Dabei wird allerdings der bisher nicht gewürdigte Umstand in Betracht zu
ziehen sein, dass dem Vermögensdelikt eine Auseinandersetzung zwischen
Verbrechern zugrunde liegt, die der Nebenkläger durch seine Mitwirkung
an der Entführungstat im Sinne eines schuldhaften Vorverhaltens selbst
mit verursacht hatte.
(1)
<Rn 7> |
Es ist ohne Weiteres zu erwarten, dass ein in Deutschland seit vielen
Jahren lebender ausländischer Mitbürger die Ge- und Verbote
der hier
geltenden und ihm bekannten Rechtsordnung akzeptiert und insoweit in der
Lage ist, sich von abweichenden Vorstellungen und Erfahrungen in seinem
Heimatland freizumachen.
(5)
<Rn 14> |
|
11-03-29
Opfer sind
nicht immer nette Menschen, sondern können auch ihrerseits Verbrecher
sein. Sie werden dadurch nicht vogelfrei oder - m.a.W. - zum Freiwild.
Dennoch ist in die Würdigung der Schuld, die immerhin die Strafschwere
bestimmt, auch das schuldhafte Vorverhalten des Opfers einzubeziehen. So
zu recht der BGH [Kasten
links oben,
(1)].
Seit Jahren
läuft die Gebetsmühle aus Anlass des Migrationshintergrundes von
keineswegs immer nur kleinkriminellen Straftätern
(2):
Aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes hätten sie ganz andere
Wertvorstellungen als die Eingeborenen hierzulande und im Knast gehe es
ihnen besonders schlecht, weil sie sich nicht verständigen könnten.
Deshalb bräuchten sie kürzere Strafen und müssten besonders schnell in
ihre Heimat und zu ihrer Familie abgeschoben werden. Das gelte natürlich
auch für solche Hintergrundmigranten, die in Deutschland aufgewachsen
sind.
Dem Unfug von der besonderen Strafempfindlichkeit ist der BGH im Juli
des letzten Jahres entgegen getreten
(3).
Über die Grenzen der gastgebenden Toleranz bei schweren Straftaten,
angeblichen Ehrenmorden, Zwangsheiraten, sklavischen Unterwerfungen,
sexuellen Verstümmelungen oder Gewaltexzessen habe ich mich bereits
böswillig ausgelassen
(4).
Ganz klare Worte findet der BGH jetzt wegen eines mutmaßlichen
Totschlägers, der in Deutschland aufgewachsen ist, zwei akademische
Ausbildungen abgeschlossen hat und seine dreijährige, eingenässte und
nervende Tochter schlug, worauf sie in der Badewanne ertrank. Er darf
sich nicht einfach auf archaisch anmutende, ihm nur überlieferte
heimatliche Erziehungsmethoden berufen, sondern hat sein Kind gefälligst
zu retten [Kasten
links Mitte,
(5)],
zumal er mit seiner (heftigen ?) Ohrfeige die Ursache für das Ertrinken
seines Kindes gesetzt hat.
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Ein
moderner Evergreen der Strafrechtspraxis ist die Verständigung. Dieser
"Deal" wurde vom Gesetzgeber 2009 mit ausgekünstelten Einzelheiten
geregelt und formalisiert
(6).
Der BGH hat dem unmutigen Entgegenkommen der Tatgerichte im Zuge von
Verfahrensabsprachen eine Reihe von Grenzen gesetzt und vor allem klar
gemacht, dass Rechtsfragen und die willkürliche Unterschreitung
angemessener Strafen nicht verhandlungsfähig sind
(7).
Dem folgt das Gericht auch jetzt, indem es die rechtliche Frage nach
dem Vorliegen von Qualifikationsmerkmalen von der Verständigung
ausschließt [Kasten
links unten,
(8)].
Dabei ging es um die Frage, ob der Angeklagte als Mitglied einer Bande
handelte.
Am Rande bemerkt jetzt auch der 1. Strafsenat, dass er dazu neigt,
dass im Rahmen der Verständigung nicht nur eine Obergrenze, sondern auch
eine Untergrenze vereinbart werden muss.
Das richtet
sich gegen die sogenannte "Punktstrafe", die dem Gericht keine echte
Entscheidungsfreiheit mehr lässt.
Ich weiß noch ganz genau, dass wir solche "Strafschneisen" schon
Mitte der Neunziger Jahre vereinbart haben und das ganz ohne die
kontrollierenden Geistesblitze von der hohen Rechtsprechung und vom
Bundesgesetzgeber.
Die
Konsequenz daraus ist, dass die verhandelten Strafobergrenzen höher
werden müssen, um dem Gericht genügend Spielraum zwischen der absoluten
Schmerzgrenze der Staatsanwaltschaft (Strafuntergrenze) und der
Schmerzgrenze des Angeklagten (Strafobergrenze) zu schaffen.
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