|
Kampf um Rechte, Geld und Freizügigkeit im Internet
Lobbyblower
(1), Verwertungsrechte, Textschnipsel, Zitate
Urheberrechte versus
Informationsrecht
|

Heimlichkeiten |
Das
Internet ist zu einem Bestandteil des öffentlichen Lebens geworden.
Seine Attraktivität zeigt sich besonders darin, dass es Informationsquellen
birgt, die so einfach, schnell und grenzüberschreitend bislang nicht
erreichbar waren.
Die heutige Bedeutung des Netzes hängt zunächst von der technischen
Infrastruktur ab, die das Netz und seine Verfügbarkeit überhaupt erst
ermöglicht. Ohne die Menschen und Einrichtungen, die sich in ihm äußern
und es zur Verbreitung von Informationen nutzen, bliebe die
Infrastruktur aber öde und leer.
Das Internet lebt durch die Anbieter von Informationen. Sie bewegen sich
in keinem rechtsfreien Raum und je weiter die kommerzielle Nutzung des
Netzes voranschreitet, desto härter werden auch die Auseinandersetzungen
um Freiräume, Interessenausgleiche und Beschränkungen.
Die Forderungen der Zeitschriftenverlage ( Freiheit für Snippets)
zeigen die eine Seite des Konflikts zwischen Marktchancen einerseits und
Informationsfreiheit andererseits. Sie fordern eigene
Leistungsschutzrechte, um von Google und Co. Geld dafür zu bekommen,
dass sie ihre Veröffentlichungen im Wortlaut publik machen. Sie denken
genauso kurz wie der Kläger, der erfolglos gegen Vorschaubilder geklagt
hat ( Zitat und Vorschaubild).
Das ist der gelebte Widerspruch: Ohne Suchmaschinen und ohne Links
blieben die meisten Informationsquellen unerkannt. Darauf wollen die
Eiferer auch nicht verzichten, schließlich wollen sie sich nur neue und
exklusive Erwerbsquellen erschließen.
Das erinnert an
Trittbrettfahrerei und ist widersprüchliches Verhalten, das der BGH
zu recht auflaufen ließ (
wasch mich ...).
|
Freiheit für Snippets
Qualitätsjournalismus
Zitat und Vorschaubild
wasch mich, aber mach mich nicht nass
Trittbrettfahrer
alles ist frei?
Heimlichkeiten
sichere Häfen
Netzpolitik
Lobbyblower abblitzen lassen
Die extreme
Gegenposition praktiziert Wikileaks ( Heimlichkeiten)
und veröffentlicht zeitgeschichtlich bedeutende Dokumente, die deren
Urheber nicht veröffentlicht sehen möchten.
In diesem
Umfeld beginnt erneut eine breitere Diskussion um die Netzpolitik,
die auch dringend nötig ist, um das Internet als eine Umgebung für
verschiedene Prozesse zu begreifen, die verschiedene Umgebungsvariablen
möglich machen. Das Internet als solches gibt es nicht mehr. Es ist zum
Universalnetz geworden, das verschiedenen Formen der Privatheit Rechnung
tragen muss und dazu verschiedene Regelwerke benötigt. In ihm tummeln
sich eben nicht nur Gutmenschen und Schlechtmenschen, sondern alle.
Der erste
Schritt zur Lösung wäre tatsächlich ein allgemeingültiges Manifest zur
Netzpolitik, das das Gemeininteresse in den Vordergrund stellt und
partikularen Interessen eine Absage erteilt. Das gilt besonders für die,
die die Entwicklungen verschlafen haben und jetzt den Lauten machen.
|
 |
Freiheit für Snippets |
Qualitätsjournalismus |
Eine moderne Gesellschaft basiert ganz wesentlich auf journalistischen
Medien. Sie sollen die Fliehkräfte bändigen, Kompliziertes verstehbar
machen, zu Übersicht und Integration beitragen – und als eine Art
Frühwarnsystem rechtzeitig auf Krisen aufmerksam machen. Und: Sie sollen
Journalistinnen und Journalisten beschäftigen, denen wir vertrauen
können, weil sie kompetent und unabhängig sind.
