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Februar 2012
25.02.2012 duale Welt
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift lockere Kabel und andere Kriminalität
 

 
 Die überlichtschnellen Neutrinos verursachten vor ein paar Monaten etwas Aufregung, weil sie einen Grundstein der Relativitätstheorie in Frage stellten, die Lichtgeschwindigkeit als Höchstgeschwindigkeit für träge Materie. Vielleicht war es nur ein lockeres Kabel, das zu Messfehlern führte, verlautet jetzt. Im Mai sollen die Messreihen fortgesetzt werden.

Überschnelle Neutrinos: vielleicht nur ein schlechtes Kabel, Heise online 23.02.2012


 
1,7 Mio. € Beute durch 85.000 Lastschriften
Es gibt keine typischen kriminellen Karrieren
Durchsuchung im Vorbeifahren
Was ist ACTA?
verschwundene IT-Marken aus Deutschland
Beschlagnahme eines Facebook-Accounts
 
Die Science Fiction ist tot! Es lebe die Science Fiction!
 


 
Damit verlassen wir das Thema "lockere Schrauben" und widmen uns der dualen Welt im Übrigen.

Zum Beispiel den
15 Dingen, die Sie als PC-Nutzer wissen sollten, Computerwoche 25.02.2012,
oder den
100 verrückten Photoshop-Bildern, Computerwoche 25.02.2012.


1,7 Mio. € Beute durch 85.000 Lastschriften
23.02.2012 
 Ein betagtes Pärchen aus den Niederlanden soll mit 85.000 unberechtigten Lastschriften zu je 19,95 € 1,7 Mio. € auf ein Konto bei einer Osnabrücker Bank eingezogen haben. Beim Lastschriftverfahren gibt man einen Datenträger an seine Bank, auf dem die fremden Konten und die Einziehungsbeträge in formalisierten Datensätzen beschrieben sind. Der Kunde versichert natürlich auch, dass er zum Einzug berechtigt ist. Dann läuft ein automatischer Saugprozess ab und das Konto des Kunden füllt sich prächtig mit fremden Geldern. Das hat nur einen Haken: Die fremden Kontoinhaber können der Lastschrift widersprechen und dann flutscht das Geld genauso automatisch wieder zurück.

Die Arschkarte Verantwortung hat die Bank, die den Lastschrifteinzug durchführt. Bei ihr bleiben die Transfere und die Rücklastkosten hängen, wenn ihr Kunde unlauter ist. Dem geht es nämlich darum, möglichst schnell möglichst viel des eingezogenen Geldes abzuziehen und darauf bleibt "seine Bank" ganz mit Sicherheit hängen.

Die Meldungen hinterlassen Fragen, weil der berichtete Vorgang bizarr und unverständlich ist:

Warum führt die eine betreffende Bank überhaupt das Lastschriftverfahen in dieser Größenordnung durch?
Warum nutzen die Täter nur ein Zielkonto? Würden sie die Einzüge auf verschiedene Konten verteilen, dann wäre das unauffälliger und effektiver.
Wo bekommt ein Pärchen in den Sechzigern die nötigen Daten her? Sie können eigentlich nur aus Dumps im Internet stammen. Da kommt prinzipiell jeder ran. Die Alltagserfahrung spricht aber eher für jüngere Täter.

Achim Sawall, Mobile App. Betrüger bucht bundesweit von 85.000 Konten ab, golem 22.02.2012

App von Petrus: Millionenbetrag ergaunert, Heise online 22.02.2012


Es gibt keine typischen kriminellen Karrieren
23.02.2012 
 Volker Grundies vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat die Daten von rund 21.000 straffällig gewordenen Männern des Geburtenjahrgangs 1970 während acht Jahre untersucht und konnte dabei keine typischen Karrieren für Straftäter feststellen. Einstiegsalter, Alters- und kriminelle Entwicklungen und andere Merkmale zeigten keine gleichförmigen Entwicklungen, sondern Überschneidungen und Brüche. Obwohl das Ergebnis ihn frustriert, sieht er sich dennoch bestätigt: Entscheidend für eine kriminelle Karriere ist das Ungleichgewicht zwischen Individuum und Gesellschaft, das sich in jedem Alter einstellen kann.

