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strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen
Untersuchung an der Person, medizinische Untersuchungen
Sicherstellung und Untersuchung von Beweisstücken Datenerhebung, Datenauswertung
Personenbeweis
verdeckte Ermittlungen
öffentliche Fahndung
Freiheitsentziehung
vorläufige Sicherungsmaßnahmen
Anhang
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Verkehrsdaten
Bestandsdaten und dynamische IP-Adressen
Verkehrsdaten
Verkehrsdaten im Mobiltelefon
Datenabgleich
Rasterfahndung
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Im Zentrum der Beschreibung der Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit
digitalen Daten stehen die Bestands- und Verkehrsdaten aus der
Telekommunikation. Die sie betreffenden Ausführungen werden deshalb auch
an den Anfang gesetzt.
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Verkehrsdaten |
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Bis zur Neufassung des Telekommunikationsgesetzes am 22.06.2004 war die
Rede von Verbindungsdaten. Jetzt spricht das TKG von
Verkehrsdaten,
die es in
§ 3
Nr. 30 TKG als solche Daten definiert, die bei der Erbringung eines
Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.
Darin unterscheiden sie sich von den
Bestandsdaten, die die Daten eines Teilnehmers
betreffen, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung
oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über
Telekommunikationsdienste erhoben werden (
§ 3 Nr. 3 TKG).
Die Verkehrsdaten darf der Provider gemäß
§ 96
TKG aus verschiedenen Gründen speichern. Das betrifft vorrangig die
Entgeltabrechnung (
§ 97 TKG) und den Störungsdienst (
§ 100 TKG). Wegen Telekommunikationsdienste auf der Grundlage einer
Pauschalvergütung (Flatrate) wird überwiegend ein Anrecht auf die
Speicherung der Verkehrsdaten abgelehnt
(1).
Wegen der öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienste für
Endnutzer hat
§
113a TKG seit dem 01.01.2008 eine sechsmonatige Speicherungspflicht
für Verkehrsdaten eingeführt, die in der öffentlichen Diskussion als
Vorratsdatenhaltung
bezeichnet wird
(2).
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Die speicherpflichtigen Verkehrsdaten umfassen die Festnetz-, mobilen
Telefondienste und die Internettelefonie (
§ 113a Abs. 2 TKG), die elektronische Post (
§ 113a Abs. 3 TKG) und die Internetzugangsdienste (
§ 113a Abs. 4 TKG).
Neben dem Zeitpunkt des Verbindungsaufbaus ist auch immer die Dauer
der Verbindung zu dokumentieren. Das Gesetz verlangt darüber hinaus nach
einer vollständigen Dokumentation, so dass auch alle Stationen einer
Weiterschaltung (
§ 113a Abs. 2 Nr. 1 TKG) und die genutzten Telefondienste erfasst
sind (
§ 113a Abs. 2 Nr. 3 TKG). Wegen der mobilen Telefondienste werden
ausdrücklich die Speicherung der Teilnehmerkennung (IMSI
(3);
§
113a Abs. 2 Nr. 4 a) TKG), der Gerätekennung (IMEI
(4);
§
113a Abs. 2 Nr. 4 b) TKG) und der Geodaten
(5)
der Teilnehmer verlangt (
§ 113a Abs. 2 Nr. 4 c) TKG). Die Speicherpflicht beschränkt sich auf
die Funkzellen bei Beginn der Verbindung und umfasst nicht etwa auch die
vollständigen
Bewegungsdaten. |
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Bestandsdaten und dynamische IP-Adressen |
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Über die Bestandsdaten müssen die Telekommunikationsdienste den
Strafverfolgungsbehörden, namentlich der Polizei und der
Staatsanwaltschaft, entweder im automatisierten Auskunftsverfahren
- vermittelt über die Bundesnetzagentur - (
§ 112 TKG) oder im manuellem Auskunftsverfahren Auskunft erteilen (
§ 113 TKG). Ein
staatsanwaltschaftliches Auskunftsersuchen (
§ 161a Abs. 1 StPO) ist nicht erforderlich, kann sich aber anbieten,
wenn gleichzeitig nach den Kontoverbindungen oder nach weiteren
Verträgen gefragt wird.