(2) |
© ®
™
|
Ins Visir
der Zeitschriftenverlage sind vor allem die großen Suchmaschinen
geraten, die die Veröffentlichungen der Verlage nicht nur indizieren,
sondern als Suchergebnisse samt Überschrift und Textauszug präsentieren.
Nicht um das zu verhindern, sondern um dafür Geld zu bekommen, verlangen
sie nach einem eigenen Leistungsschutzrecht.
Damit setzt sich Jörg Heidrich in der
auseinander
(3)
und lässt die Vertreter des Für und Widers zu Wort kommen
(4).
Die Verlage beklagen Umsatzrückgänge bei den Printausgaben und zu
geringe Werbeeinnahmen aus dem Onlinegeschäft. Ein Verlagssterben sei
zwar noch nicht eingetreten, aber ebenso vorhersehbar wie Einbußen beim
Qualitätsjournalismus.
Die Wiedergaben von Überschriften und Textauszügen werden "Snippets"
genannt. Sie unterscheiden sich von Zitaten dadurch, dass sie ungezielt
und ohne journalistische Bearbeitung erfolgen. Dabei darf man die
technischen Finessen nicht unterschätzen, die die Suchmaschinenbetreiber
einsetzen, um Suchergebnisse zu optimieren und unter
Relevanzgesichtspunkten hervorzuheben. Ihnen kommt dabei das
journalistische Handwerkszeug entgegen, wonach in aller Regel die
Kernaussagen eines Textes in der Überschrift und in der ersten
Textpassage zum Tragen kommen.
Snippets
sind nach geltendem Recht in aller Regel frei von vergütungspflichtigen
Verwertungsrechten, weil das Urheberrecht
nur Werke mit einer gewissen „Schöpfungshöhe“ <schützt>,
unter die kurze Texte nur ausnahmsweise eingeordnet werden können. Das
Urheberrecht schützt zunächst die geistige Leistung des Schaffenden. Die
Verwertungsrechte der Verlage sind daraus abgeleitet und im Ergebnis
gewerbliche Schutzrechte, die nur mittelbar den Schaffenden zugute
kommen.
|
Deshalb
wird von der Lobby auch nicht der Profit hervorgehoben, sondern das Gespenst vom Tod
des Qualitätsjournalismus. Dieser Begriff wird bislang aber mehr qualitativ
als hehrer Anspruch als quantitativ und prüfbar definiert. Zu seiner
Erforschung hat die Uni Hamburg einen eigenen Lehrstuhl eingerichtet
(5).
Streckenweise ist der anspruchsvolle Journalismus dank eigener
Anstrengungen der Online-Journale auf der Strecke geblieben, wie der
instinktorientierte Balz-Journalismus zeigt
(6).
Damit stellt sich die Frage nach der Qualität von Informationen und dem
Wandel, den das Internet bewirkt hat. Das klassische Wissen ist ganz
überwiegend durch die
Wikipedia und andere Quellen frei zugänglich. Dasselbe gilt etwa für
die Gesetzestexte und die Rechtsprechung
(7),
für Wörterbücher und Übersetzungshilfen. In diesen Bereichen des
kognitiven Wissens ist der Markt für Printwerke sicherlich geschmolzen.
Das hat eine positive, demokratische Kehrseite: Wissen ist frei zugänglich und
verfügbar geworden.
Die intellektuelle Leistung ist dann konkurrenzfähig und hat die Chance,
sich zu verkaufen, wenn sie
Exklusivwissen anbietet, das auf Recherche und Bewertung beruht, oder Wissen
kombiniert und bearbeitet, also es auf Zusammenhänge und vergleichbare
Erscheinungen anwendet (Transfer).