Auch darüber lässt sich trefflich philosophieren. Aus Not geborene Kriminalität ist belletristisch verbürgt, auch solche aus mentalen Konflikten und Neid. Ich glaube, dass der wichtigste Faktor wirtschaftlicher Natur ist. Über den Begriff des "Ungleichgewichts" wird man also noch viel nachdenken können.

Fanny Jimenez, Typische kriminelle Karrieren gibt es nicht, Wissenschaft aktuell 23.02.2012


Durchsuchung im Vorbeifahren
25.02.2012 
 Die Polizei in New York will mit neuer Technik versteckte Waffen und Gefahren aufspüren. Wie nicht anders zu erwarten, schreckt das die Datenschützer auf.

Chris Opfer, Ines Nastali, Durchsuchung im Vorbeifahren, Technology Review 30.01.2012

Das als "Drive-by Gun Scan" vorgestellte Verfahren kann bis zu einer Entfernung von 4,5 Metern (15 Fuß) mit Hilfe von Terahertz-Strahlen versteckte Waffen wie Pistolen oder Messer orten. Das Gerät misst die Terahertz-Wellen, die von Menschen abgestrahlt werden, und die Textilien, Plastik oder Papier durchdringen. Objekte aus Metall, das als Leiter für diese Wellen undurchsichtig ist, zeichnen sich dagegen auf dem Wärmebild des Menschen mehr oder weniger deutlich ab.


 
 

 
Was ist ACTA?

25.02.2012 
 Die Verhandlungen über das Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen (Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement - ACTA) liefen hinter verschlossenen Türen seit 2006. Hülsbömer erklärt die wichtigsten Hintergründe. 

Simon Hülsbömer, ACTA - was Sie wissen müssen, Computerwoche 24.02.2012

In seinen Artikel eingebunden und nach unten versteckt ist eine Bilderstrecke über die
verschwundenen IT-Marken aus Deutschland. Sie umfasst 43 Schritte - einige mit Werbung - und kurze Erklärungen, wer wen geschluckt hat, welche Marken vorübergehend erhalten blieben und welche schließlich noch selbständig sind. Das ist durchaus spannend und zu empfehlen.


Beschlagnahme eines Facebook-Accounts
25.02.2012 
 Ein "einmaliger Vorgang", so bemerkt es die Presse: Ein Richter vom AG Reutlingen beschlagnahmt einen Facebook-Account. Dessen Inhaber nennt sich "Al Capone" und soll einen anderen netten Mitmenschen zu einem Einbruch angeleitet haben. Der Hostspeicher liegt in Irland und deshalb bedurfte es nicht nur einer Beschlagnahme, sondern auch eines Rechtshilfeersuchens.

AG Reutlingen, Beschluss vom 31.10.2011 - 5 Ds 43 Js 18155/10, openjur.de

Richter beschlagnahmt Facebook-Account - Einmaliger Vorgang, CIO 20.02.2012
Richter beschlagnahmt Facebook-Account, Heise online 20.02.2012

Eine Einigung scheint in Sicht zu sein.

Machtkampf zwischen Richter und Facebook könnte ausfallen, Stuttgarter Nachrichten 23.02.2012
 

zurück zum Verweis Die Science Fiction ist tot! Es lebe die Science Fiction!
 

25.02.2012  
 Unlängst beschwor Michael Szameit das Ende der Science Fiction, wobei er sich vor Allem auf die filmischen Werke bezog (1): Heute sind an die Stelle der Weltentwürfe und kühnen Was-wäre-wenn-Gedankenexperimente, der Aufklärung und Warnung billige Horrorszenarien getreten, die als Rechtfertigung für möglichst viele Ballerszenen herhalten müssen. Er bemängelt den Stumpfsinn der militärisch ausgerichteten Serien nach der Art von Stargate und andere Weltenkriege, die spätestens mit Starwars begannen.

Dagegen wendet sich jetzt Myra Çakan (2): William Gibson, den ich vor über zehn Jahren in Vancouver traf, beklagte schon damals, dass SF-Autoren mehr und mehr Probleme hätten, sich etwas Visionäres auszudenken, da wir ja bereits in einer Welt lebten, wie sie die SF-Schreiber noch vor wenigen Jahren beschrieben hätten. Das trifft auf die heutige Zeit noch viel mehr zu. Worüber soll man also schreiben, wenn Science Fiction im Hier und Jetzt passiert? Die Antwort darauf zu finden und aufzuschreiben … was für eine großartige Herausforderung!
 