Ein alter Streit besteht wegen der Frage, ob eine schlichte
Bestandsdatenabfrage auch dann vorliegt, wenn den Strafverfolgern nur
die dynamische IP-Adresse des Betroffenen bekannt ist. Dabei besteht die
Besonderheit, dass das auskunftspflichtige Unternehmen zunächst anhand
seiner Verkehrsdaten erheben muss, welchem seiner Kunden zu einem
bestimmten Zeitpunkt die wechselnde IP-Adresse zugewiesen war, um
daraufhin Auskunft über die Bestandsdaten geben zu können.
Anfangs bestand die überwiegende Meinung, dass in diesen Fällen ein
gerichtlicher Beschluss mit der Verpflichtung zur Auskunft über (damals
noch) Verbindungsdaten vorliegen müsse. Im Zusammenhang mit dem Gesetz
zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums
(6)
hat der Bundesrat die unterschiedlichen Meinungen dazu referiert
(7).
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Bis zur StPO-Reform zum 01.01.2008 war es vor Allem das LG Köln
(8),
das der hier vertretenen Meinung folgte, dass auch in diesem Fall die
Bestandsdatenregel gilt, weil sich die Auskunft selber nur auf
Bestandsdaten erstreckt und der Provider nicht auch Verkehrsdaten
mitteilt.
Der Streit dauert aber auch noch in jüngerer Zeit an. Dabei
beschränken sich manche Kommentatoren darauf
(9),
die jüngere, aber falsche Entscheidung des
LG
Frankenthal wahrzunehmen
(10)
und nicht auch die zutreffende des
LG
Offenburg
(11),
das sich auf das seit Januar 2008 geltende Recht stützt.
Die aus meiner Sicht zutreffende Argumentationshilfe gibt die
Auslegungsregel des
§ 14
Abs. 2 Telemediengesetz - TMG, auf die der Bundesrat im
Gesetzgebungsverfahren hingewiesen hat [auch
(7)].
Danach sind die Anbieter von Telemedien uneingeschränkt zur Auskunft
über Bestandsdaten verpflichtet und das ungeachtet der Daten, die sie
intern für die Beauskunftung benötigen. Eine ausdrückliche Klarstellung
enthalten aber erst die Neufassungen, die das Gesetz zur Verbesserung
der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentum
anordnet.
Die dadurch eingeführte Verwendungskontrolle hat keine Entsprechung im
TKG oder in der StPO, so dass sie nicht als Auslegungshilfe (auch nicht
gegen die hier vertretene Meinung) wirken kann.
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Verkehrsdaten |
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§
100g Abs. 1 StPO kennt zwei Anwendungszwecke: Entweder die
Erforschung des Sachverhalts (Ermittlung) oder die Ermittlung des
Aufenthaltsortes des Beschuldigten (Fahndung). Zugleich unterscheidet er
zwischen besonders schweren Straftaten nach Maßgabe des
Straftatenkataloges des
§ 100a
Abs. 2 StPO und jenen, die mittels Telekommunikation begangen wurden
( §
100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1., 2. StPO). Im Zusammenhang mit den reinen
TK-Straftaten ist die Erhebung von
Bewegungsdaten
(Erhebung von Standortdaten in Echtzeit) zu Fahndungszwecken
ausgeschlossen ( §
100g Abs. 1 S. 2 StPO). Immer ist es erforderlich, dass die Maßnahme
zu ihrem besonderen Zweck erforderlich ist und nicht durch andere
Maßnahmen ersetzt werden kann. Wegen der reinen TK-Straftaten muss die
Strafverfolgung durch andere Maßnahmen sogar aussichtslos sein.