Der
Kritiker Kreutzer befürchtet von dem Vorstoß der Verlage eine
Einschränkung der Kommunikationsfreiheit, weil sie auch banale
Wortreihen monopolisieren wollen. Das geltende Recht sieht er nicht
als Schutzlücke, sondern als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers
zugunsten der Meinungsfreiheit an, deren Grundlage der Zugang zu
Informationen ist.
|
 |
Zitat und Vorschaubild |
wasch mich, aber mach mich nicht nass |
Für den
Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwischen den
verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des
Zitierenden hergestellt wird (...). Zitate sollen als Belegstelle oder
Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden der
Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen (...). Es genügt
daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Werks nur zum Ziel hat,
dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst
eigene Ausführungen zu ersparen (...).
(8) |
|
Ein ganzer
Abschnitt mit 33 Paragraphen des Urhebergesetzes beschäftigt sich heute mit den
Schranken des Urheberrechts. Darunter sind auch die
Berichterstattung über Tagesereignisse (
§ 50 UrhG) und die Zitate im Rahmen des durch den Zweck gebotenen
Umfangs freigestellt (
§ 51 UrhG). Der Umfang allein dieses Abschnitts zeigt das mehr oder
weniger verzweifelte Bemühen des Gesetzgebers um einen
Interessenausgleich zwischen Urheber und Öffentlichkeit.
Das Zitatrecht hat der BGH jüngst bestätigt und klargestellt, dass
das Zitat nur als Belegstelle und als Erörterungsgrundlage zulässig ist. Das
Zugänglichmachen der Quelle allein ist kein zulässiges Motiv für den
Erlaubnistatbestand
(8).
Diese Frage
ist von besonderer Bedeutung wegen der Vorschaubilder, die zum Beispiel
bei der Bildersuche anzeigt werden. Dabei wird nicht nur der Link zur Quelle
präsentiert, sondern auch eine verkleinerte Version des Bildes, die z.B.
von Google selber hergestellt und gespeichert wird. Das ist, so der BGH,
eine eigene Nutzungshandlung (
§ 19a UrhG), keine freie Bearbeitung im Sinne von
§ 3 UrhG und auch kein Zitat. Denn das Vorschaubild dient
dazu, das Werk um seiner selbst willen als Vorschaubild der
Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen. Vorschaubilder werden in einem
automatisierten Verfahren in die Trefferliste eingefügt, ohne dass
dieser Vorgang als solcher der geistigen Auseinandersetzung mit dem
übernommenen Werk dienen soll
(9).
Der BGH sieht aber eine
schlichte Einwilligung in die
Urheberrechtsverletzung darin, dass der Urheberrechtsinhaber seine
Werke im Internet veröffentlicht,
ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die
Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch
Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen
(10).
|
Diese
Wendung ist genial und zweischneidig zugleich. Jeder Urheber darf über
seine Verwertungsrechte frei entscheiden. Das Recht zwingt ihn nicht,
seine Werke frei zugänglich im Internet zu veröffentlichen, wo sie
Crawlern
(11)
ausgesetzt sind. Im Übrigen steht es ihm frei, technische
Sicherungsmaßnahmen einzusetzen. Davon gibt es mindestens vier:
Der Befehl "noindex" im Header einer Datei soll Suchmaschinen davon
abhalten, diese Datei zu indizieren. Die meisten halten sich auch daran.
Die blöde Folge ist nur, dass dann die Seite als Ganze nicht indiziert
und von der Suchmaschine nicht ausgewiesen wird. Aber das wollen ja
gerade die meisten gewerblichen Anbieter erreichen und setzen alles
daran, ihre Seiten dafür zu optimieren.
Der Befehl "nofollow" im Header einer Datei soll Suchmaschinen daran
hindern, zu verlinkten Seiten und Objekten zu wechseln. Die blöde Folge
ist nur, dass dann die Suchmaschine das zum Kauf angebotene Werk gar
nicht als Grafik erkennt und es in der Bildersuche nicht erscheint.
Man kann seine Werke auch in geschützten Benutzergruppen ablegen, deren
Zugang nach einer Autorisierung verlangt. Das blöde ist nur ... wie
gehabt, man bleibt damit potenziellen Käufern gegenüber unsichtbar.