(6)

Çakan ist Schriftstellerin und nimmt deshalb stärker die Literatur in den Blick. Interessant ist ihr Bericht über William Gibson, der in den 1980er Jahren mit seinen Neuromancer-Romanen den Cyberspace eröffnete und die Cyberpunk-Bewegung auslöste. Inzwischen ist er im Heute angekommen (3) - wie auch Boris Strugatzki (4). Sie verbindet mit Baxter (5), dass sie gute Autoren geblieben sind, der wiederum verbreitet sich zu sehr, ohne das mit einem Handlungsfeuerwerk auszugleichen (6). Auch zu breit, aber mit mehr Spannungsspitzen schreibt Schätzing (7). Wie gut, dass sich gelegentlich Altmeister wie Herbert W. Franke melden (8).

Neue und interessante Autoren treten durchaus auf (9) und verschwinden schnell, weil die Verlagsprogramme auf schnellen Umsatz aus sind und nicht auf Lagerhaltung oder publizistische Pflege. Somit stimme ich Çakan auch in einem anderen Punkt zu: Vorbei sind die Zeiten, in denen eine gute Geschichte ohne Redundanzen auf 200 Seiten erzählt wird. Verleger wollen dicke Bücher, weil sie einen höheren Verkaufpreis erzielen, und Autoren betreiben das Seitenschinden bis zum Exzess und schreiben Endlos-Serien, weil ihre Verleger es wünschen. Einen Kontrollmechanismus gegen diese selbstverliebte Aufgeblähtheit, wie einen rigiden Lektor, gibt es schon lange nicht mehr.
 


(9)

(9)

Wirklich gute Kurzgeschichten gibt es kaum noch und Novellen schon gar nicht. Novellen verlangen von einem guten Autor, die tragenden Gedanken aus einem Roman auf rund 70 Seiten zu komprimieren. Das ist schriftstellerische Kunst.

Lebhafte Geschichten dieser Art habe ich zuletzt bei Karsten Kruschel gefunden (2009). Auch er braucht 200 Seiten, die er jedoch mit wechselnden Handlungen und Szenen zu überraschenden, schlüssigen und spannenden Geschichten verbindet (10). Eschbach könnte das auch und hat das zum Beispiel mit dem Jesus Video (11) und seinen früheren Jugendbüchern bewiesen (12), enttäuscht aber inzwischen (13).

Somit schließe ich mich Çakans hoffnungsfroher Aufforderung an: … was für eine großartige Herausforderung!
 
 

 

(1) Michael Szameit, Science Fiction am Ende? Telepolis 05.02.2012

(2) Myra Çakan, Warum Science Fiction einfach nicht totzukriegen ist, Telepolis 18.02.2012

(3) Systemneustart. Zerrspiegelte Gegenwart von Gibson, 20.11.2011

(4) nachkommunistische Reflexionen, 30.08.2008

(5) Stephen Baxter, Die letzte Flut, 04.10.2009

(6) Auch die Fortsetzung der "Flut" ist langatmig und in einem wesentlichen Punkt unschlüssig: Um eine Sternenreise in menschenmöglicher Form durchführen zu können, werden zwei Raumschiffe in ein Babyuniversum gekapselt, das nur noch eine kleine Nahtstelle zum hiesigen hat. Das lässt sich mit modernen physikalischen Vorstellungen noch in Einklang bringen. Nicht aber, wie damit kosmische Ortswechsel veranstaltet werden könnten. Dazu schweigt Baxter.
Stephen Baxter, die letzte arche, Heyne 2011; Bestellung bei .
Das Buch ist, obwohl erst 2011 erschienen, nur noch antiquarisch erhältlich.

(7) Lesers Limit, 11.01.2010

(8) Herbert W. Franke, Transfer, Telepolis 26.02.2012 (1990)

(9) Lukianenko ... Palmer ... Scalzi, 18.01.2009. Urlaubslektüre (Suarez), 27.06.2010

(10) Karsten Kruschel, VILM. Der Regenplanet, Wurdack 2009; Bestellung bei
Karsten Kruschel, VILM. Die Eingeborenen, Wurdack 2009; Bestellung bei

(11) Jesus Video, 26.06.2007

(12) Jugendbücher, 26.06.2007

(13) Eschbach. Hide*Out. Herr aller Dinge, 29.12.2011
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018