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§
100g Abs. 2 StPO schließt sich den Ausführungsregeln der
§§
100a Abs. 3 und
100b
Abs. 1 bis 4 S. 1 StPO an. Somit darf sich die Maßnahme nur gegen
den Beschuldigten selber oder den Nachrichtenmittler richten.
Zur Anordnung, die schriftlich erfolgen muss (
100b Abs. 2 S. 1 StPO), ist das Gericht berufen (
100b Abs. 2 S. 1 StPO). Bei GiV ist die Staatsanwaltschaft zur
Anordnung befugt, die jedoch binnen drei Werktage gerichtlich bestätigt
werden muss (
100b Abs. 1 S. 1, 2 StPO). Sie muss auf höchstens drei Monate
befristet sein und darf nur um jeweils drei Monate verlängert werden (
100b Abs. 1 S. 3, 4 StPO).
Die Maßnahme muss unverzüglich beendet werden, wenn die Voraussetzungen
ihrer Anordnung entfallen (
100b Abs. 4 S. 1 StPO). Nach der Beendung ist das Gericht über das
Ergebnis zu unterrichten (
100b Abs. 4 S. 2 StPO). Darüber hinaus sieht
§
101 StPO besondere Mitteilungs- und Belehrungspflichten vor, die
unter Umständen nur durch das Gericht angeordnet werden können.
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Die Daten, die als Verkehrsdaten abgefordert werden können, haben sehr
unterschiedliche Aussagewerte.
Im Zusammenhang mit der Aufklärung von Straftaten sind die
zurückliegenden "Vorratsdaten" von besonderer Bedeutung. Sie ermöglichen
den Nachweis, dass mit einem bestimmten Endgerät eine bestimmte
Telekommunikationsverbindung hergestellt wurde, die an anderer Stelle
protokolliert ist. Wegen bandenmäßiger Strukturen lassen sich dadurch
auch Kontaktleute ermitteln, bei denen es sich möglicherweise um
Mittäter, Hehler oder potentielle Opfer handelt. Die Verkehrsdaten
können nur einen ersten Anhaltspunkt liefern und müssen schließlich mit
anderen Ermittlungsmethoden ergänzt werden.
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DDie
Geodaten der Vergangenheit belegen die Anwesenheit eines
bestimmten Endgerätes (Handy) in einer bestimmten Funkzelle zu einem
bestimmten Zeitpunkt. Besonders wegen Serientäter lassen sich damit
bislang unbekannte Tatorte erkunden. Allerdings sind die Funkzellen im
ländlichen Bereich so großräumig und wegen ihrer
Ausbreitung
unregelmäßig, dass eine präzise Funkzellenmessung erforderlich ist und
sie in jedem Fall durch begleitende Beweismittel unterstützt werden
müssen.
Die laufende Protokollierung der
Bewegungsdaten ist für den Zugriff bei
einer bekanntermaßen geplanten Straftat und zu Fahndungszwecken
sinnvoll. Sie verraten in groben Zügen den Standort des Endgerätes und
seine Bewegungsrichtung.
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Verkehrsdaten im Mobiltelefon |
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Für das Auslesen der Verkehrsdaten aus einem sichergestellten
Mobiltelefon gelten die Vorschriften über die
Beschlagnahme (
§ 94 Abs. 2 StPO).
Das ergibt sich inzwischen ausdrücklich aus
§
100g Abs. 3 StPO, nachdem das Bundesverfassungsgericht bestimmt
hatte
(12),
dass diese Daten besonders
geschützt werden durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch
Art. 13 Abs. 1 GG, nicht aber durch die besonderen
Eingriffsbeschränkungen des
§
100g StPO.
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Dasselbe gilt für andere körperliche Dokumentationen, z.B. für einen
Einzelverbindungsnachweis in gedruckter Form. |
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Datenabgleich |
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Der maschinelle Datenabgleich ist die gezielte Übertragung und
Bewertung von
Erkenntnissen aus anderen Ermittlungsverfahren (oder
Vollstreckungsverfahren) der Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Er
wird von
§ 98c StPO zugelassen, um Straftaten aufzuklären oder den
Aufenthaltsort von Tätern und Verurteilten zu ermitteln.
Im Zusammenhang mit der
Organisierten Kriminalität ist insoweit häufig die Rede von
Strukturermittlungen (
Initiativermittlungen). Sie werden, auch ohne dass bereits ein
Anfangsverdacht besteht, im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens geführt, um Täterbeziehungen und ihre
Verbindungen zu erkennen.
Bei ihnen handelt es sich in aller Regel nicht um einen maschinellen
Datenabgleich, sondern um die intellektuelle Analyse von Protokollen und
anderen Aktenbestandteilen.
Eingriffsmaßnahmen wie etwa Durchsuchungen oder förmliche Vernehmungen
sind in diesem Stadium nicht erlaubt.
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Die
Neufassungen des
§
477 Abs. 2 StPO wegen des
Exports verdeckt erlangter Kenntnisse
und des
§ 161
Abs. 2 StPO wegen ihres Imports beschränken die Verwertbarkeit
dieser Ermittlungsergebnisse. Das führt dazu, dass etwa die Erkenntnisse
aus einer Überwachung der Telekommunikation nur dann in einem anderen
Ermittlungsverfahren verwertet werden dürfen, wenn es wegen einer
Straftat aus dem
Straftatenkatalog des
§ 100a
Abs. 2 StPO geführt wird.
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Rasterfahndung |
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Bei der
Rasterfahndung gemäß
§ 98a
StPO handelt es sich um den maschinellen Vergleich verschiedener
Datenbestände anhand von vorgegebenen Prüfmerkmalen, die auf den Täter
vermutlich zutreffen. Dabei werden die
Quellen aufgrund eines Profils über die Eigenarten, Vorgehensweisen und
Lebensumstände eines mutmaßlichen Täters wegen ihrer Schnittmenge
untersucht,
um Nichtverdächtigte auszuschließen oder Personen festzustellen, die
weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten siehe
Rasterfahndung.
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Anmerkungen |
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(1)
Zum Beispiel LG Darmstadt,
Urteil vom 07.12.2005 - 25 S 118/2005 - wegen der IP-Adressen;
anders noch: Regierungspräsidium Darmstadt,
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Schreiben vom 14.01.2003 - II 21.4-3v-04/03-043/02
(2)
Vorratsdatenhaltung ab 2009; Übergangsregelung für die
Vorratsdatenspeicherung: Art. 16 Abs. 2 des
Gesetzes
zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG
(Gesetzentwurf vom 27.06.2007, Inkrafttreten am 01.01.2009).
Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2008 die Verwertung von
Verkehrsdaten für die Strafverfolgung vorläufig (bis zu einer
abschließenden Entscheidung) auf die Straftaten beschränkt, die im
Straftatenkatalog des
§ 100a
Abs. 2 StPO aufgeführt sind;
BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 BvR 256/08;
Verwertung von Vorratsdaten nur wegen schwerer Kriminalität.
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(3)
International Mobile Subscriber Identity - IMSI
(4)
International Mobile Equipment Identity - IMEI
(5)
Mobilfunk;
Geodaten,
Bewegungsdaten
(6) Schutz
des geistigen Eigentums
(7)
verschiedene Meinungen in der Rechtsprechung
(8)
LG
Köln,
Urteil vom 12.09.2007 -
28 O 339/07, JurPC
(9)
Marc Störing, Ermittlungschaos. Unklare Rechtsgrundlage bei
staatlichen Ermittlungen im Netz, c't 17/2008, S. 174 (
kostenpflichtiger Download);
siehe auch
-Unfug.
(10)
Beschluss des LG Frankenthal vom 21.05.2008 - 6 O 156/08, bei
jur-blog.de
(11)
Beschluss des LG Offenbach vom 18.04.2008 - 3 Qs 83/07
(12)
BVerfG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04;
siehe auch
Methodik.
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |