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Mai 2010
15.05.2010 Verkehrsdaten
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Auskunft der Bundesregierung über Verkehrsdaten

 
Anordnungen nach § 100g StPO
vom 01.05.2008 bis zum 31.08.2009
20.543 Anordnungen insgesamt
19.877 Erstanordnungen
666 Verlängerungsanordnungen

10.359 Ermittlungsverfahren wegen
7.355 Katalogstraftaten nach § 100a II StPO
2.751 sonstige bedeutende Straftaten
1.263 Straftaten mittels Telekommunikation

8.551 Zugriffe auf gespeicherte Verkehrsdaten
4.707 davon auf Vorratsdaten

11.992 Protokolldaten
  Quelle: Bundesregierung (1)
 

 
Die Antwort der Bundesregierung vom 23.04.2010 (1) gibt Auskunft über den Zugriff auf Verkehrsdaten während der Geltung der Einstweiligen Anordnungen des BVerfG im Zusammenhang mit der Prüfung der §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO (2).

Die letzten Jahreszahlen hat das Bundesamt für Justiz für das Jahr 2008 veröffentlich (3). Die Zahlenwerke sind nicht miteinander vergleichbar, weil sie verschiedene Erfassungszeiträume und Erhebungsvorgaben betreffen.

Für den 16-monatigen Erfassungszeitraum wurden bundesweit 20.543 gerichtliche Anordnungen zur Auskunft über Verkehrsdaten berichtet.

Insoweit müssen drei Gruppen von Verkehrsdaten unterschieden werden:

gespeicherte Verkehrsdaten nach § 96 TKG,
die für Abrechnungs- und technische Zwecke vom Zugangsprovider gespeichert und kurzfristig gelöscht werden müssen.

Vorratsdaten gemäß §§ 113a TKG,
die für sechs Monate gespeichert werden mussten. Insoweit hat das BVerfG jetzt die Provider angewiesen, diese Daten zu löschen.

aktuelle Verkehrsdaten (Protokolldaten),
die bei der laufenden Telekommunikation anfallen.
 

 
Nichtig nach dem Richterspruch sind allein die "echten" Vorratsdaten aus der zweiten Fallgruppe. Gespeicherte und aktuelle Verkehrsdaten dürfen weiterhin aufgrund einer gerichtlichen Anordnung gemäß 100g StPO für die Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden.

Nach der Statistik des Bundes haben knapp 12.000 Anordnungen auf die Protokollierung von aktuellen Verkehrsdaten gelautet. Auf gespeicherte wurde nur 8.551 Mal zugegriffen (retrograde Datenerhebung), das sind 41, 6 % der Zugriffsfälle.

Davon entfielen 4.707 Zugriffe auf "echte" Vorratsdaten, so dass sie nur für ein gutes Fünftel aller Zugriffe nötig waren (22,9 %).

Daraus folgt, dass der Zugriff auf Verkehrsdaten im Strafverfahren im Wesentlichen die Protokolldaten betrifft. Im Hinblick auf die retrograden Daten überwiegt der Zugriff auf Vorratsdaten leicht.

Die Auskunft über Protokolldaten dürfte in aller Regel gleichzeitig mit einer Überwachung der Telekommunikation erfolgt sein ( § 100a StPO). Danach wurde bei der Erhebung nicht gefragt.

Wenn meine Vermutung zutrifft, dann werden Protokolldaten ganz überwiegend im Zusammenhang mit besonders schweren Straftaten aus dem Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO erhoben, den das BVerfG als Maßstab und Grenze für schwere Grundrechtseingriffe akzeptiert (4).
 

zurück zum Verweis geringer Anteil Vorratsdaten

 

 
Anordnungen über Verkehrsdaten erfolgten immerhin in 10.359 Ermittlungsverfahren. Davon betrafen 7.355 Verfahren besonders schwere Straftaten gemäß § 100a Abs. 2 StPO; das sind 71,0 %.

Unter den Beschränkungen, die das BVerfG mit seinen Einstweiligen Anordnungen getroffen hat, erfolgten nur in diesen Fällen tatsächlich Auskünfte an die Strafverfolgungsbehörden. In den verbleibenden Fällen (29,0 %) waren die Zugangsprovider zur Speicherung und Zurückhaltung verpflichtet (Freeze-Verfahren). Diese Daten wurden jetzt, wie gesagt gelöscht.

Überraschend ist die geringe Zahl der Anordnungen, die allgemeine Straftaten mittels der Telekommunikation betreffen. Mit 1.263 Verfahren machen sie gerade 12,2 % aller Ermittlungsverfahren aus.

Mitursächlich für diesen kleinen Anteil könnte sein, dass die Staatsanwaltschaften gar nicht erst versucht haben, gerichtliche Anordnungen zu bekommen, weil sie für die aktuellen Verfahrensentscheidungen unwirksam geblieben wären.

Die Zahlen aus den Sondererhebungen lassen jedenfalls den Schluss zu, dass im Zusammenhang mit der Verfolgung der besonders schweren Kriminalität die Verkehrsdaten ein wichtiger Bestandteil der Ermittlungen sind.
 

 
Eine qualitative Aussage dazu, in wie vielen Fällen Vorrats- und überhaupt Verkehrsdaten zur Überführung von Tätern geführt haben, ist nicht möglich. Diese Frage hätte nicht einfach nur nach einer formellen Sondererhebung verlangt, sondern nach einer inhaltlichen Qualitätskontrolle, die erhebliche Personalressourcen und Geld gekostet hätte.

Das bemängeln jetzt die üblichen Verdächtigen (5).

Unter fachlichen Gesichtspunkten macht die Frage auch wenig Sinn. Verkehrsdaten geben keine Auskünfte über Personen, sondern über die Standorte von Endgeräten sowie über die Verbindungen und Verbindungsdauern, die die Endgeräte aufgebaut und durchgeführt haben.

Eine Zuordnung zu Personen kann nur anhand weiterer Anhaltspunkte und ihnen folgend weiterer Erfahrungen erfolgen. Der BGH spricht insoweit immer wieder von der gebotenen Gesamtschau (6). Ihre Stärke ist die präzise Bestimmung von Kommunikationsvorgängen, mit denen Tätergruppen eingegrenzt und ihre Handlungsorte nachvollzogen werden können.

Eine größere Bedeutung kommt insoweit den Bestandsdaten zu, die hier nicht das Thema sind.

 

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(1) BT-Drs. 17/1482

(2) Einzelheiten: Umgang mit Verkehrsdaten, 07.03.2010

(3) BAJ, Übersicht Verkehrsdatenerhebung (Maßnahmen nach § 100g StPO) für 2008, Stand: 24.08.2009

(4) Klarstellung vom Bundesverfassungsgericht, 2007
 


(5) Florian Rötzer, Bundesregierung kann nicht sagen, ob Vorratsdaten zur Strafverfolgung erforderlich waren, Telepolis 07.05.2010

(6) Beweiswürdigung im Revisionsverfahren, 14.05.2010
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018