bestätigt.
Die vor 20 bis 30 Jahren entwickelten kosmologischen Visionen sind nicht
nur zurückhaltend in Sachbüchern und Themenheften verarbeitet worden,
sondern auch in der Science Fiktion-Literatur. Sie haben ihr gut getan,
weil sie die Phantasie von Autoren und Lesern bewegt haben.
Die zukunftsgerichtete Auseinandersetzung mit den Erscheinungsformen
der Vergangenheit und der Gegenwart muss nicht richtig sein. Sie
beschreibt eine Entwicklung, die zu befürchten oder zu erhoffen ist.
Ohne ihre perspektivischen Mahnungen und Hoffnungen blieben Stillstand
und Unmut.
Visionen
sind wichtig und gut, wenn der Visionär bereit ist, sie als falsch wieder
zu verwerfen. Das unterscheidet ihn vom Dogmatiker.
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