Man kann - jedenfalls dynamisch generierte - Webseiten vor dem Zugriff
von Crawlern aktiv schützen und sogar steuern, wer zum Seitenaufruf
berechtigt ist und was er tatsächlich zu sehen bekommt. Das ist nicht
nur aufwändig, sondern auch blöd ...
Der BGH
wendet sich gegen widersprüchliches Verhalten, das einerseits das
Internet und seine Dienste verkaufsfördernd nutzen will und andererseits
die Mimose herauskehrt, wenn dabei eigene Befindlichkeiten betroffen
werden. Das kann man auch böse ausdrücken: Der Anbieter will einerseits
kostenlose Popularität bekommen und andererseits jeden Furz zu Geld
machen. Rücksichtsnahme, Interessenausgleich und Fairness schwinden
dabei zu unbekannten Begriffen.
|
 |
Trittbrettfahrer |
alles ist frei? |
|
Wer sind
die Trittbrettfahrer?
Die Suchmaschinenbetreiber, die krakengleich das Internet nach
Informationen abgrasen, sammeln, speichern, auswerten und wieder
präsentieren?
Ja! Sie machen ihr Geschäft unbefragt, geben aber auch wieder etwas zurück,
ohne dem das Internet nicht seine heutige Qualität hätte
(12).
Die privaten, in aller Regel altruistischen Anbieter von Inhalten,
Wörtern und Bildern?
Nein! Sie verfolgen in aller Regel kein Geschäft, zahlen mehr als sie
als Partner großer Veranstalter einnehmen und stecken unbezahlte
Arbeitskraft und -zeit in ihr Hobby. Sie sind das begehrte Futter für
die Haie in der Internetkultur, die Abmahner, die wegen vermeintlicher
oder kleiner Regelverletzungen entrüstet tuenden Anwaltsmanufakturen mit
angeschlossenen Recherche- und Inkassowerkbänken. Sie geben der
Internetkultur nichts und tun
alles, um Profit zu saugen: Money for nothing
(13).
Die im Internet aktiven Verlage?
Nein! Sie tragen zur Qualität des Internets bei und stellen Dienste zur
Verfügung, die es sonst nicht gäbe. Das beste Beispiel dafür ist der
Heise-Verlag; er muss Einnahmen und Profit machen, weil er
qualifizierte Leute beschäftigt. Dennoch verbreitet er über seinen
Ticker und mehrere Themensparten kostenfreie Informationen, die nebenbei
auch auf kostenpflichtige Angebote verweisen.
Die verschlafenen Verlage?
Ja! Für sie gilt dasselbe wie für die Musikindustrie, die sich auf ihren
Tonträgern und GEMA-Gebühren ausgeruht hat. Plötzlich tun sie entrüstet,
wollen jeden Mist vergütet bekommen und verweigern sich jeder
Qualitätskontrolle, also dem Markt, der die dumme Eigenschaft hat,
überflüssige oder schlechte Produkte durch mangelnde Nachfrage
abzustrafen.
|
Nein!
Meinungsfreiheit und Streit müssen in einer demokratischen Umgebung
möglich und straflos sein! Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit
fremden Inhalten und Äußerungen. Damit ist die Forderung nach einer gewissen Gelassenheit
verbunden, wenn eine Äußerung die gebotene Toleranz überschreitet oder eine Aktion
lästig wird. Ich halte mich dabei an die alte Dame Rosa Luxemburg:
Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.
Wegen der Schutzrechte gilt dasselbe. Eine Marke lebt davon, dass sie
in vieler Munde ist. Wer als Autor totgeschwiegen wird, ist als Autor
tot. Wer aus der öffentlichen Aufmerksamkeit seinen Profit oder seinen
Selbstwert zieht, darf sich nicht entrüsten, wenn ihm aus dieser
Öffentlichkeit heraus der Spiegel vorgehalten wird und nicht alles so
glänzt, wie es der Protagonist gerne hätte.
Die Grenzen sind auch klar: Man darf sich nicht mit fremden Federn
schmücken. Das gilt gleichermaßen für Wörter, Bilder und transferierte
Zusammenhänge.
Meine Konsequenz daraus ist: Lauterkeit.
Wo ich Bezug auf fremde Inhalte nehme, muss ich zitieren - und dazu
reicht ein einfacher Link auf die Quelle im Internet. Der BGH lehrt uns,
dass jeder, der sich im Internet öffentlich tummelt, sein
grundsätzliches Einverständnis dazu gibt, zitiert zu werden. Das
Zitatrecht ist jedenfalls dann überschritten, wenn fremde Texte als
Ganzes und ohne Zusammenhang und ohne intellektuelle
Auseinandersetzung veröffentlicht werden. Das ist Schmarotzerei und der
Piraterie in Bezug auf hochwertige Software und Vorpremierenfilmen
jedenfalls ähnlich.
|
 |
Heimlichkeiten |
sichere Häfen |
WikiLeaks
ist eine Internet-Plattform, auf der anonym Dokumente veröffentlicht
werden können, bei denen ein öffentliches Interesse angenommen wird.
(14) |
|
Am
04.03.2005 wurde die italienische Journalistin Guiliana Sgrena von ihren
Entführern im Irak freigelassen
(15).
Auf der Fahrt zum Flughafen wurden sie und ihre Begleiter von einer
US-Streife beschossen, wobei Nicola Calipari erschossen wurde.
Zwei
Monate später veröffentlichte das Pentagon einen Untersuchungsbericht,
der vor allem Schwärzungen enthielt. Das peinliche PDF-Dokument ist noch
heute im Archiv der italienischen Tageszeitung Corriere della sera
verfügbar
(16).
Peinlich ist das Dokument deshalb, weil die Schwärzungen nur
oberflächlich sind. Im eingebetteten Rohtext sind alle Namen und
geheimhaltungswürdigen Fakten erhalten
(17).
Wenn man den Text markiert und in einen Editor kopiert, wird alles
lesbar (
Großansicht).
Wikileaks
hingegen überlässt die Veröffentlichung von Peinlichkeiten nicht dem
Zufall oder der Dummheit der Urheber. Der Plattform geht es nicht um die
Themen der Regenbogenpresse, sondern um solche Dokumente, die von
zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. Zuletzt machte sie mit der
Veröffentlichung von
fast 92.000 meist geheimen Dokumente des US-Militärs über die
Situation in Afghanistan Furore
(18).
Knapp 100 Beiträge in Wikileaks beschäftigen sich mit deutschen
Themen. Dort sind keine Journalisten tätig, sondern die "Gemeinde" kann
alle Dokumente einspeisen, ohne Strafverfolgung oder andere Sanktionen
befürchten zu müssen. Möglich machen das
Anonymisierer und ein sicherer Serverstandort in Schweden
(19).
|
Das
US-Militär fordert die Löschung und Herausgabe der Afghanistan-Dokumente
und versteigt sich zu der Behauptung, sie seien trotz ihrer
Veröffentlichung immer noch geheim
(20).
Der Tonfall lässt erwarten, das Commodore Matthew Perry alsbald vor
schwedischen Küsten kreuzt
(21).
Wikileaks
ist ein Whistleblower
(22), der bei unredlichem Verhalten laut gibt.
Seine Veröffentlichungspraxis ist gefährlich für seine Betreiber. Auch
der deutsche Gesetzgeber spricht insoweit nicht etwa von Investigativem
Journalismus
(23),
sondern von
Landesverrat.
Wikileaks
zeigt, dass bestimmte brisante Informationen nur dann im Internet
veröffentlicht werden können, wenn gleichzeitig die Technik und die
Mitarbeiter vor obrigkeitlichen Zugriffen abgeschottet werden. Darin -
und nur darin - ist Wikileaks den sicheren Häfen der Schurkenprovider
vergleichbar
(24).
Wikileaks
ist ein politisches Projekt, das sich der Aufklärung verpflichtet sieht.
Es verdient Respekt, auch wenn der schale Geschmack bleibt, dass nicht
alle Veröffentlichungen allein deshalb berechtigt und gut sind, weil sie
erfolgen. Andererseits bildet Wikileaks eine Gegenöffentlichkeit, die
sich gegen Geheimnistuerei und Verschleierungen gegenüber der
Öffentlichkeit wendet und das vor Allem in totalitären Regimen. Die
Region China ist immerhin mit 215 Seiten vertreten.
|
 |
Netzpolitik |
Lobbyblower abblitzen lassen |
|
Unterschiedlicher können sie nicht sein, die netzpolitischen Thesen des
Bundesinnenministers
(25)
mit ihrer Tendenz zur Regulierung und Verrechtlichung des Internets und
des Chaos Computer Clubs -
(26)
- mit der strikten Forderung nach Freiheit und Eierkuchen.
Der Aufforderung de Maizières zur Diskussion der Thesen sind
bahnbrechende 220 Leute gefolgt
(27)
und sie wenden sich mehrheitlich gegen mehr rechtliche Bindungen, für
Anonymität und eine benutzerfreundliche Technik
(28).
Blamabel!
Die
Beispiele zeigen, dass der Kampf ums Internet im vollen Gange ist. In
ihm stoßen wirtschaftliche Interessen, Profiteure, Freiheitskämpfer und
bemühte Regulatoren aufeinander mit Wertvorstellungen, die nur wenige
Gemeinsamkeiten und viele Antagonismen, also unauflösbare Widersprüche
haben.
Bemerkenswert ist, dass dabei vermehrt auch Stimmen laut werden, die die
bürgerlichen Freiheiten ermahnen. Auch dahinter steckt gelegentlich das
Motiv, das Internet als sanktionslosen Freiraum zu erhalten. Das ist es
schon längst nicht mehr, wie die technisch aufgerüsteten Abmahner
zeigen. In ihre Fänge geraten aber nur die Unbedarften und die, die
keine Vorkehrungen vor ihrer Enttarnung treffen.
Wikileaks
und die Cybercrime - so verschieden sie auch aufgestellt sind - zeigen
eine gefährliche Tendenz zur Teilung des Internets in eine saubere
Oberstadt, in der Regeln gelten und durchgesetzt werden, und eine
abgeschottete Unterstadt, die frei, tendenziell anarchisch und ein
Bisschen schmuddelig ist.
|
Deshalb
ist die Diskussion um die Netzpolitik wichtig und sinnvoll. Dabei sind
de Maizières und die Beiträge des
erheblich
wichtiger
(29) als die der Lobbyisten, denen die Unehrlichkeit in aller Regel
auf die Stirn geschrieben ist.
Manche Widersprüche könnten sich bei einer differenzierten
Betrachtung vermeiden und auflösen lassen, wenn das Internet endlich
nicht als einheitliches Ganzes begriffen wird, sondern als Umgebung für
verschiedene Aktivitäten, für die auch verschiedene Regeln gelten
können.
Das kommerzielle Netz braucht tatsächlich gesicherte
Umgebungsvariablen. Es kann im Zusammenhang mit Alltagsgeschäften mit
der Anonymität leben, wenn die Tauschprozesse abgesichert sind. Wenn ich
im Supermarkt einkaufe, dann muss ich nicht auch gleich meinen Ausweis
zücken und meinen Datenschatten zur freien Verfügung stellen. Erst bei
wirklich werthaltigen Geschäften oder Informationstauschen müssen die
Partner die Identität und Berechtigung des jeweils anderen kennen und
prüfen.
Anders sieht es hingegen aus, wenn es um die Meinungsfreiheit und den
Streit um inhaltliche Fragen geht. Weder Staat noch Wirtschaft haben
insoweit ein berechtigtes Interesse daran, dass sich alle Beteiligten
mit Namenskärtchen und persönlichem Profil vorstellen. Spätestens dann,
wenn es um politische Mehrheiten und Überzeugungsbildung geht, müssen
sich die Beteiligten sowieso offenbaren.
Grundsätzlich will niemand, dass das Internet zu Straftaten und zum
Schaden anderer missbraucht wird. An dieser Stelle ist tatsächlich die
Politik gefragt, die auch Überzeugungsbildung betreiben muss. Das
verlangt in erster Linie nach politischem Selbstbewusstsein und einer
klaren Vorstellung davon, welche und wessen Interessen vor- und
nachrangig sind. Das hilft auch gegen Lobbyblower und ist längst
überfällig.
|
 |
Anmerkungen |
|
(1)
"Lobbyblower" ist eine Wortschöpfung von mir, die an den Whistleblower [
(22)] angelehnt ist. Es handelt sich um die lauten "Bläser", die bei
jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Interessen ihrer
Auftraggeber in den Vordergrund spielen, ohne sich einen Deut um die
Interessen anderer zu kümmern. Bei Google sind bislang nur Quellen
bekannt, in denen zwei voneinander getrennte Wörter verwendet werden.
(2)
Siegfried Weischenberg, Qualitätsjournalismus ist ein
Kulturgut,
DieGesellschafter.de 19.05.2009
(3)
Joerg Heidrich, Kulturkampf. Streit um das
Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010
(4)
ebenda:
Christoph Fiedler, Pro Leistungsschutzrecht
Till Kreutzer, Kontra Leistungsschutzrecht
(5)
Volker Lilienthal
(6)
anspruchslose Entlohnung, 21.03.2009
(7)
die wichtigsten Adressen im Internet, 31.07.2010
(8)
BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 69/08, Rn 26.
(9)
(8), Rn. 27.
(10)
(8), Rn. 36.
(11)
Spionage-Krabbeler, 20.10.2009
(12)
Nicht alles, was Google macht, ist deshalb schon gut und richtig. Nicht
richtig finde ich die ungefragte Indixierung ganzer Bücher und ihre
Veröffentlichung als Faksimile. Das ist jedoch eine andere Geschichte.
(13)
Ein plastisches Abrechnungsbeispiel wird bei
wikileaks präsentiert:
DRS Praesentation zur Gewinnverbesserung durch
Abmahnungverfahren, 02 February 2009.
Von 450 € Abmahngebühr bekommt der Rechteinhaber 90 € und der Rest
entfällt auf die Technik- und Rechtsverfolgungskosten. Da jubelt auch
der Rechteinhaber, weil er durch verfolgte illegale Downloads den
150-fachen Preis als auf dem legalen Markt erlöst.
Das ist kein Einzelfall:
Unanständiges Geschäftsmodell.
|
(14)
WikiLeaks
(15)
Giuliana Sgrena. Entführung ...
(16)
Background ...
(17)
Pentagon blamiert sich mit geschwärztem PDF-Dokument, Heise online
02.05.2005
(18)
Florian Rötzer, NFI. 56 Killed None(None) Insurgent,
Telepolis 26.07.2010;
David Talbot, Wo ist das Leck in Wikileaks?
Technology Review 02.08.2010
(19)
Künftig könnte Wikileaks auf Island angesiedelt sein:
Isländisches Parlament macht sich für Medien- und Datenfreihafen stark,
Heise online 17.06.2010.
(20)
Pentagon verbietet US-Soldaten den Zugriff auf die von Wikileaks
veröffentlichten Dokumente, Telepolis 07.08.2010
(21)
Kanonenbootpolitik. Japan 1853
(22)
Whistleblower
(23)
Investigativer Journalismus
(24)
Rogue Provider, 13.07.2008
(25)
Thomas de Maizière, 14 Thesen
zu den Grundlagen einer gemeinsamen
Netzpolitik der Zukunft, BMI 22.06.2010
(26)
CCC, Forderungen für ein lebenswertes Netz, CCC
19.07.2010
(27)
Auswertung der E-Konsultation zu de Maizières netzpolitischen Thesen
veröffentlicht, Heise online 05.08.2010
(28)
BMI, Dialog beendet - die Bewertungen zu den Thesen!
(29)
Das gilt auch für die Forderungen des DBK zur Bekämpfung der Cybercrime:
Internet-Reset.
|
 |
Cyberfahnder |
|
© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |