Anordnungen nach § 100g StPO
vom 01.05.2008 bis zum 31.08.2009 |
20.543 |
Anordnungen insgesamt |
19.877 |
Erstanordnungen |
666 |
Verlängerungsanordnungen |
|
10.359 |
Ermittlungsverfahren wegen |
7.355 |
Katalogstraftaten nach § 100a II StPO |
2.751 |
sonstige bedeutende Straftaten |
1.263 |
Straftaten mittels Telekommunikation |
|
8.551 |
Zugriffe auf gespeicherte Verkehrsdaten |
4.707 |
davon auf Vorratsdaten |
|
11.992 |
Protokolldaten |
|
Quelle: Bundesregierung
(1) |
|
|
Die Antwort
der Bundesregierung vom 23.04.2010
(1)
gibt Auskunft über den Zugriff auf Verkehrsdaten während der Geltung der
Einstweiligen Anordnungen des BVerfG im Zusammenhang mit der Prüfung der
§§ 113a,
113b
TKG,
100g StPO
(2).
Die letzten Jahreszahlen hat das
Bundesamt für Justiz für das Jahr 2008 veröffentlich
(3).
Die Zahlenwerke sind nicht miteinander vergleichbar, weil sie
verschiedene Erfassungszeiträume und Erhebungsvorgaben betreffen.
Für den
16-monatigen Erfassungszeitraum wurden bundesweit 20.543 gerichtliche
Anordnungen zur Auskunft über Verkehrsdaten berichtet.
Insoweit müssen drei Gruppen von Verkehrsdaten unterschieden werden:
gespeicherte Verkehrsdaten
nach
§ 96 TKG,
die für Abrechnungs- und technische Zwecke vom Zugangsprovider
gespeichert und kurzfristig gelöscht werden müssen.
Vorratsdaten gemäß
§§ 113a TKG,
die für sechs Monate gespeichert werden mussten. Insoweit hat das BVerfG
jetzt die Provider angewiesen, diese Daten zu löschen.
aktuelle Verkehrsdaten (Protokolldaten),
die bei der laufenden Telekommunikation anfallen.
|
Nichtig
nach dem Richterspruch sind allein die "echten" Vorratsdaten aus der
zweiten Fallgruppe. Gespeicherte und aktuelle Verkehrsdaten dürfen
weiterhin aufgrund einer gerichtlichen Anordnung gemäß
100g StPO für die Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden.
Nach der
Statistik des Bundes haben knapp 12.000 Anordnungen auf die
Protokollierung von aktuellen Verkehrsdaten gelautet. Auf gespeicherte
wurde nur 8.551 Mal zugegriffen (retrograde Datenerhebung), das sind 41,
6 % der Zugriffsfälle.
Davon entfielen 4.707 Zugriffe auf "echte" Vorratsdaten, so dass sie
nur für ein gutes Fünftel aller Zugriffe nötig waren (22,9 %).
Daraus
folgt, dass der Zugriff auf Verkehrsdaten im Strafverfahren im
Wesentlichen die Protokolldaten betrifft. Im Hinblick auf die
retrograden Daten überwiegt der Zugriff auf Vorratsdaten leicht.
Die
Auskunft über Protokolldaten dürfte in aller Regel gleichzeitig mit
einer Überwachung der Telekommunikation erfolgt sein (
§ 100a StPO). Danach wurde bei der Erhebung nicht gefragt.
Wenn meine Vermutung zutrifft, dann werden Protokolldaten ganz
überwiegend im Zusammenhang mit besonders schweren Straftaten aus dem
Straftatenkatalog des
§ 100a Abs. 2 StPO erhoben, den das BVerfG als Maßstab und Grenze
für schwere Grundrechtseingriffe akzeptiert
(4).
|
|
Anordnungen
über Verkehrsdaten erfolgten immerhin in 10.359 Ermittlungsverfahren.
Davon betrafen 7.355 Verfahren besonders schwere Straftaten gemäß
§ 100a Abs. 2 StPO; das sind 71,0 %.
Unter den Beschränkungen, die das BVerfG mit seinen Einstweiligen
Anordnungen getroffen hat, erfolgten nur in diesen Fällen tatsächlich
Auskünfte an die Strafverfolgungsbehörden. In den verbleibenden Fällen
(29,0 %) waren die Zugangsprovider zur Speicherung und Zurückhaltung
verpflichtet (Freeze-Verfahren). Diese Daten wurden jetzt, wie gesagt
gelöscht.
Überraschend ist die geringe Zahl der Anordnungen, die allgemeine
Straftaten mittels der Telekommunikation betreffen. Mit 1.263 Verfahren
machen sie gerade 12,2 % aller Ermittlungsverfahren aus.
Mitursächlich für diesen kleinen Anteil könnte sein, dass die
Staatsanwaltschaften gar nicht erst versucht haben, gerichtliche
Anordnungen zu bekommen, weil sie für die aktuellen
Verfahrensentscheidungen unwirksam geblieben wären.
Die Zahlen
aus den Sondererhebungen lassen jedenfalls den Schluss zu, dass im
Zusammenhang mit der Verfolgung der besonders schweren Kriminalität die
Verkehrsdaten ein wichtiger Bestandteil der Ermittlungen sind.
|
Eine
qualitative Aussage dazu, in wie vielen Fällen Vorrats- und überhaupt
Verkehrsdaten zur Überführung von Tätern geführt haben, ist nicht
möglich. Diese Frage hätte nicht einfach nur nach einer formellen
Sondererhebung verlangt, sondern nach einer inhaltlichen
Qualitätskontrolle, die erhebliche Personalressourcen und Geld gekostet
hätte.
Das bemängeln jetzt die üblichen Verdächtigen
(5).
Unter
fachlichen Gesichtspunkten macht die Frage auch wenig Sinn.
Verkehrsdaten geben keine Auskünfte über Personen, sondern über die
Standorte von Endgeräten sowie über die Verbindungen und
Verbindungsdauern, die die Endgeräte aufgebaut und durchgeführt haben.
Eine Zuordnung zu Personen kann nur anhand weiterer Anhaltspunkte und
ihnen folgend weiterer Erfahrungen erfolgen. Der BGH spricht insoweit
immer wieder von der gebotenen Gesamtschau
(6).
Ihre Stärke ist die präzise Bestimmung von Kommunikationsvorgängen, mit
denen Tätergruppen eingegrenzt und ihre Handlungsorte nachvollzogen
werden können.
Eine
größere Bedeutung kommt insoweit den
Bestandsdaten zu, die hier nicht das Thema sind.
|