Telekommunikationsdaten, die vor dem 2. März 2010 auf
der Grundlage der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts
vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (...
(1)
) rechtmäßig erhoben und
an die ersuchenden Behörden übermittelt wurden, bleiben auch nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zu
§§ 113a,
113b TKG,
100g StPO (...) in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken verwertbar.
(3) |
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11-03-10
Nach dem 4.
Strafsenat
(2)
hat sich auch der 1. Strafsenat des BGH zur Verwertung von Vorratsdaten
geäußert, die noch vor dem 02.03.2010 nach Maßgabe der vorläufigen
Regelungen des BVerfG erhoben worden sind
(3).
Auch er ist der Auffassung, dass sie weiterhin verwertbar sind und nimmt
ausführlich zu den Rechtsfragen Stellung.
Noch
wichtiger erscheinen mir die klaren Worte zum Beweisverwertungsverbot.
Es kann nur eine begründungsbedürftige Ausnahme und muss
verfassungsrechtlicher Natur sein. Insoweit hebt der BGH das
Interesse
der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Strafrechtspflege und
effektiven Strafverfolgung besonders hervor
(4).
Schlichte Rechtsanwendungsfehler reichen nicht.
Das ist eine deutliche Absage an die amerikanische Rechtsdoktrin von der
"Frucht vom verbotenem Baum". Sie verlangt ein zwangsläufiges
Verwertungsverbot, wenn die Beweiserhebung verfahrensrechtlich
fehlerhaft war. Der gute Grund für die Absage ist die Hoffnung auf eine
weitgehende materielle Gerechtigkeit.
Die
materielle Gerechtigkeit ist ein hohes und im Ergebnis unerreichbares
Ziel. Dessen ungeachtet ist es ein wichtiges Ziel, dem sich der BGH
nicht durch förmelnde Zufälle verschließen will.
Das klingt vielleicht etwas unmodern und vergangen und ist dennoch
wichtig und gut.
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11-03-11
Ein sehr
spezielles Problem spricht der BGH in einem ganz anderen Beschluss an
(5):
Die
Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Erwerbs einer
halbautomatischen Kurzwaffe hatte jeweils zu entfallen, da hier
materiellrechtlich der Erwerb der Waffe mit dem Führen der Waffe nicht
in Tateinheit steht (...).
Waffenrecht ist eine schwierige Materie
(6).
Seine zentralen Strafvorschriften (
§§ 51 und
52 WaffG) werden von zwei Anlagen begleitet, deren Aussagen sich
nicht immer auf dem ersten Blick erschließen.
Im Zusammenhang mit der jüngsten Entscheidung bleibt die Frage, ob
der notwendige "Besitz" zwischen dem Erwerb und dem Führen eine
Klammerwirkung entfaltet
(7).
Aber das ist eine andere Geschichte.
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11-03-13
Brisanz für
die Vollzugspraxis hat eine Art Nachbemerkung des BVerfG
(9):
Damit hat der
Bundesgerichtshof nicht nur - in der Sache überzeugend - die Pflicht des
Staates formuliert, im Falle menschenunwürdiger Haftbedingungen sofort
auf die Durchsetzung des Strafanspruchs zu verzichten, sondern - weil
dieser Pflicht das Recht des betroffenen Gefangenen korrespondieren
dürfte, bei der Vollstreckungsbehörde die Unterbrechung beziehungsweise
die Aufschiebung der Strafe zu beantragen (vgl.
§ 455 StPO) - auf diese
Weise auch einen neuen Weg der Rechtsverteidigung offen gelegt.
Genau gesehen hat sich das BVerfG nur einer zivilrechtlichen
Entscheidung des BGH angeschlossen
(10).
Der Verweis auf
§ 455 StPO ist jedoch etwas gewagt, weil er Umstände in der Person
des Gefangenen und nicht aus seiner Umgebung anspricht. Seine
übertragene Anwendung beißt sich etwas mit der Regel, dass die Auslegung
ihre Grenzen beim Wortlaut des Gesetzes finden. Aber wenn das BVerfG das
sagt, dann kuscht der Kandidat.
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(1)
Einzelheiten:
Vorratsdatenspeicherung ist unzulässig, 02.03.2010;
Umgang mit Verkehrsdaten, 07.03.2010.
(2)
zulässig erhobene Vorratsdaten bleiben verwertbar, 12.01.2011;
Verwertung von Vorratsdaten nur wegen schwerer Kriminalität,
19.03.2008.
(3)
BGH, Beschluss vom 18.01.2011 – 1 StR 663/10
(4)
Siehe auch:
Rechtsstaatsgewährung, 06.03.2011
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(5)
BGH, Beschluss vom 16.02.2011 - 2 StR 438/10
(6)
selbstverständlich, 21.05.2009
(7)
Klammerwirkung bei Dauerdelikten, 23.12.2010
(8)
BGH, Urteil vom 10.02.2011 - 4 StR 566/10, Rn 5
(9)
BVerfG, Beschluss vom 22.02.2011 - 1 BvR 409/09, Rn 49
(10)
BGH, Urteil vom 11.03.2010 - III ZR 124/09
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